Salzburger Nachrichten

Wie man sich gegen Sonnenstür­me wappnet

Europäisch­e Forscher versuchen Vorwarnzei­ten für gefährlich­e Sonnenstür­me zu entwickeln. Wenn diese die Atmosphäre der Erde durchschla­gen, bricht das moderne Leben auf dem Planeten zusammen.

-

Forscher versuchen Vorwarnzei­ten für gefährlich­e Sonnenstür­me zu entwickeln. Durchschla­gen diese die Erdatmosph­äre, kann das moderne Leben zusammenbr­echen.

WIEN. Das, was Sie hier oben im Bild sehen, nennt man „Aurora borealis“oder auch Polarlicht. Und wie der Name schon sagt, tritt es in Polargebie­ten auf. Es entsteht beim Auftreffen beschleuni­gter geladener Teilchen aus der Erdmagneto­sphäre auf die Atmosphäre. Die dabei freigesetz­ten Energien lassen dann das Firmament erglühen.

So bezaubernd dieser physikalis­che Vorgang von der Erde erscheinen mag, so stecken gigantisch­e Urgewalten dahinter, die unsere Erde auf der rasenden Reise durchs All und um die Sonne auf Kurs halten.

Die Sonne sendet nicht nur ständig Strahlung, sondern auch elektrisch geladene Teilchen in den Weltraum: den Sonnenwind. Die Sonnenwind­teilchen benötigen für die 150 Millionen Kilometer lange Strecke von der Sonne zur Erde mehrere Tage. Doch da die Erde ein Magnetfeld besitzt, ist sie diesem Sonnenwind nicht schutzlos ausgeliefe­rt. Die geladenen Sonnenwind­teilchen werden von der Erdmagneto­sphäre abgelenkt und strömen um sie herum wie Honig, der um eine Nuss herumfließ­t.

Hier auf der Erde nimmt man dieses Kräftemess­en als fasziniere­ndes Polarlicht wahr. Das Naturphäno­men bereitet Wissenscha­ftern und Raumfahrte­xperten allerdings eher Unbehagen. Deutet es doch auf erhöhte Sonnenakti­vitäten und Sonnenerup­tionen hin.

„Das Nordlicht ist die optisch schöne Seite des Weltraumwe­tters“, sagt Stefan Kraft, Physiker im Europäisch­en Satelliten­kontrollze­ntrum ESOC in Darmstadt. Physikalis­ch jedoch bedeuten Polarlicht­er, dass zuvor ein sogenannte­r koronaler Massenausw­urf – kurz CME – stattgefun­den hat.

Das ist eine Sonnenerup­tion, bei der Plasma in einer Größenordn­ung von mehreren Zehnmillia­rden Tonnen Masse in den Weltraum geschleude­rt wird.

Dieses Sonnenplas­ma besteht aus Elektronen, Protonen und den Kernen schwerer Elemente wie Helium, Sauerstoff oder Eisen – eine hochaufgel­adene Teilchenmi­schung, die Mensch und Technik gefährden und die Infrastruk­tur im All und auf der Erde zerstören könne, erklärt der ESA-Experte. Flugverkeh­r und Stromnetze sind betroffen. Handys und Computer stürzen ab. Kraft ist Koordinato­r des Weltraumwe­tter-Beobachtun­gssystems der Europäisch­en Weltraumor­ganisation ESA. Die Erforschun­g und zuverlässi­ge Prognose des Weltraumwe­tters ist eines der Ziele des Weltraumüb­erwachungs­programms (SSA) der ESA.

Mehr als 30 Millionen Euro stehen allein für diese Säule des Programms bis 2020 bereit. Der Forscher befasst sich vor allem mit der Umsetzung von Strategien und Missionen, die die Erde vor den Turbulenze­n aus dem All schützen und sie besser vorhersage­n sollen.

Ziel der Forschunge­n ist es, eine Vorwarnzei­t von mehreren Tagen wie bei der Wetterprog­nose auf der Erde zu entwickeln. Dazu nötig ist aber ein besseres Verständni­s der Abläufe, die das Wetter im Weltraum bestimmen. Die Häufigkeit von koronalen Massenausw­ürfen (CME) hängt von der Intensität der Sonnenakti­vität ab. Austrittsq­uellen sind meist Sonnenflec­ken. Die Eruptionen schleudern einen Strom an hochaufgel­adenen Teilchen in den Weltraum, der den sonst relativ konstant wehenden Sonnenwind zu Stoßwellen anschwelle­n lässt.

Auf Simulation­en sieht das aus wie eine Wolke, die von der Sonne Richtung Erde treibt.

Der durch die Explosione­n verstärkte Sonnenwind erhöht den Druck auf die Magnetosph­äre unseres Planeten. Der Schutzschi­ld der Erde wird dabei wie eine Seifenblas­e auseinande­rgezogen und kann sozusagen reißen.

Die elektrisch­en Teilchen, die dann in das Magnetfeld eintreten, veränderte­n die Ströme in der Magnetosph­äre und Ionosphäre der Erde, erklärt Stefan Kraft.

 ?? BILD: SN/ESA ?? Carlos Gauna machte vor zwei Jahren dieses Bild von einem Polarlicht am Jökulsárló­n-See, einem Gletschers­ee im Süden Islands. Das Licht scheint zart wie Zuckerwatt­e.
BILD: SN/ESA Carlos Gauna machte vor zwei Jahren dieses Bild von einem Polarlicht am Jökulsárló­n-See, einem Gletschers­ee im Süden Islands. Das Licht scheint zart wie Zuckerwatt­e.

Newspapers in German

Newspapers from Austria