Salzburger Nachrichten

Hendl à la Bocuse

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In den Analysen des zurücklieg­enden SPÖ-Wahlkampfe­s war er wieder mehrmals zu lesen gewesen, der Satz „Viele Köche verderben den Brei“(auch in der Variante „Köchinnen“lieferbar). Das ist selbstvers­tändlich Unsinn, denn es gibt nicht viele Köche, es gibt nur einen einzigen, singulären Koch, und der ist nun in die ewigen Zubereitun­gsgründe eingegange­n – Paul Bocuse.

In den Nachrufen wurde vor allem die Raffinesse seiner Rezepte gerühmt. So schob Bocuse den Hühnern Trüffelsch­eiben unter die Haut, ehe er sie briet. Da es sich um Scheiben von der schwarzen Trüffel handelte, soll das Gericht „Halbtrauri­ges Huhn“geheißen haben. Ob das vielleicht nur die halbe Wahrheit war?

Lobend hervorgeho­ben wurde in den Nachrufen auch der Geschäftss­inn von Bocuse, der neben seinem Drei-SterneRest­aurant noch etliche andere Lokale und Kochschule­n in Nah und Fern betrieb. Daher wurde er einmal gefragt, wer denn in seinem Restaurant koche, wenn er nicht da sei? Bocuse antwortete erstaunt: Na, das tue selbstvers­tändlich der Koch, der auch dann koche, wenn er da sei. Man erwarte von Herrn Ferrari doch auch nicht, dass er seine Autos selbst zusammensc­hraube.

Diese Antwort sollten sich Politiker unbedingt aufschreib­en. Für den Fall, dass man sie nach den oft versproche­nen, beharrlich ausbleiben­den Reformen fragt, können sie ab sofort antworten: Keine Ahnung, Herr Bocuse hat den Hendln ja auch nicht persönlich die Trüffelsch­eiben subkutan verabreich­t.

Die dritte große Leistung des französisc­hen Groß-Kochs war, dass er seinen Berufsstan­d enorm gehoben hat. Denn Koch, das war nicht immer eine so angesehene Profession wie heute. In der Antike sorgte es noch für Naserümpfe­n, dass der erste Olympiasie­ger der Geschichte ein Koch gewesen sein soll. Später wurde es besser, und Joseph Mobutu brachte es als Sohn eines Kochs bereits zum Präsidente­n von Zaire. Was heißt zum Präsidente­n! Zu einem Halbgott-ähnlichen Landesvate­r mit dem selbst verliehene­n Titel „Mobutu Sese Seko Kuku Ngbendu Wa Za Banga“, zu Deutsch „Der Gockel, der alle Hennen deckt“. Mit Trüffelsch­eiben?

Wie weit man es als Nachfahre eines Kochs bringen kann, zeigt sich derzeit auch in Russland. Wladimir Putin ist der Enkel eines Kochs, und zwar eines ganz besonderen. Sein Großvater Spiridon Putin kochte im luxuriösen Hotel Astoria in Petrograd, nach der Revolution wurde er als Leibkoch von Lenin und Stalin abkommandi­ert. Und jetzt ist Putin selbst der Zar, isst aber nur ganz einfache Gerichte.

Apropos Gerichte. Eine ganz spezielle Erfindung machte diesbezügl­ich der legendäre König Krösus von Lydien. Krösus war nicht nur sprichwört­lich reich, sondern auch eroberungs­süchtig. Nur gar zu gern hätte er seine Nachbarn, die Perser, angegriffe­n. Zur Sicherheit wollte er vor dem Feldzug aber ein Orakel befragen. Da es davon im damaligen Griechenla­nd ungefähr so viele gab wie bei uns heute Tankstelle­n, wollte er herausfind­en, welches Orakel das beste sei. Also schickte er an sämtliche Auskunftei­en testeshalb­er Botschafte­n mit der Frage, was er, Krösus, am hundertste­n Tag nach der Abreise der Boten tue. An diesem Tag tat er, was man unmöglich erraten konnte: Er kochte eine Schildkröt­e und ein Lamm im selben Kessel. (Bocuse hätte das Gericht vermutlich „Dialog von Schildkröt­ensuppe und Lamm-Consommé“genannt.)

Kein Orakel wusste die Antwort, nur das Orakel von Delphi. Krösus war zufrieden und ließ nun durch einen zweiten Boten anfragen, ob er die Perser angreifen solle. Die Antwort lautete: Wenn Krösus gegen die Perser ziehe, werde er ein großes Reich zerstören. Erfreut gab Krösus das Zeichen zum Angriff. Aber Pech: Das Orakel hatte sein eigenes Reich gemeint.

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