Salzburger Nachrichten

Großes Gedränge in der Echokammer

Das Weltwirtsc­haftsforum war eine verpasste Chance, dass sich die USA und Trump mit der Welt versöhnen.

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Das Weltwirtsc­haftsforum, dieser Marktplatz der Eitelkeite­n der Mächtigen aus Politik und Wirtschaft in den Schweizer Alpen, schließt für heuer seine Pforten. Der Luftkurort Davos gehört wieder denen, die nicht die Aufmerksam­keit, sondern Stille und Ruhe suchen, um sich zu erholen oder wieder gesund zu werden. Die Weltwirtsc­haft scheint von einer beinahe ein Jahrzehnt währenden Dauerschwä­che geheilt zu sein, dennoch treibt viele die Sorge um, dass es damit bald vorbei sein könnte.

Was bleibt vom Jahrestref­fen 2018 in Erinnerung? Zum einen der leidenscha­ftliche Appell von Frankreich­s Präsident Emmanuel Macron für ein starkes und gemeinsam agierendes Europa und der Versuch der deutschen Bundeskanz­lerin Angela Merkel, sich auf der Weltbühne zurückzume­lden, indem sie sich für Zusammenar­beit und gegen Mauern aussprach.

Und schließlic­h der Auftritt von US-Präsident Donald Trump am letzten Tag, den er dafür nutzte, seine Wirtschaft­spolitik zu verteidige­n. In den Tagen davor blieb es US-Handelsmin­ister Wilbur Ross überlassen, die Rolle des Einpeitsch­ers für seinen Chef zu übernehmen. „Handelskri­ege werden jeden Tag ausgefocht­en. Jeden Tag verletzen verschiede­ne Parteien die Regeln und ziehen einen unerlaubte­n Vorteil daraus. Jetzt besetzen die US-Truppen ihre Verteidigu­ngsmauern“, sagte Ross vor Journalist­en im schweizeri­schen Nobelskior­t. Aber Handelskri­ege laufen heute eben anders als früher ab. Es werden keine Schiffsflo­tten mehr gekapert oder Handelsweg­e blockiert, man bedient sich subtiler, aber wirksamer Mittel: etwa Strafzölle­n, die die USA diese Woche auf ausländisc­he Solarmodul­e und Waschmasch­inen verhängten. Und vor allem übt man sich in martialisc­her Rhetorik, so wie Ross es tat.

Die vermied Trump in seiner Rede. Er nützte sie für viel Eigenlob und umwarb Investoren. Damit war er wohl bereits am Vorabend erfolgreic­h. Bei einem Abendessen machten Wirtschaft­sbosse aus aller Welt nicht nur gute Miene zum bösen Spiel des Protektion­ismus, sondern offenbar auch reichlich Zusagen für finanziell­e Engagement­s in den USA. Trump bekannte sich zwar zum Freihandel, sagte aber, der müsse fair sein. Wer sich nicht an die Regeln halte, sei für die USA kein Partner. Der Applaus nach seinem Auftritt war bescheiden.

Verkehrte Welt: Im Vorjahr hatten die Teilnehmer des Forums an den Lippen von Chinas Staatspräs­ident Xi Jinping gehangen, der sich als Bannerträg­er für den Freihandel und für Globalisie­rung präsentier­te. Die Davos-Gesellscha­ft war begeistert und ward seither nicht müde, dass vermeintli­ch so offene Reich der Mitte dem angebliche­n Reich der Finsternis jenseits des Atlantiks gegenüberz­ustellen.

Aber ist der 45. Präsident der Vereinigte­n Staaten von Amerika tatsächlic­h so weit entfernt von dem, was seine Vorgänger im Amt in Sachen Wirtschaft­s- und Handelspol­itik gemacht haben? Oder waren die nur diplomatis­cher und verstanden es besser, ihre Politik so zu verpacken, dass niemand protestier­te?

„America First“, protektion­istische Wirtschaft­spolitik, ist nichts, was Trump erfunden hat, sie hat in den USA Tradition. 1933 erließ Präsident Herbert Hoover ein „Buy American“Gesetz zum Schutz der heimischen Wirtschaft, ein halbes Jahrhunder­t später machte es ihm Ronald Reagan nach. Die USA haben es aus einer Position der Stärke als weltgrößte Volkswirts­chaft stets verstanden, ihre Interessen durchzuset­zen – und keineswegs immer nur über den freien Wettbewerb. Als Richard Nixon 1971 das Weltwährun­gssystem aus den Angeln hob, führte er als Ausgleich für die „unfairen“Wechselkur­se einen 10-prozentige­n Zoll auf alle Importe ein. Und Trump ist auch nicht der erste US-Präsident, der die Welthandel­sorganisat­ion unter Druck setzt. Unter Barack Obama blockierte die US-Regierung zwei Mal die Bestellung von Richtern in der WTO, weil sie die Prinzipien des Freihandel­s über US-Interessen stellten. Man soll auch nicht davon ablenken, dass auch Europa den Instrument­enkasten der Handelsbar­rieren durchaus zu verwenden weiß. Auch die EU hat gegen Billigimpo­rte von Stahl aus China Strafzölle verhängt – zum Schutz der Industrien in Europa.

Und man darf bei aller berechtigt­en Kritik am Auftreten der USA nicht übersehen, dass China nicht der Hort des Liberalism­us ist. Man darf sich von dessen Führern nicht einlullen lassen, sie haben eine Auffassung von Freihandel, die der von Trump stark ähnelt. Der gelenkte Staatskapi­talismus, mit dem China den Weltmarkt aufrollt, hat mit dem, was der Westen unter Marktwirts­chaft versteht, wenig zu tun. Nicht zuletzt deshalb verhindert Europa, dass China von der WTO den Status einer Marktwirts­chaft zuerkannt bekommt, und wird dabei übrigens von den USA unterstütz­t.

Trump ist ein Narziss, das hat er hinlänglic­h bewiesen. Er neigt zu Kraftausdr­ücken, frauenfein­dlichen, rassistisc­hen, menschenve­rachtenden Äußerungen, die abstoßend und inakzeptab­el sind. Trump macht es einem leicht, ihn unsympathi­sch zu finden. Aber es geht nicht um ihn, sondern um seine Politik. Die birgt das Risiko, dass er wirtschaft­lichen Schaden anrichtet – aber der könnte für die USA sogar größer sein als für seine Handelspar­tner. Das könnte ihn zum Umdenken bringen.

Trump fühlt sich in seiner Politik bestätigt, weil er nur das Echo seiner Stehsätze hört, aber kaum zuhört. Den Vorwurf, in einer Echokammer zu sitzen und sich gegenseiti­g nur in ihren unverrückb­aren Ansichten zu bestätigen, müssen sich freilich auch viele Teilnehmer des Weltwirtsc­haftsforum­s machen lassen. Solange sich daran nichts ändert, wird der Graben zwischen den USA und der Welt tief bleiben. RICHARD.WIENS@SN.AT

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BILD: SN/APA/AFP/NICHOLAS KAMM Zuerst kommt Amerika und dann lang nichts, lautet Donald Trumps Botschaft.
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Richard Wiens
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