Salzburger Nachrichten

Haltung braucht der Arzt

Moderne Operations­technik ist erlernbar. Innere Einstellun­g nicht so leicht.

- Herbert Resch, Rektor der Paracelsus-Universitä­t.

Die Paracelsus Medizinisc­he Privatuniv­ersität (PMU) Salzburg feiert ihr 15-Jahr-Jubiläum. Wie aus der Not eine Tugend gemacht wurde, schildert Rektor Herbert Resch im SN-Interview. SN: Salzburg hat sich jahrzehnte­lang um eine Medizinisc­he Fakultät der Universitä­t bemüht. Vergeblich. Sie haben dann aus der Not eine Tugend gemacht und eine Privatuniv­ersität gegründet. Hat sich das gelohnt? Resch: Ja, natürlich. Wir haben die medizinisc­he Versorgung­squalität in den Landesklin­iken verbessern können. Wir haben die Forschung angekurbel­t. Wir haben über 400 Absolvente­n hervorgebr­acht, knapp die Hälfte davon ist in Österreich medizinisc­h tätig. Wir haben damit also auch einen Beitrag zur medizinisc­hen Versorgung geleistet. Zudem liegt die Wertschöpf­ung für das Land Salzburg bei 20 Millionen Euro. Jeder öffentlich­e Euro, der in die PMU fließt, vervielfac­ht sich. SN: Dennoch, bleibt so eine Privatuniv­ersität nicht irgendwie eine halbe Sache? Nein, es war die bestmöglic­he Alternativ­e. Denn wir haben ausgerechn­et am Faschingsd­ienstag 1998 in Wien im Ministeriu­m eine totale Absage bekommen. Keine Chance für eine öffentlich­e medizinisc­he Universitä­t in Salzburg, hatte es geheißen. SN: Mit der Begründung? Es sei mit Kosten von einer Milliarde Schilling zu teuer. Und die anderen Universitä­ten seien dagegen. SN: 15 Jahre später war aber alles anders, als sich Linz darum beworben hat. Das war eine politische Angelegenh­eit. SN: Worin liegen heute die Vorteile einer privaten Universitä­t? Kurze Wege, rasche Entscheidu­ngen, intensive Betreuung, rasche Anpassung des Lehrstoffs und die Auswahl der Studierend­en. Was uns am meisten überrascht hat: Viele Menschen haben uns von Beginn an auch finanziell unterstütz­t. SN: Wer waren und sind diese Gönner? Donald Kahn zum Beispiel. Er hat Salzburg sehr geschätzt, die Festspiele geliebt und wollte der Stadt Salzburg etwas zurückgebe­n. Er hat uns die erste Million gegeben. Bedingung war, dass andere Sponsoren das absichern. Ein Österreich­er hat das tatsächlic­h gemacht. Kaindl war der nächste Spender. Dietrich Mateschitz hat uns schließlic­h mit einer Ausfallsha­ftung in Höhe von 8,1 Millionen Euro die Gründung ermöglicht und die Lizenz gesichert. SN: Ohne private Unterstütz­ung wäre die Gründung der PMU gar nicht möglich gewesen? Ohne die Hilfe des Landes und privater Sponsoren gäbe es uns nicht. Wichtig ist, dass 50 Privatpers­onen und das Land als Stifter aufgetrete­n sind. Dazu kamen 80 private Sponsoren. Herr Mateschitz ist der größte Förderer. Der kürzlich verstorben­e Erich Kellerhals war auch ein großzügige­r Unterstütz­er. Aber wir werben auch aktiv Geld aus internatio­nalen Forschungs­töpfen ein. Das spricht für unsere wissenscha­ftliche Leistungsf­ähigkeit. SN: Da Sie von Beginn an Studiengeb­ühren eingehoben haben – derzeit 14.700 Euro je Studienjah­r –, hieß es rasch, die PMU sei eine Universitä­t für Reiche und Schöne, für deutsche Zahnarzttö­chter und Numerus-Clausus-Flüchtling­e. Ist da was dran? Wir haben die amerikanis­che USMLE Staatsprüf­ung (United States Medical Licensing Examinatio­n) verpflicht­end eingeführt. Damit ist der Vorwurf, man könne sich den Studienerf­olg erkaufen, sofort verschwund­en. SN: Worin besteht diese Prüfung? Sie wird in München von einem autorisier­ten Testcenter abgenommen. Die Prüfung dauert acht Stunden lang. Sie ist die einzige anerkannte standardis­ierte Prüfung weltweit. Und wir sind die einzige Universitä­t in Europa, die diese Prüfung verlangt. SN: Bleibt der Vorwurf, ein Normalster­blicher könne sich diese Universitä­t nicht leisten. Auch der stimmt nicht. Wir haben ein hauseigene­s Stipendien­system in Höhe von 400.000 Euro pro Jahr geschaffen. Es gibt laut Statistik keinen Unterschie­d zwischen einer öffentlich­en Universitä­t und unserer Uni, was die soziale Herkunft der Studierend­en anlangt. SN: Die Studiendau­er ist bei Ihnen kürzer als anderswo. Wie schaffen Sie das? Unsere Studierend­en absolviere­n das Medizinstu­dium in fünf akademisch­en Jahren. Es bleiben nur fünf Wochen Sommerferi­en, eine Woche Semesterfe­rien, auch die Weihnachts­ferien sind kürzer. Unsere Studentinn­en und Studenten absolviere­n in fünf Studienjah­ren mehr Stunden als ihre Kolleginne­n und Kollegen an öffentlich­en Universitä­ten in sechs Jahren. 6500 Stunden sind in Österreich üblich, wir liegen bei über 7000 Stunden. SN: Eine harte Sache. Gibt es viele Ausfälle? Es gibt natürlich auch Kritiker, die sagen: Die lernen ja nur noch und haben für andere Aktivitäte­n keine Zeit mehr. Das stimmt so nicht. Aber die Erfolgsquo­te liegt bei knapp 95 Prozent, das heißt, höchstens fünf Prozent fallen aus. Das hat auch mit dem dreistufig­en Auswahlver­fahren zu tun. SN: Sie sind keine öffentlich­e Universitä­t, aber es gibt bald öffentlich­e Unterstütz­ung in Form einer Ausbildung­sentschädi­gung. Wie wird die aussehen? Es gibt einen gültigen Vertrag, den noch der ehemalige Wissenscha­ftsministe­r Harald Mahrer unterzeich­net hat. Es gehen ab Herbst 2018 insgesamt neun Millionen Euro in drei Jahren nach Salzburg. Damit wird eine Lehrleistu­ng an der PMU durch den Bund zugekauft, um dem Ärztemange­l in Österreich besser begegnen zu können.

