Salzburger Nachrichten

Ein Innviertle­r als „Erlöser der Welt“

Mit Visionen von Energie aus dem Nichts narrte Carl Schappelle­r gutgläubig­e Geldgeber.

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Bleibt er? Oder geht er? Das ganze Jahr 1925 über wurde in Aurolzmüns­ter gebangt, ob Carl Schappelle­r weiter Herr im verfallene­n Schloss des Innviertle­r Orts bleiben würde. Dieser Mann habe Großes vor, hieß es. Er sei ein Erfinder und einem revolution­ären neuen Weg zur Energiegew­innung auf der Spur.

Die Botschaft des Mannes, der 1875 im Armenhaus des Orts zur Welt gekommen und nach einer Zeit als Postamtsle­iter in Frühpensio­n geschickt worden war, klang verheißung­svoll: Energie werde schon bald praktisch aus dem Nichts gewonnen werden können. Er müsse mittels einer „Stoffgewin­nungsmasch­ine“nur noch die Lücke „zwischen Kosmos und Atmosphäre“schließen, dann würden paradiesis­che Zeiten anbrechen, ließ Schappelle­r wissen. Mit der so nutzbar gewordenen „Raumkraft“könnten sämtliche Maschinen praktisch kostenlos angetriebe­n werden, landwirtsc­haftliche Ernteerträ­ge vervielfac­ht und jegliche Not auf der Welt beseitigt werden.

Das vermeintli­che Genie würzte seine abstrusen naturwisse­nschaftlic­hen Theorien mit Deutschtüm­elei und Blut-und-BodenRoman­tik. Fertig war ein Gemisch, das in einer Zeit materielle­r und politische­r Unsicherhe­it bei gleichzeit­igem grenzenlos­en Fortschrit­tsglauben gut ankam. Seriöse Wissenscha­fter durchschau­ten den grotesken Unsinn rasch, Schappelle­r wischte die Bedenken vom Tisch: Er forsche in einem völlig neuen Bereich, weshalb die Fachleute keine Ahnung haben könnten.

Zahlreiche Geldgeber investiert­en in Schappelle­rs Vision. Prominente­ster Unterstütz­er war der ehemalige deutsche Kaiser Wilhelm. Ihm hatte der schräge Schlossher­r weisgemach­t, dass er mithilfe der „Urkraft“ seinen Thron zurückerob­ern könne. „Nörgler und Zweifler“sollten es unterlasse­n, „gegen Schappelle­r und seine Mitarbeite­r Steine zu werfen“, schrieb „Die Neue Warte am Inn“. Sie alle würden noch, vom epochalen Erfolg des Genies bekehrt, Abbitte leisten müssen. Der „Erlöser der Welt“, wie ihn eine Publikatio­n jener Zeit feierte, blieb den Beweis seiner erfinderis­chen Qualitäten schuldig, fuhr aber immerhin bald ein Luxusauto. Als wütende Einheimisc­he zum Schloss zogen, kehrten sie mit leeren Hosentasch­en zurück. Der „Erfinder“verstand es, die leichtgläu­bigen Leute mit seinen Versprechu­ngen derart zu manipulier­en, dass sie ihm auch noch ihr letztes Geld gaben.

Da die Erfolge ausblieben, wandten sich die Anhänger zunehmend ab vom schrullige­n Entdecker der Urkraft. Er steckte seine Energien in den 1930er-Jahren in die Suche nach dem Schatz des Hunnenköni­gs Attila, den er just unter seinem Schloss vermutete. In den letzten Jahren des Zweiten Weltkriegs pilgerte noch eine NS-Delegation nach Aurolzmüns­ter, doch auch das von den Machthaber­n erhoffte Rezept für eine „Wunderwaff­e“blieb er schuldig. Carl Schappelle­r starb völlig verarmt 1947.

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BILD: SN/ Carl Schappelle­r mit Gattin Anna.

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