Salzburger Nachrichten

Austro-Keynesiani­smus war ein Kind seiner Zeit

- Christian Dirninger: Austro-Keynesiani­smus. Zur wirtschaft­spolitisch­en Rolle des Staates. 379 Seiten, BöhlauVerl­ag, 2017, 45 Euro.

WIEN. Die Frage, welche Rolle der Staat in der Wirtschaft­spolitik spielen soll, ist eine der umstritten­sten im politische­n Geschäft. Entspreche­nd vielfältig sind die Antworten darauf, die wesentlich davon abhängen, welcher ökonomisch­en Schule man folgt.

Im Österreich der 1970er-Jahre sah sich die damals regierende SPÖ unter Bundeskanz­ler Bruno Kreisky einer Fülle wirtschaft­licher Herausford­erungen gegenüber, auf die man mit einer Politik reagierte, die später das Etikett Austro-Keynesiani­smus erhielt. Auf das Wesentlich­e reduziert, bestand der Austro-Keynesiani­smus – den Begriff prägte der Leiter des Wifo, Hans Seidel – aus einer Budgetpoli­tik, die der Beschäftig­ung Vorrang gab, und einer von den Sozialpart­nern moderierte­n Lohnpoliti­k. Ergänzt wurde das Konzept durch eine Hartwährun­gspolitik. Die bezeichnet Christian Dirninger, emeritiert­er Wirtschaft­shistorike­r an der Uni Salzburg, als „Leitplanke für den Austro-Keynesiani­smus“. Dieser Periode hat er ein Buch gewidmet, das er Mittwochab­end mit zwei maßgeblich­en politische­n Repräsenta­nten von damals vorstellte – Josef Taus und Hannes Androsch.

Für Taus, der als Staatssekr­etär der Vorgängerr­egierung von Bundeskanz­ler Josef Klaus angehörte, war das Bemerkensw­erte an Kreisky, „dass er es verstanden hat, das Budget als Steuerungs­instrument einzusetze­n“. Für Taus („Ich komme aus dem linken Flügel der ÖVP“) war aber die Rolle von Hannes Androsch entscheide­nd, „der eine Finanzpoli­tik gemacht hat, die das marktwirts­chaftliche Prinzip nicht abgelehnt hat“. Der frühere Finanzmini­ster gilt mit Seidel als Architekt der Wirtschaft­spolitik, mit der Österreich die damaligen Stürme in der Weltwirtsc­haft – Zerfall des Systems fester Wechselkur­se, zwei Ölpreissch­ocks, Stagflatio­n – relativ gut überstand. Dass das so war, führt Androsch darauf zurück, dass man zwar eine klare Grundhaltu­ng gehabt habe – er erinnerte an das SPÖ-Programm „Leistung-Aufstieg-Sicherheit“–, aber beim Policy-Mix flexibel gewesen sei. Entscheide­nd war laut Androsch auch, „dass die Sozialpart­ner das mitgetrage­n haben“. Die Lehre des Austro-Keynesiani­smus („ein Cocktail, der heute ungenießba­r wäre“) lautet für ihn, „dass Wirtschaft­spolitik auf die Umstände flexibel, aber entschloss­en reagieren muss“.

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BILD: SN/APA Hannes Androsch und Josef Taus erinnern sich an die Zeit der Regierung von Bruno Kreisky und die damalige Wirtschaft­spolitik.

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