Nettozahler endlich entlastet
Zum Leserbrief von Mag. Dr. Franz Herzog „Familienbonus: Wem hilft er wirklich?“(SN, 20. 1.): Dr. Herzog kritisiert den von der Regierung geplanten Familienbonus im Steuerrecht. Er kritisiert, dass er nicht die Situation von Menschen verbessert, die besonders bedürftig sind, sondern Leistungsträger entlastet. Als Zeugen dafür führt er den Chef des Wirtschaftsforschungsinstituts (Wifo), Christoph Badelt, an und er meint, dass „man wohl eher die Analyse der wahren Zusammenhänge“dem Chef des Wirtschaftsforschungsinstituts als dem SNRedakteur Koller zutrauen solle. Andreas Koller hatte die von der Regierung geplante Maßnahme begrüßt.
Zunächst ist zu bemerken, dass schon die Ausgangsbasis des Wifo-Chefs falsch ist. Es geht um die steuerliche Belastung bzw. Entlastung. Die Einkommenssteuer ist progressiv. Eine Steuerprogression lässt sich nur damit rechtfertigen, dass der, der ein höheres, frei verfügbares Einkommen hat, überproportional mehr Steuern leisten soll.
Die Frage der Steuergerechtigkeit hat daher beim Vergleich des verfügbaren Einkommens anzusetzen. Die Unterhaltsleistung an Kinder ist nicht bloß die Sache privater Lebensgestaltung (Verfassungsgerichtshof [VfGH] vom 17. 10. 1997 G 168/96; G 285/96). Die Gleichbehandlung von unterhaltspflichtigen und nicht unterhaltspflichtigen Einkommensbeziehern ist unsachlich und daher gleichheitswidrig im Sinne des Art. 7 B-VG (so der VfGH in der angeführten Entscheidung). Wer z. B. ein steuerpflichtiges monatliches Einkommen von 2500 Euro hat und für niemanden sorgen muss, hat eben ein wesentlich höheres frei verfügbares Einkommen als jemand, der bei einem gleich hohen steuerpflichtigen monatlichen Einkommen für zwei Kinder oder gar drei Unterhalt leisten muss.
Der VfGH geht davon aus, dass Steuerfreiheit zumindest der Hälfte des für den Unterhalt von Kindern erforderlichen Einkommens geboten ist. Das Bestreben der gegenwärtigen Regierung, eine Steuerentlastung für Personen mit Kindern, verfolgt im Sinne des VfGH ein Anliegen der Verfassung.
Ob die Äußerung des WifoChefs einer politischen Schlagseite entspricht, möge jeder für sich beurteilen. Die Agenda Austria – ein nicht minder wissenschaftliches Institut als das Wifo – spricht dagegen von „überfälliger Entlastung von Nettozahlern“(abrufbar im Internet). Im Sinne der Verfassung entspricht dies der Analyse der wahren Zusammenhänge und nicht der Auffassung des Wifo-Chefs.
Nicht verschwiegen werden soll, dass es nach Ansicht des VfGH im Ermessen des Gesetzgebers liegt, das verfassungsrechtlich gebotene Ergebnis auf verschiedene Weise zu erzielen. „Er kann den Steuertarif entsprechend gestalten“, (so das Bestreben der gegenwärtigen Regierung), „taugliche Frei- oder Absetzbeträge vorsehen und direkte Leistungen (z. B. aus dem Familienausgleichsfonds) gewähren und diese oder andere Maßnahmen auch nebeneinander einsetzen.“
Vor Augen muss man sich aber in all diesen Fällen halten, dass es dem VfGH immer darum geht, die steuerliche Belastung von Personen mit Kindern im direkten oder indirekten Weg – im Vergleich zu Personen derselben Einkommensgruppe ohne Kinder – zu mindern. Personen mit Kindern, deren Einkommen so niedrig ist, dass sie keine Steuern bezahlen, können naturgemäß von einer steuerrechtlichen Maßnahme nicht profitieren. Das steht aber auf einem anderen Blatt. Bezüglich jener, die keine Steuer zahlen, stellt sich die Frage nach der Gerechtigkeit hoher Steuerbelastung nicht.
Diesem Personenkreis kann man nicht durch Steuerminderung helfen. Hier bieten sich Transferzahlungen an. Und in dieser Richtung scheint sich ebenfalls etwas zu bewegen. o. Univ.-Prof. Dr. Rudolf Reischauer,