Reich mir die Hand, mein Leben ist voller Musik
Mozarteumorchester und Camerata sind nicht nur die Statthalter Mozarts in Salzburg: Sie spielen auch anderes exzellent.
Der Clou kam am Schluss. Da packte Riccardo Minasi, der neue Chefdirigent des Mozarteumorchesters, seine Geige aus und schmachtete seine Kollegin Antje Weithaas – die zuvor das ADur-Violinkonzert, KV 219, schon sehr kommunikationsfreudig gespielt hatte – als fiktiver Don Giovanni an: „La ci darem la mano“. Als er dann im Spiel auch noch einen Kniefall machte, bog sich der künftige Leiter der Mozartwoche vor Lachen: Ja, so etwas ist ganz nach dem Geschmack von Rolando Villazón.
Minasi, der Italiener, sprüht vor Energie und zeigt es auch – den Taktstock einmal rechts wie ein Florett führend, dann wieder links „liegen“ lassend, um mit bloßen Händen seinen Gefühlen freien Lauf zu lassen. Das macht gewiss Effekt gerade dort, wo Mozarts Musik auf theatralischen Ausdruck aus ist oder – wie im Beginn der HaffnerSymphonie – mit schmetterndem D-Dur-Glanz hereinbricht. Wo es um subtilere Binnenstrukturen, um symphonische Feinarbeit geht, ist Minasis überbordende Sinnenfreude beim Dirigieren nicht nur von Vorteil. Antje Weithaas ließ sich in ihrer straffen, bis in die eigenen Kadenzen hinein individuell durchkonstruierten, zwischen kristalliner Tongebung, herber Grundierung und mit den Elementen der Komposition experimentierfreudig umgehenden Sicht auf das A-DurKonzert nicht in ihrer Haltung beirren, fand auch im Orchester neugierig mitargumentierende Partner. Werke von J. C. Bach eröffneten das Konzert am Donnerstagabend: die Doppelorchester-Symphonie, op. 18/1, und eine Sinfonia concertante, in der Florian Birsak als versierter Flügelartist, Konzertmeister Frank Stadler, Cellist Florian Simma und Solo-Oboistin Isabella Unterer als bewährte, durchaus anspruchsvoll herausgehobene Orchestermitglieder ihre Künste vorführten. Bis da alle Soloinstrumente allein oder miteinander „durch“sind, braucht das seine Zeit. Das Werk ist also nicht unumständlich, aber in der Kombination durchaus reizvoll.
Reizvoll war auch das Matineenprogramm der Camerata am Freitag. Jörg Widmann, das unfassbare Multitalent, hat es ganz auf sein Instrument abgestimmt. Tatsächlich könnte man diesem sagenhaften Klarinettisten stundenlang zuhören, wie er das süße Holz zum Spre- chen und Leuchten bringt – hier in C. M. von Webers Concertino und der obligaten „Begleitung“der von Olivia Vermeulen wunderschön gesungenen „Parto“-Arie aus „La clemenza di Tito“. Wäre da nicht auch noch der Komponist Widmann, für den brillierende Solisten der Camerata zu sechst eine Techno-„Jugendsünde“zu perkussivem Streicherdrive veredelten und der seine unverschämte Spielvirtuosität in seinem Orchesterwerk „Con brio“voll auskosten konnte. Da zeigten sich auch Widmanns dirigentische Fähigkeiten, die keine Spompanadeln brauchen. Mozarts Symphonie KV 550 wurde so zu einer symphonisch-kammermusikalischen, wunderbar durchsichtigen und energetisch aufgeladenen Kostbarkeit.