Nacktheit, die nicht Sexismus verströmt
Weibliche Brüste, die als Material für die Kunst oder als Waffe eingesetzt werden: Bedeutsam für die Akteurinnen ist die Selbstbestimmtheit.
Sie war Akteurin von Otto Muehl, Rudolf Schwarzkogler und ihrem Mann Günter Brus. Sie agierte ästhetisch als Braut, ließ sich aber auch bei Materialaktionen „versumpfen“, besorgte auch Requisiten für die Wiener Aktionisten, war bei einer Vielzahl interner Besprechungen dabei. Die Anni. Anna Brus hat jahrelang ihren (nackten) Körper in die Kunst eingebracht. Direkt, nicht selten aktiv und fast immer schonungslos. „Mir ging es immer um die Erweiterung der Kunst. Der Aktionismus war bemüht, lebende Bilder zu schaffen“, sagte Anna Brus Donnerstagabend im Salon Gender zum Thema „Let’s get naked“im Grazer Literaturhaus. Die Veranstaltung des Zentrums für Genderforschung der Kunstuniversität Graz thematisierte Nacktheit in der Kunst. Ist diese nun Subversion eines patriarchalen Ordnungssystems oder Fortsetzung eines sexistischen Blickregimes?
„Ich wurde zur Keuschheit erzogen, für mich war es anfangs unheimlich schwer, mich in der Öffentlichkeit ganz auszuziehen“, berichtete Anna Brus, die sich dagegen verwehrt, Beiträge zu einer „Industrialisierung des weiblichen Körpers“geliefert zu haben. „Ich konnte eigene Überlegungen mit einbringen und ich habe auch Sachen abgelehnt“, betonte die 75jährige Brus, die keine Scheu vor dem Begriff Muse hat: „Ich war immer eine Muse und bin es noch heute für junge Künstler.“
Wie sie sich in den Aktionen selbst gesehen hat? „Ich war keine Schauspielerin, es gab da kein Rollenspiel. Ich habe mich immer als ,Ich‘ empfunden und das sieht man auch in den Fotos“, sagte die Frau des heuer 80 Jahre alt werdenden Aktionisten, dessen Werk in mehreren Personalen in Wien und Graz gewürdigt wird. Und wie ging es ihr mit Darstellungen, die als obszön empfunden werden konnten? „Das war kein Problem für mich, weil Egon Schiele hat ähnliche Darstellungen gezeichnet. Bloß bei Otto Muehl war dann die Grenze gekommen, wo auch ich nicht mehr weiterkonnte. Es wurde Pornografie und ich sagte: ,Aus, Schluss, es geht nicht mehr.‘“Im Aktionismus sieht die 75-Jährige eine „mittlerweile akzeptierte Kunstform“. Aber: „Es ist nicht so, dass der Aktionismus breitenwirksam ist. Viele stoßen sich ja immer noch daran.“
Femen-Aktivistin Hellen Langhorst betonte im Salon Gender, die auf barbusige Performances spezialisierte feministische Eingreiftruppe hätte vermutlich nicht gegen den Wiener Aktionismus protestiert: „Wir sind gegen die Ausnutzung des weiblichen Körpers durch Werbung und Sexindustrie. Was selbstbestimmt ist, ist ok.“Warum Femen Brüste als Waffe einsetzt? „Weil wir mit unseren politischen Botschaften breite Massen erreichen wollen. Die Medien verbreiten unsere Bilder mit den selbstbewussten Posen.“
Mit Nacktheit arbeitet auch die Künstlerin Julischka Stengele: „Mein Körper war immer als Material da. Aber ich bestimme, wie und wo ich ihn einsetze.“Für Schauspielerin Julia Gräfner ist die Nacktheit ein „Kostüm im Kopf“. Auf der Bühne ziehe sie sich nur aus, wenn es konzeptuell begründet sei: „Bei wahllosem Rumbumsen sage ich Nein.“
„Ich war immer eine Muse.“