Wie der ORF sein Filmprogramm zusammenstellt
Der neueste Bond? Oder doch eine Eigenproduktion wie „Maria Theresia“? Wie viel der ORF pro Film ausgibt. Und welche Quoten die Filme bringen.
WIEN. Es ist der wohl größte Kritikpunkt, mit dem das ORF-Programm seit jeher zu kämpfen hat: Muss im Nachmittagsprogramm wirklich die 16. Wiederholung einer „Scrubs“Folge von 2003 gezeigt werden? Und kommt die ORF-Primetime wirklich nicht ohne Jennifer-Aniston-Komödien aus? Wäre es nicht zielführender, eine österreichische (Eigen-)Produktion zu zeigen – für die Quote, den Bildungsauftrag und auch rein wirtschaftlich?
Die SN haben sich vom ORF die Quoten der fiktionalen Produktionen 2017/2018 ausheben lassen. Dabei sind zwei Trends unverkennbar: Zum einen bringen Eigenproduktionen mehr Quote als Zugekauftes. Die einzigen fiktionalen Sendungen, die mehr als eine Million Zuschauer vor den Bildschirm bringen konnten, waren die zwei Teile des Historienepos „Maria Theresia“ und der Austro-„Tatort“„Die Faust“. Und selbst bei den zugekauften Filmen schaffen in erster Linie jene die größte Reichweite, die regionale Nähe zu Österreich haben. Auf Platz vier der fiktionalen Jahrescharts und zugleich auf Platz eins bei den Zukäufen liegt eine Folge der „Rosenheim Cops“. Einzige Hollywood-Produktion unter den Top fünf der Zukäufe ist das neueste 007-Abenteuer „Spectre“– wohl auch dank des Österreich-Bezugs durch Christoph Waltz.
„Genau genommen produziert der ORF nicht selbst, sondern beauftragt Produktionen“, beschreibt ORF-Fernsehfilmchef Heinrich Mis im SN-Gespräch. Dennoch kann er für die Produktionen Kosten festmachen: „Die (eigenproduzierte, Anm.) Minute Fernsehfiktion kostet zwischen 10.000 und 20.000 Euro.“Hochgerechnet bedeute das für die Erstausstrahlung eines eigenproduzierten 90-Minüters Ausgaben von 900.000 bis 1,8 Millionen Euro. In manchen Fällen seien die Kosten sogar noch höher, ergänzt Mis. Das wird auch bei einigen Produktionen deutlich, bei denen die Gesamtkosten offiziell bekannt sind. Der Dreiteiler „Maximilian: Das Spiel von Macht und Liebe“(2016) kostete etwa 16 Millionen Euro – wenngleich der ORF die Kosten für solche Produktionen nicht allein trägt. Zu „Maximilian“steuerte allein der Fernsehfonds Austria 3,2 Millionen Euro bei.
Und was kostet im Verhältnis dazu ein Zukauf? Da könne der ORF keine konkreten Zahlen nennen. Zum einen, da solche Vertragsdetails oft Geheimhaltungsvereinbarungen unterlägen. Zum anderen, da die Bedingungen von Kauf zu Kauf verschieden seien, beschreibt Andrea Bogad-Radatz, die im ORF den Film- und Serienzukauf verantwortet. US-Programme würden direkt von den Filmstudios in Paketen gekauft, die zum Teil über mehrere Jahre reichten – und dem ORF die Möglichkeit gäben, Filme in einem bestimmten Zeitraum, meist drei bis vier Jahre, mehrfach zu zeigen. Zudem werden auch sogenannte Splitdeals abgeschlossen, vor allem mit der ProSieben-Gruppe. „Aufgrund des Verzichts der Exklusivität werden die Filme für den ORF günstiger“, erläutert Bogad-Radatz.
Während Bogad-Radatz keine Kostendetails preisgeben will, sind zumindest aus der Branche Richtwerte zu hören. So soll eine zugekaufte Film- und Serienminute den ORF im Schnitt zwischen 350 und 400 Euro kosten. Rechnet man das neuerlich auf 90 Minuten hoch, zahlt der ORF pro Film zwischen 31.500 und 36.000 Euro – und somit nur zwei bis vier Prozent dessen, was eine Eigenproduktion kostet.
„Im Vergleich zu den Kosten für Lizenzkäufe sind die Produktionskosten exorbitant hoch“, sagt auch ORF-Fernsehfilmchef Mis. Dass ARD und ZDF dennoch viel selbst produzierten, liege ebenfalls an der Nutzen-Kosten-Rechnung: „Eine Folge ,Tatort‘ zu drehen kostet in München fast so viel wie in Wien. In Deutschland haben Sie jedoch 80 Millionen, in Österreich acht Millionen Einwohner.“Aber kann sich eine Eigenproduktion nicht refinanzieren – etwa durch den Weiterverkauf an andere Sender? An eine komplette Refinanzierung sei nicht zu denken, sagt Mis. „Das geht sich nie aus.“Dazu komme die Krux der Regionalität. „Je wirksamer eine Produktion auf dem Heimatmarkt ist, desto weniger verkäuflich ist sie oft.“Doch immerhin das ändere sich langsam – die stark regional bezogenen „Landkrimis“verkauften sich etwa sehr gut. Aber: „Sie müssen synchronisiert werden. Auf mehr oder weniger Hochdeutsch. Eigentlich ein Drama – aber in diesem Fall ist der Kunde König.“