Eine Wanze, ein Einbruch und viele Rätsel
Politkrimi oder blaue Inszenierung: Was ist in Straches Büro tatsächlich geschehen?
So lässt es sich arbeiten. Ein wunderschönes Palais, nur wenige verkehrsberuhigte Schritte vom Bundeskanzleramt entfernt im Schatten der Minoritenkirche gelegen. Das Palais Dietrichstein in Wien. Seit vielen Jahren amtieren hier Kanzleramtsminister und Vizekanzler. Susanne Riess-Passer hatte hier ihr Büro, ebenso Hubert Gorbach. Zuletzt nutzen die jeweiligen Kanzler-Vertrauten Josef Ostermayer und Thomas Drozda das Palais.
Und seit seiner Angelobung unmittelbar vor Weihnachten Vizekanzler Heinz-Christian Strache. Ein schöner Amtssitz. Aber auch einer, der dank verwinkelter Architektur nur schwer zu bewachen ist. Donnerstag wurde bekannt, dass in Straches Büro eine Abhörwanze gefunden worden sei. Auch von einem Einbruch in Straches Büro wurde berichtet. Die Begleitumstände sind dubios.
Wie den SN bestätigt wurde, ist die Wanze bereits am 19. Dezember entdeckt worden. Und zwar vom neuerdings unter FPÖ-Führung stehenden militärischen Abwehramt. Der für derlei Ermittlungen zuständige Verfassungsschutz sei aber erst am 25. Jänner von dem Wanzenfund informiert worden.
Auch der seinerzeitige SPÖKanzleramtsminister Thomas Drozda, der bis 18. Dezember in dem Büro amtierte, wurde im Dunkeln gelassen. „Bis jetzt – Freitag, 11.55 Uhr – kenne ich die Geschichte nur aus den Medien“, sagt der nunmehrige SPÖ-Abgeordnete empört. Er will nun in einer parlamentarischen Anfrage an Innen- und Verteidigungsminister wissen, warum man ihn – das potenziell einzige Lauschopfer – nicht informiert habe.
Oder gab es gar keine Wanze und auch keinen Einbruch, und das Ganze ist bloß eine Inszenierung der FPÖ? Ein hoher Exekutivbeamter will das auf SN-Anfrage nicht ausschließen. Folgende Ungereimtheiten fallen auf:
Die Sache mit der Wanze ist erst aufgrund „der angeblichen Einbruchsgeschichte“(so ein Gesprächspartner in der Exekutive) in Straches Büro bekannt gegeben worden. Wie berichtet, wollen Mitarbeiter Straches am Mittwoch gegen 19 Uhr „Geräusche“im Büro des Vizekanzlers gehört haben. Als sie Nachschau hielten, sei jemand über die Nottreppe geflüchtet.
Was Insider verwundert: Die Angelegenheit wurde Donnerstagmittag durch eine Aussendung des FPÖ-geführten Innenministeriums kommuniziert. Und nicht, wie es der jahrelangen Gepflogenheit entsprochen hätte, von der Wiener Polizei. „So etwas habe ich in all den Jahren hier nicht erlebt“, wundert sich ein hoher Beamter. Jedenfalls ist es dem freiheitlichen Innenminister und Strache-Intimus Herbert Kickl mit der Wanzenund Einbruchsstory gelungen, den Skandal um das Naziliederbuch, in das der nö. Spitzenkandidat Udo Landbauer verwickelt ist, in den Hintergrund zu drängen.
Ungereimtheiten auch in der sonstigen Kommunikation des angeblichen Kriminalfalls. Laut Vizekanzleramt und Verteidigungsministerium wurde die Wanze „vergangene Woche“entdeckt. In einem E-Mail des Bundesamts für Verfassungsschutz, das dem „Falter“vorliegt, ist aber vom Wanzenfund bereits am 19. Dezember die Rede.