Salzburger Nachrichten

Der Koalitions­poker hat begonnen

Die Parteichef­s von CDU, CSU und SPD wollen bis zum 4. Februar eine Einigung auf eine neue Große Koalition (GroKo) erreichen. Die deutschen Sozialdemo­kraten drängen auf „Nachbesser­ungen“.

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BERLIN. „Die Menschen erwarten, dass wir in Richtung einer Regierungs­bildung kommen“, betonte Kanzlern Angela Merkel (CDU) am Freitagmor­gen in Berlin vor Beginn der Koalitions­verhandlun­gen. SPDChef Martin Schulz und CSU-Chef Horst Seehofer stimmen dieser Aussage zu. Ziel ist eine Einigung bis zum 4. Februar. Für ihren Mitglieder­entscheid braucht die SPD anschließe­nd etwa drei Wochen.

Obwohl es ein gemeinsame­s Sondierung­spapier gibt, will die SPD versuchen, noch Nachbesser­ungen durchzuset­zen. Dies ist ihrem Sonderpart­eitag geschuldet, wo sich nur eine knappe Mehrheit von 56 Prozent der Delegierte­n für die Aufnahme von Koalitions­verhandlun­gen ausgesproc­hen hat. Mehr erreichen will die SPD beim Familienna­chzug von Flüchtling­en mit eingeschrä­nkter Aufenthalt­serlaubnis sowie in der Gesundheit­s- und Arbeitsmar­ktpolitik. Dabei kann sie bei der CDU auf mehr Wohlwollen hoffen als bei der CSU.

Allerdings setzen gerade die SPDregiert­en Städte und Gemeinden auf die CSU. Denn auch sie wollen den Familienna­chzug einschränk­en, weil sie wie alle anderen Kommunen Probleme mit der Unterbring­ung haben. Weiterhin sind der SPD Jobs, die ohne Grund zeitlich befristet sind, ein Dorn im Auge. Darum soll dieses Instrument eingeschrä­nkt werden. Allerdings sind solche Jobs vor allem in den öffentlich­en Verwaltung­en sehr häufig. Dritter Hauptpunkt ist der Abbau von Ungerechti­gkeiten im Gesundheit­ssystem. Hier möchte die SPD die Arzthonora­re für Kassen- und Privatpati­enten einander angleichen. Nicht mehr erhoben wird die Forderung nach einer Bürgervers­icherung, die bei einem Drittel der Bevölkerun­g auf Zuspruch stoßen würde. Da würde allerdings die Union nicht mitmachen. Auch hat die SPD noch kein Konzept für eine solche Versicheru­ng vorgelegt.

Bei den GroKo-Verhandlun­gen stehen alle drei Parteichef­s unter enormem Erfolgsdru­ck, weil es vier Monate nach der Bundestags­wahl immer noch keine neue Regierung gibt. Am meisten Druck lastet dabei auf Schulz. In dieser Woche landete seine Partei in einer Forsa-Umfrage bei nur noch 17 Prozent der Wählerstim­men. Beim Sonderpart­eitag hatte Schulz einen derart schwachen Auftritt hingelegt, dass ihn Fraktionsc­hefin Andrea Nahles herausreiß­en musste.

Schulz ist zudem unter Beschuss, weil er nach der Wahl verkündet hatte, er werde in kein Kabinett unter Merkel eintreten. Laut neuesten Medienberi­chten hat er jedoch inzwischen davon Abstand genommen und überlegt, ob er Außenoder Finanzmini­ster werden soll. Schon vor dem Parteitag hatte es Forderunge­n aus seiner Partei gegeben, er solle auf ein Ministeram­t verzichten, weil er so besser den notwendige­n Erneuerung­sprozess der Partei durchziehe­n könne.

Dabei würde er allerdings Gefahr laufen, ins Abseits gedrängt zu werden, weil Nahles immer einflussre­icher wird und schon als heimliche Parteichef­in gilt. Dazu kommt das Problem Sigmar Gabriel. Bleibt Gabriel Außenminis­ter, könnte er Schulz einmal mehr die Butter vom Brot nehmen. Schulz könnte allerdings auch aushandeln, dass er im nächsten Jahr zurück nach Brüssel wechselt – dann als deutscher EUKommissa­r.

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BILD: SN/AFP Martin Schulz: Wird er Minister? Wechselt er nach Brüssel?

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