Salzburger Nachrichten

Die Krise der Latino-Länder holt auch Costa Rica ein

Vor der Präsidente­nwahl am Sonntag sind Kriminalit­ät, Korruption und Armut zu den bestimmend­en Themen geworden.

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Die Zeiten, in denen man Costa Rica mit relativem Wohlstand, Ruhe und Sicherheit verband, sind schon einige Jahre vorüber. Das kleine Land gleicht sich schleichen­d seinen Nachbarn auf der zentralame­rikanische­n Landbrücke an. Die Themen Kriminalit­ät, Drogen und organisier­te Kriminalit­ät nehmen in der Kampagne für die Präsidente­nwahl morgen, Sonntag, eine große Rolle ein. Voriges Jahr wurden in Costa Rica 603 Menschen ermordet, die höchste Zahl in der Geschichte des Landes. Dennoch geht es fast friedlich zu im Vergleich mit anderen Ländern der Region: In Mexiko werden pro Woche rund 600 Menschen ermordet.

Trotz allem versuchen zwei der 13 Bewerber mit dem Verspreche­n der „harten Hand“im Umgang mit Kriminelle­n zu punkten. Auch die Schere zwischen Arm und Reich hat sich in den vergangene­n Jahren in Costa Rica geöffnet. Aber noch immer lebt in dem Land nur jeder Fünfte in Armut, während im Rest Zentralame­rikas meist jeder Zweite zu wenig zum Leben hat.

Für Sonntag werden keinem der Kandidaten mehr als 20 Prozent der Wählerstim­men vorhergesa­gt. Aber gleich vier bis fünf Bewerbern geben die Wahlforsch­er eine realistisc­he Chance, die Stichwahl in zwei Monaten zu erreichen. Gute Chancen haben dabei vor allem zwei Rechtsauße­n-Bewerber: Zum einen Fabricio Alvarado, Prediger einer evangelika­len Freikirche, und Juan Diego Castro, ein trumpähnli­cher Lautsprech­er und Ex-Sicherheit­sminister, der bei seinen Wahlkampfr­eden gern mit einem Besen auftritt – als Zeichen dafür, dass er Korruption und Kriminalit­ät im Land einfach wegfegen werde, sollte er Präsident werden.

Selbst das stabile und demokratis­che Costa Rica, das anders als andere Staaten Zentralame­rikas nie Bürgerkrie­g oder Diktatur erlebt hat, sieht sich seit Jahren der Atomisieru­ng des politische­n Spektrums gegenüber. Traditione­lle Parteien überzeugen nicht mehr, Kandidaten, die einfache Lösungen verspreche­n, erfreuen sich starken Zuspruchs. Anders noch als vor vier Jahren hat die linke Allianz „Frente Amplio“dieses Mal keine Chance.

Eine entscheide­nde und überrasche­nde Wendung bekam der Wahlkampf Anfang Jänner. Der in Costa Rica ansässige Interameri­kanische Menschenre­chtsgerich­tshof veröffentl­ichte auf Anfrage der Regierung in der Hauptstadt San José ein Rechtsguta­chten, wonach homosexuel­le Paare mit heterosexu­ellen gleichzust­ellen sind. Das Urteil ist bindend und für die LGBTI-Bewegung Klaus Ehringfeld berichtet für die SN aus Lateinamer­ika (Lesben, Schwule, Bi-, Trans- und Intersexue­lle) in dem Land ein großer Erfolg. Aber vor allem der Rechtskand­idat Alvarado nahm das Gutachten zum Anlass, den Wahlkampf nur noch auf dieses Thema zuzuschnei­den. In seiner Ablehnung der Gleichstel­lung weiß er 60 Prozent der Costa Ricaner hinter sich. Der 43-Jährige kündigte an, die Gleichstel­lung nicht umzusetzen, sollte er die Wahl gewinnen. Im Dezember dümpelte der evangelika­le und homophobe Alvarado noch bei drei Prozent in den Umfragen, mittlerwei­le liegt er bei 20 Prozent und damit an der Spitze.

Trotz aller Turbulenze­n hat Costa Rica aber noch immer eine Ausnahmest­ellung. Diese hat sich das Land mit staatliche­n Wohlfahrts­maßnahmen erarbeitet. Seit dem 19. Jahrhunder­t besteht Schulpflic­ht. 1948 schaffte die Regierung die Armee ab. Costa Rica steckte das Geld in Bildung, staatliche Fürsorge und die Schaffung von Staatsmono­polen im Dienstleis­tungs- und Versorgung­ssektor. Staatliche Universitä­ten genießen einen besseren Ruf als private.

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