Ein Gringo besucht die Latinos
Außenminister Rex Tillerson versucht auf einer knapp einwöchigen Lateinamerika-Reise, den Einfluss der USA in der Region gegen China zu verteidigen.
WASHINGTON. Mexikos Außenminister Luis Videgaray rühmt sich damit, „die goldenen Schlüssel zum Weißen Haus“zu haben. „Nicht viele Länder können das behaupten“, so zitiert die „Washington Post“einen hohen Regierungsmitarbeiter in Mexiko über die guten Arbeitsbeziehungen vor allem zu Jared Kushner. Dies habe sich trotz Donald Trumps wenig freundlicher Rhetorik gegenüber dem Nachbarland, an dessen Grenze er eine „schöne, große Mauer“setzen will, nicht geändert. Zwölf Mal reiste Videgaray in den vergangenen Monaten nach Washington. So ist es Zeit für seinen Kollegen Rex Tillerson, das zweite Mal während seiner Amtszeit das Nachbarland zu besuchen.
Nüchtern betrachtet steht für beide Länder viel auf dem Spiel. Mit 80 Prozent von Mexikos Exporten sind die USA der wichtigste Abnehmer mexikanischer Erzeugnisse, während der Nachbar im Süden der drittwichtigste Handelspartner Washingtons ist. Darüber hinaus besteht eine enge Zusammenarbeit in Sicherheitsfragen, der Drogenbekämpfung und Einwanderung.
Die Regierung des mexikanischen Präsidenten Peña Nieto übersieht alle öffentlichen Demütigungen Trumps, um das bilaterale Verhältnis, besonders das NAFTA-Abkommen, keinen Schaden nehmen zu lassen. Nieto schreibt es sich und Kanadas Premier Justin Trudeau zu, den Protektionisten im Weißen Haus im April 2017 davon abgebracht zu haben, den Vertrag über die Nordamerikanische Freihandelszone einseitig zu kündigen. Was ihnen bisher nicht glückte und auch für die trilateralen NAFTA-Gespräche am Freitag in Mexiko City nicht erwartet wurde, ist ein Durchbruch bei dem, was Rex Tillerson „eine Modernisierung des Abkommens“nennt. Experten sehen die Gespräche kurz vor dem Scheitern.
Die diplomatische Ergebenheit der Regierung Nieto könnte bei den mexikanischen Präsidentschaftswahlen im Juli als Bumerang zurückkommen. Angesichts des verbreiteten Ärgers in der Bevölkerung über Trump droht mit dem ehemaligen Bürgermeister der Metropole, Andrés Manuel López Obrador, ein feuriger Linkspopulist an die Regierung zu kommen. Der Kandidat der Regierungspartei liegt zurzeit abgeschlagen auf Platz drei.
Tillerson versteht, was das für die zweite Station seiner Reise nach Lateinamerika bedeutet. Eine linkspopulistische Regierung in Mexiko macht es schwieriger, eine geschlossene Front gegen das Regime in Venezuela aufzubauen, das sich angesichts eines wirtschaftlichen Zusammenbruchs und Hunger in Teilen des Landes nur noch mit Bajonetten an der Macht hält.
Mit Blick auf die historischen Empfindlichkeiten in der westlichen Hemisphäre dürfte sich auch Tillersons öffentliches Spekulieren über einen möglichen Militärputsch in Venezuela als nicht besonders hilfreich erweisen.
In Kolumbien, Argentinien und Jamaika muss Tillerson beim Thema Venezuela keine große Überzeugungsarbeit leisten. Hier geht es mehr darum, strikt zu versichern, dass die Region auch unter Trumps „Amerika zuerst“-Agenda wichtig bleibt. Das Problem für die USA: Schon unter Barack Obama fiel Lateinamerika vom Radar der Supermacht. In das Vakuum stießen die Chinesen und jüngst auch die Russen. Tillersons Rat an die Region kann somit auch als Appell an den eigenen Präsidenten verstanden werden: „Die wachsende Präsenz Chinas und Russlands in Lateinamerika stellt ein ernsthaftes Risiko für die Region dar.“
„An der Grenze zu Mexiko werden wir eine schöne, große Mauer bauen.“