Regierung
Die nahenden Semesterferien sind Anlass, der neuen Regierung ein erstes Zwischenzeugnis auszustellen. Und zwar, wie es der sanften Pädagogik entspricht, ohne Ziffernnoten.
Die Chefs
Bundeskanzler Sebastian Kurz, ÖVP, und Vizekanzler Heinz-Christian Strache, FPÖ, haben deutliche Akzente gesetzt, wenngleich mit unterschiedlichen Mitteln. Kurz schafft dies, indem er den Informationsstrom zwischen der Regierung und der Öffentlichkeit in einem Ausmaß kontrolliert wie kein Kanzler vor ihm. Strache wiederum überrascht mit Wortmeldungen, die man dem freiheitlichen Parteichef nicht zugetraut hätte. Zuletzt – und zwar ausgerechnet in seiner Rede zur Eröffnung des Akademikerballs – verurteilte er scharf antisemitische Tendenzen in den eigenen Reihen. Wer diese Sicht der Dinge nicht teile, „der ist bei uns nicht willkommen“, sagte er nicht zur Freude aller Ballgäste.
Und inhaltlich? Kurz und Strache arbeiteten die kleineren Brocken des Regierungspakts ab (Senkung der SV-Beiträge für Wenigverdiener, Familienbonus). Die großen Vorhaben (Föderalismusreform, Senkung der Abgabenquote) lassen auf sich warten. Was wohl in der Natur der Sache liegt.
Die Koordinatoren
Gernot Blümel, ÖVP, und Norbert Hofer, FPÖ, gelten als die engsten Vertrauten ihrer Parteichefs in der Regierung. Sie sind – zusätzlich zu ihren Aufgaben als Minister – damit betraut, die Koalitionspolitik zu koordinieren und allfällige Stolpersteine aus dem Weg zu räumen. Bisher hatten sie nicht allzu viel zu tun. Größter Streitpunkt bisher war die (immer noch ungeklärte) Frage, wie weit der Staat auf das Vermögen von Langzeitarbeitslosen zugreifen soll. In seiner Eigenschaft als Verkehrsminister zündete Hofer ein Feuerwerk an umstrittenen Ideen (Tempo 140, Vereinfachungen bei der Abgasmessung, Rechtsabbiegen bei Rot). Vom Kultur- und Medienminister Blümel war noch nicht viel zu hören.
Die Auffälligen
Sozialministerin Beate HartingerKlein, FPÖ, schaffte es bereits nach wenigen Amtstagen, eine Mini-Krise in der Regierung auszulösen. Mit ihrer Aussage im „ZiB 2“-Interview, dass die Regierung keinesfalls auf das Vermögen von Langzeitarbeitslosen zugreifen werde, widersprach sie der ÖVP-Linie. Alsbald musste sie zurückrudern. „Der Bundeskanzler hat natürlich recht“, sagte sie. Fortan wurde Hartinger-Klein als Rücktrittskandidatin gehandelt, was möglicherweise eine eklatante Verkennung der Sachlage ist: Hartinger-Klein ist nicht nur eine anerkannte Expertin, sie vertrat mit ihrer Aussage auch exakt die Linie der FPÖ, die die „Partei der kleinen Leute“sein will. Inhaltlich kommen auf die Ministerin mit der KassenZusammenlegung schwere Aufgaben zu.
Medienprofi Herbert Kickl, FPÖ, beherrscht auch als Innenminister in der neuen Regierung die Rolle des Enfant terrible perfekt. Mit seinem Vorschlag, Asylbewerber „konzentriert an einem Ort“halten zu wollen, war ihm der Aufschrei heimischer und internationaler Medien sicher. Praktisch für die FPÖ: Die Aufregung lenkte von regierungsinternen Reibereien ab. Auch als Kickls nö. Parteikollege Udo Landbauer wegen Nazilieder seiner Burschenschaft in Bedrängnis kam, legte Kickl nach, indem er behördliche Ermittlungen gegen diesen „ausschloss“. Polizeiintern sorgt der Innenminister für gemischte Gefühle. Blaue Anhänger bei der Exekutive, von denen es zahlreiche gibt, fühlen sich gestärkt. Andere sehen den Chef kritischer. Auch in heiklen Bereichen, wie beim Verfassungsschutz, stehen Umfärbungen und Abgänge hochdekorierter Beamter an.