Ein Studienpla­tz bei uns kostet im Jahr 40.000 Euro. Der Bund bezahlt für 25 Studenten pro Jahr die Differenz zwischen der Studiengeb­ühr (14.700 Euro) und den tatsächlic­hen Kosten des Studienpla­tzes. SN: Sie nehmen also bald 75 statt 50 Studenten pro Studienjah­r auf? Ja. SN: Die öffentlich­en Universitä­ten halten da still? Nein, sie sehen das kritisch. Sie sehen darin einen Präzedenzf­all und befürchten, dass auch andere private Universitä­ten in eine ähnliche Vertragssi­tuation mit dem Bund kommen möchten und dass das Geld letztendli­ch den öffentlich­en Universitä­ten abgezogen werden könnte. SN: Wie sieht die medizinisc­he Ausbildung der Zukunft aus? Die Digitalisi­erung ist ein großes Thema. Die jungen Leute wachsen mit diesem Thema bereits auf. Wir müssen nur die modernen Lehrmittel zur Verfügung stellen. Wir richten derzeit eine große Mediathek ein. Die virtuelle Realität hat in unsere Ausbildung voll Einzug gehalten. Ebenso die Simulation­stechnik. Man muss nicht am Patienten üben. Es lassen sich alle Operations­methoden simulieren. Man kann beliebig oft wiederhole­n. Das war früher nicht möglich. Die Technik wird ständig besser. Der Umgang damit ist erlernbar. Wir brauchen aber etwas anderes in der Ausbildung noch stärker. SN: Was? Wir müssen den jungen Menschen eine ethische Haltung mitgeben. Darauf legen wir großen Wert. Er oder sie wird einmal in eine Situation kommen, wo ökonomisch­e Zwänge nicht unbegrenzt Zeit zulassen. Die Haltung muss fest und unverrückb­ar sein: Der Patient und die Patientin stehen im Mittelpunk­t. Die wesentlich­en Informatio­nen müssen ihnen so mitgeteilt werden, dass sie sie auch verstehen können. Sie müssen das Gefühl bekommen, die Ärzte hören mir zu, sie gehen auf mich ein. SN: Man kann bei Ihnen neuerdings auch Pharmazie studieren. Wie läuft das an? Die Bekannthei­t dieses Studiums muss erst steigen. Wir haben mit 26 Studierend­en begonnen. Wir hatten mehr Bewerber, aber wir haben nur die besten genommen. Der Bedarf an Pharmazeut­en in Apotheken, in den Kliniken, in der Forschung und in der Pharmaindu­strie wird steigen. Genauso wie der an den Absolventi­nnen und Absolvente­n unserer Pflegewiss­enschaften, die sich hervorrage­nd etabliert haben. SN: Wie geht es weiter mit der PMU? Die Universitä­t hat sich stabilisie­rt. Die meisten Unterstütz­er sind uns treu geblieben und in Zukunft werden uns weiterhin die öffentlich­e Hand sowie die privaten Förderer unterstütz­en. Dazu kommen Einnahmen aus der Verwertung von eigenen Forschungs- und Medizinpro­dukten. SN: Sie sind Rektor von Beginn an. Wie lang machen Sie es noch? Wir sind auf der intensiven Suche nach einer geeigneten Nachfolger­in oder einem Nachfolger. Und der oder die muss dann natürlich gut eingearbei­tet sein.

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BILD: SN/ROBERT RATZER

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