Die Hofburg wurde zur Festung
Tausende Demonstranten protestierten auch heuer gegen den Wiener Akademikerball. Vizekanzler Strache ließ als Eröffnungsredner mit einer klaren Botschaft aufhorchen.
WIEN. Keine Autos, keine Straßenbahnen. Null Grad, leichtes Nieseln, etwas Nebel. Und dennoch herrschte in der Wiener Innenstadt am Freitagabend eine heiße Stimmung. Nach Polizeiangaben waren es rund 8000 Demonstranten, die lautstark und in gehörigem Respektabstand die Wiener Hofburg umrundeten. Die Veranstalter sprachen von mindestens 10.000 Teilnehmern. Ihr Protest galt einer Veranstaltung, die mittlerweile zum zehnten Mal über die Bühne ging: dem Akademikerball, ausgerichtet von rechten Burschenschaften. Die Anspannung im Vorfeld war enorm, nicht zuletzt aufgrund der Liederbuch-Affäre um den FPÖ-Spitzenkandidaten für die niederösterreichische Landtagswahl, Udo Landbauer. Dieser war bis vor Kurzem stellvertretender Vorsitzender der Burschenschaft „Germania zu Wiener Neustadt“, in deren Liederbuch der Holocaust sowie das Naziregime verherrlicht werden. Die Bücher wurden mittlerweile beschlagnahmt, die Staatsanwaltschaft ermittelt.
Die Stimmung unter den Demonstranten war nicht nur deshalb geladen, als sich der erste Kundgebungszug vom Wallensteinplatz aus in Richtung Universität in Bewegung setzte. Ab 17 Uhr ging es über Ring und Babenbergerstraße zur Schlusskundgebung am Karlsplatz. Von dort wurde ein dritter Protestzug angemeldet, der später retour über Getreidemarkt und Ring hinter das Burgtheater führen sollte. Dort hielten die Ballgegner eine Standkundgebung ab. Eine zweite wurde am Maria-Theresien-Platz abgehalten, wo die Menschenrechtsorganisation SOS Mitmensch mittels Projektionen an Opfer des Nationalsozialismus erinnerte.
Ebenfalls ab 17 Uhr war Einlass für die Ballgäste. FPÖ-Gemeinderat Udo Guggenbichler, der Organisator des Wiener Akademikerballs, sprach in puncto Besucherzahl von „2500 plus“. „Die Stimmung ist ausgezeichnet, wir haben so viele Gäste wie nie.“Den Umstand, dass der Zustrom zum Ball seit Jahren ansteigt, begründete Guggenbichler damit, dass nach den teils gewalttätigen Protesten linker Demonstranten ein gewisser Solidarisierungsprozess in Gang gesetzt wurde.
Für Klarheit sorgte Vizekanzler Heinz-Christian Strache. Nur wenige Stunden vor Ballbeginn verkündete er, für Antisemiten gebe es weder in der FPÖ noch am Akademikerball einen Platz. „Die Verantwortung und das Gedenken an die Opfer des Holocaust sind uns Verpflichtung und Verantwortung in der Gegenwart und für kommende Generationen. Wer das anders sieht, soll aufstehen und gehen. Er ist bei uns nicht erwünscht.“
Strache plante „dies im Rahmen seiner heutigen Eröffnungsrede am Akademikerball zu thematisieren und gerade im Vorfeld des morgigen Holocaust-Gedenktags klare und deutliche Worte zu finden“, hieß es in einer Aussendung der FPÖ. Zum Thema Ballprominenz aus dem rechten Lager erklärte Guggenbichler: „Es gibt keine Gästeliste. Wir haben noch nie jemanden eingeladen.“Angst um die Sicherheit der Ballgäste habe er nicht: „Sicherheit ist kein Problem, die Polizei hat jedes Jahr dazugelernt.“
Dennoch ging man heuer im Inneren der Hofburg auf Nummer sicher. Hochauflösende Kameras wurden installiert sowie eine Gesichtserkennungs-Software angeschafft. Auch Metalldetektoren kamen am Eingang zum Einsatz. Ein Grund dafür war die Ankündigung der linksaktivistischen, satirischen „Burschenschaft Hysteria“, die „Mitternachtseinlage“beim Akademikerball zu „gestalten“.
Auch die Polizei wollte nichts dem Zufall überlassen. 3000 Beamte wurden für die Kundgebungen in der Ballnacht abgestellt. „Demo-Touristen“, die vor allem in Bussen aus Deutschland erwartet worden waren, gab es bis zu Redaktionsschluss nicht.
Der Verfassungsschutz hatte bereits Tage zuvor die internationale Lage sondiert und Entwarnung gegeben. Polizeisprecher Paul Eidenberger verwies darauf, dass es sich bei Gewaltbereiten immer nur „um ein paar Leute“handle.
Von 1952 bis 2012 wurde der Ball vom Wiener Korporationsring (WKR) organisiert, danach übernahm die FPÖ Wien, die ihn in Akademikerball umtaufte.
„Gedenken an die Opfer des Holocaust sind uns eine Verpflichtung.“