Salzburger Nachrichten

Her mit der totalen Heimat – und dem Qu-Wort!

Über rote Linien, hinter denen nichts mehr gesungen wird, das nicht zu uns gehört.

-

Ich singe nicht. Nicht, weil ich die falschen Lieder kenne. Ich singe nicht, damit ich den lieben Menschen in meiner Umgebung das Leben nicht schwerer als nötig mache. Dann müssten die nämlich alle absichtlic­h weghören. Dabei ist das feine Hinhören so wichtig in all dem Weltenlärm und Wortgetöse.

Ich singe nicht. Ich gehöre keinem Chor, keiner Burschensc­haft an, wo das Exekutiere­n der Texte aus Liederbüch­ern quasi zur Grundrüstu­ng gehört. Ich höre aber gern zu.

Zum Beispiel hörte ich in diesen Tagen den Spekulatio­nen über ein Aus des Radiosende­rs FM4 zu. Dort läuft sehr viel, sehr wertvolle, weil anspruchsv­olle österreich­ische Musik. Viel dieser hierzuland­e entstanden­en Musik bekommt längst auch internatio­nal große Aufmerksam­keit. Nicht wie der Mozart oder der Falco, schon klar – aber die sind beide ja auch tot. Und das Tote verkauft sich halt sehr gut, weil man sich schon daran gewöhnt hat. Das lebendig Neue hat’s dagegen schwerer. Während der Spekulatio­nen über FM4 fiel mir jedenfalls ein, dass die neue Regierung ganz viel auf das Österreich­ische setzt in ihrem Kulturprog­ramm.

Man wolle gar über eine „Österreich-Quote“nachdenken, steht da. Speziell wird der Radiosende­r Ö3 genannt. Dazu muss man sagen: Bei Ö3 tät Nachdenken gar nicht schaden – und über Ö3 auch nicht.

Am besten denkt man in der Politik allerdings über Dinge nach, die sich einfach verkaufen lassen. Darum geht es. Es muss nicht in die Tiefe gehen. Lieber ein billiger Schmäh vom Ö3-Mikromann auf einem mikroskopi­sch kleinen Nenner als eine nachdenkli­che Satire, bei der das Hirn unnötig in Schwung gerät. Es geht um jene Seichtheit, die sich als massentaug­liche Idee verkaufen lässt, bei der die Wahl immer leicht fällt, weil eine Mehrheit lachend mitmacht. Und es geht um die schön pflegeleic­hte Oberfläche, um den puren Klang eines Wortes – nichts dahinter oder darunter, aber dazu bekennt man sich.

„Heimat“ist auch so ein Wort. Da kann sich jeder denken, was er will. Das macht es leicht, Kapital aus dem Wort zu schlagen. „Heimat“ist ja eher ein undefinier­bares Gefühl als ein harter, beweisbare­r, faktenschw­erer Tatbestand.

Heimat ist kein Ort.

Wer die Heimat aber ins politische Portfolio aufnimmt, der braucht einen Ort, um ihn zur Heimat zu erklären, und eine Grenze, wo der Ort endet. „Österreich-Quote“, das ist auch so ein Wort für die Heimat-Bekenner, so eine Idee, mit der sich Geschäft machen lässt. „Österreich-Quote“, das lässt sich aufladen mit allerlei von dem rot-weiß-roten Stoff, den jene, die Förderung heimischer Talente und „Made in Austria“in ihr Programm verweben, mit dicken roten Linien begrenzen. Solche Worte lassen Massen schnell einstimmen in einen neuen Refrain der Heimatkund­e: „Hey, hey, Baby – uh-ah, nur noch Austria!“„Quote“heißt im Rundfunkja­rgon, dass etwa ein Radiosende­r einen prozentuel­len Anteil der Sendefläch­e für heimische Musik reserviere­n muss. Das hört sich sehr gut an. Das fördert die Szene. Schlecht ist, dass Quote im Politjargo­n bloß ein Wort ist, das Zahlen beschreibt und Minuten misst. Vor lauter Heimatdümm­elei geht das andere Qu-Wort unter. Denn die Forderung nach einer Quote sollte hinter der Frage nach der Qualität stehen. Darum geht es aber nicht. WWW.SN.AT/FLIEHER

 ??  ?? Bernhard Flieher
Bernhard Flieher

Newspapers in German

Newspapers from Austria