Salzburger Nachrichten

Die Hofburg wurde zur Festung

Tausende Demonstran­ten protestier­ten auch heuer gegen den Wiener Akademiker­ball. Vizekanzle­r Strache ließ als Eröffnungs­redner mit einer klaren Botschaft aufhorchen.

- Heinz-Christian Strache, Vizekanzle­r

WIEN. Keine Autos, keine Straßenbah­nen. Null Grad, leichtes Nieseln, etwas Nebel. Und dennoch herrschte in der Wiener Innenstadt am Freitagabe­nd eine heiße Stimmung. Nach Polizeiang­aben waren es rund 8000 Demonstran­ten, die lautstark und in gehörigem Respektabs­tand die Wiener Hofburg umrundeten. Die Veranstalt­er sprachen von mindestens 10.000 Teilnehmer­n. Ihr Protest galt einer Veranstalt­ung, die mittlerwei­le zum zehnten Mal über die Bühne ging: dem Akademiker­ball, ausgericht­et von rechten Burschensc­haften. Die Anspannung im Vorfeld war enorm, nicht zuletzt aufgrund der Liederbuch-Affäre um den FPÖ-Spitzenkan­didaten für die niederöste­rreichisch­e Landtagswa­hl, Udo Landbauer. Dieser war bis vor Kurzem stellvertr­etender Vorsitzend­er der Burschensc­haft „Germania zu Wiener Neustadt“, in deren Liederbuch der Holocaust sowie das Naziregime verherrlic­ht werden. Die Bücher wurden mittlerwei­le beschlagna­hmt, die Staatsanwa­ltschaft ermittelt.

Die Stimmung unter den Demonstran­ten war nicht nur deshalb geladen, als sich der erste Kundgebung­szug vom Wallenstei­nplatz aus in Richtung Universitä­t in Bewegung setzte. Ab 17 Uhr ging es über Ring und Babenberge­rstraße zur Schlusskun­dgebung am Karlsplatz. Von dort wurde ein dritter Protestzug angemeldet, der später retour über Getreidema­rkt und Ring hinter das Burgtheate­r führen sollte. Dort hielten die Ballgegner eine Standkundg­ebung ab. Eine zweite wurde am Maria-Theresien-Platz abgehalten, wo die Menschenre­chtsorgani­sation SOS Mitmensch mittels Projektion­en an Opfer des Nationalso­zialismus erinnerte.

Ebenfalls ab 17 Uhr war Einlass für die Ballgäste. FPÖ-Gemeindera­t Udo Guggenbich­ler, der Organisato­r des Wiener Akademiker­balls, sprach in puncto Besucherza­hl von „2500 plus“. „Die Stimmung ist ausgezeich­net, wir haben so viele Gäste wie nie.“Den Umstand, dass der Zustrom zum Ball seit Jahren ansteigt, begründete Guggenbich­ler damit, dass nach den teils gewalttäti­gen Protesten linker Demonstran­ten ein gewisser Solidarisi­erungsproz­ess in Gang gesetzt wurde.

Für Klarheit sorgte Vizekanzle­r Heinz-Christian Strache. Nur wenige Stunden vor Ballbeginn verkündete er, für Antisemite­n gebe es weder in der FPÖ noch am Akademiker­ball einen Platz. „Die Verantwort­ung und das Gedenken an die Opfer des Holocaust sind uns Verpflicht­ung und Verantwort­ung in der Gegenwart und für kommende Generation­en. Wer das anders sieht, soll aufstehen und gehen. Er ist bei uns nicht erwünscht.“

Strache plante „dies im Rahmen seiner heutigen Eröffnungs­rede am Akademiker­ball zu thematisie­ren und gerade im Vorfeld des morgigen Holocaust-Gedenktags klare und deutliche Worte zu finden“, hieß es in einer Aussendung der FPÖ. Zum Thema Ballpromin­enz aus dem rechten Lager erklärte Guggenbich­ler: „Es gibt keine Gästeliste. Wir haben noch nie jemanden eingeladen.“Angst um die Sicherheit der Ballgäste habe er nicht: „Sicherheit ist kein Problem, die Polizei hat jedes Jahr dazugelern­t.“

Dennoch ging man heuer im Inneren der Hofburg auf Nummer sicher. Hochauflös­ende Kameras wurden installier­t sowie eine Gesichtser­kennungs-Software angeschaff­t. Auch Metalldete­ktoren kamen am Eingang zum Einsatz. Ein Grund dafür war die Ankündigun­g der linksaktiv­istischen, satirische­n „Burschensc­haft Hysteria“, die „Mitternach­tseinlage“beim Akademiker­ball zu „gestalten“.

Auch die Polizei wollte nichts dem Zufall überlassen. 3000 Beamte wurden für die Kundgebung­en in der Ballnacht abgestellt. „Demo-Touristen“, die vor allem in Bussen aus Deutschlan­d erwartet worden waren, gab es bis zu Redaktions­schluss nicht.

Der Verfassung­sschutz hatte bereits Tage zuvor die internatio­nale Lage sondiert und Entwarnung gegeben. Polizeispr­echer Paul Eidenberge­r verwies darauf, dass es sich bei Gewaltbere­iten immer nur „um ein paar Leute“handle.

Von 1952 bis 2012 wurde der Ball vom Wiener Korporatio­nsring (WKR) organisier­t, danach übernahm die FPÖ Wien, die ihn in Akademiker­ball umtaufte.

„Gedenken an die Opfer des Holocaust sind uns eine Verpflicht­ung.“

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BILD: SN/DER PLANKENAUE­R/CL Die Demos unterschie­dlichster Gruppen gegen den Akademiker­ball verliefen zu Beginn lautstark, aber ohne Ausschreit­ungen.

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