Für Schlagzeilen sorgt auch jederzeit die auf einem FPÖ-Ticket sitzende Außenministerin Karin Kneissl. Ihr Satz „Die Muslime gehören zu Österreich“gefiel nicht allen bei den Blauen, ihr Sager von den „testosterongesteuerten“Zuwanderern entsetzte die Linken. Bei einem Besuch in der Türkei schaffte es die studierte Arabistin, das notorisch schlechte Verhältnis zwischen Wien und Ankara zu verbessern. Die österreichischen Archäologen dürfen nun wieder zu ihren Grabungen nach Ephesos zurückkehren, von wo sie die Regierung Erdoğan vor Jahren verbannt hat.
Die Unauffälligen
Juliane Bogner-Strauß, ÖVP, ist Familien- und Frauenministerin, was mangels politischer Masse ein undankbares Ressort ist. Dies umso mehr, als der familienpolitische Knüller „Kinderbonus“von den Herren Kurz und Strache vermarktet wurde. Elisabeth Köstinger, ÖVP, zuständig für Landwirtschaft, Umwelt und Tourismus, machte vor allem mit der Klagsankündigung gegen den Ausbau des ungarischen AKW Paks von sich reden. Und mit der Ankündigung, als erste Ministerin in eine Babypause gehen zu wollen.
Verteidigungsminister Mario Kunasek, FPÖ, hat seine ersten Amtstage vor allem damit verbracht, die Truppe kennenzulernen. Man merkt, dass Kunasek selbst aus dem Bundesheer kommt. Der Stabswachtmeister liebt den zackigen Auftritt und zeigt sich gern mit Soldaten. Zurückhaltender gibt er sich bei den Megathemen der Verteidigungspolitik, etwa beim Eurofighter-Dilemma.
Digitalisierungsministerin Margarete Schramböck, ÖVP, kündigte immerhin an, Amtswege künftig digital erledigen zu können, auf reale Erledigungen im Wirtschaftsressort heißt es noch warten.
Auch Quereinsteiger Hartwig Löger, ÖVP, ist noch nicht 100-prozentig in seinem Ressort angekommen. Außer Ankündigungen von der nicht durchsetzbaren digitalen Betriebsstätte bis zum Zerschlagen des „gordischen Knotens“Steuersystem ist noch nicht viel passiert.
Die Umtriebigen
Deutschförderklassen, Entrümpelung der Schulverwaltung, Studiengebühren für Langzeitstudenten, Uni-Finanzierung neu. Der abgeklärte Wissenschafter Heinz Faßmann, ÖVP, ist als Neominister bisher der verlässlichste Garant für inhaltliche Schlagzeilen. „Man wächst mit den Aufgaben“, scherzt der über zwei Meter große Politiker gern. Er wird es müssen – Faßmann hat de facto drei Ressorts übernommen und muss weiterhin ein Megamaßnahmenpaket aus dem Regierungsprogramm abarbeiten.
Josef Moser, ÖVP, ist nicht nur Minister für Justiz, sondern auch für Staatsreform. Dass bereits Dutzende Regierungen an diesem Ziel gescheitert sind, ficht den zupackenden einstigen Rechnungshofpräsidenten nicht an. Er will demnächst etliche Gesetze und Verordnungen, die nicht mehr benötigt werden, außer Kraft setzen und plant eine umfassende Kompetenzentflechtung zwischen Bund und Ländern.
Die Aufpasser
Vom Wirken der beiden Staatssekretäre Hubert Fuchs (FPÖ, Finanzministerium) und Karoline Edtstadler (ÖVP, Innenministerium) drang noch nicht viel an die Öffentlichkeit. Öffentlichkeitsarbeit ist auch nicht deren Aufgabe. Die beiden dienen dazu, in zwei der wichtigsten Ministerien für ihre jeweilige Partei das Treiben des jeweils andersfarbigen Ministers zu überwachen. Edtstadler hat die zusätzliche heikle Aufgabe, die Gedenkpolitik des Innenministeriums, das unter anderem für die Gedenkstätte Mauthausen zuständig ist, zu gestalten. Ein Auftritt Innenministers Herbert Kickl bei Mauthausen-Befreiungsfeiern soll tunlichst vermieden werden.