Austro-Keynesianismus war ein Kind seiner Zeit
WIEN. Die Frage, welche Rolle der Staat in der Wirtschaftspolitik spielen soll, ist eine der umstrittensten im politischen Geschäft. Entsprechend vielfältig sind die Antworten darauf, die wesentlich davon abhängen, welcher ökonomischen Schule man folgt.
Im Österreich der 1970er-Jahre sah sich die damals regierende SPÖ unter Bundeskanzler Bruno Kreisky einer Fülle wirtschaftlicher Herausforderungen gegenüber, auf die man mit einer Politik reagierte, die später das Etikett Austro-Keynesianismus erhielt. Auf das Wesentliche reduziert, bestand der Austro-Keynesianismus – den Begriff prägte der Leiter des Wifo, Hans Seidel – aus einer Budgetpolitik, die der Beschäftigung Vorrang gab, und einer von den Sozialpartnern moderierten Lohnpolitik. Ergänzt wurde das Konzept durch eine Hartwährungspolitik. Die bezeichnet Christian Dirninger, emeritierter Wirtschaftshistoriker an der Uni Salzburg, als „Leitplanke für den Austro-Keynesianismus“. Dieser Periode hat er ein Buch gewidmet, das er Mittwochabend mit zwei maßgeblichen politischen Repräsentanten von damals vorstellte – Josef Taus und Hannes Androsch.
Für Taus, der als Staatssekretär der Vorgängerregierung von Bundeskanzler Josef Klaus angehörte, war das Bemerkenswerte an Kreisky, „dass er es verstanden hat, das Budget als Steuerungsinstrument einzusetzen“. Für Taus („Ich komme aus dem linken Flügel der ÖVP“) war aber die Rolle von Hannes Androsch entscheidend, „der eine Finanzpolitik gemacht hat, die das marktwirtschaftliche Prinzip nicht abgelehnt hat“. Der frühere Finanzminister gilt mit Seidel als Architekt der Wirtschaftspolitik, mit der Österreich die damaligen Stürme in der Weltwirtschaft – Zerfall des Systems fester Wechselkurse, zwei Ölpreisschocks, Stagflation – relativ gut überstand. Dass das so war, führt Androsch darauf zurück, dass man zwar eine klare Grundhaltung gehabt habe – er erinnerte an das SPÖ-Programm „Leistung-Aufstieg-Sicherheit“–, aber beim Policy-Mix flexibel gewesen sei. Entscheidend war laut Androsch auch, „dass die Sozialpartner das mitgetragen haben“. Die Lehre des Austro-Keynesianismus („ein Cocktail, der heute ungenießbar wäre“) lautet für ihn, „dass Wirtschaftspolitik auf die Umstände flexibel, aber entschlossen reagieren muss“.