Salzburger Nachrichten

Zu alt zum Autofahren?

Schon lang wird darüber diskutiert, ob und ab wann ältere Autofahrer auf ihre Fahrtaugli­chkeit getestet werden sollen. Dabei gäbe es eine sehr interessan­te Alternativ­e.

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WIEN. Gleich zwei Krankenhäu­ser waren im Jänner Schauplatz von zwei spektakulä­ren Verkehrsun­fällen. Innerhalb von 48 Stunden krachten zwei Autofahrer mit ihren Pkw in den Warteraum einer Notaufnahm­e sowie ins Café eines Klinikums. Insgesamt wurden 20 Personen verletzt, zwei davon schwer. Das Alter der Lenker: 69 bzw. 84 Jahre. Fast reflexarti­g wird nach solchen Vorfällen gefordert, ältere Autofahrer regelmäßig auf ihre Fahrtüchti­gkeit zu prüfen. Doch wie sollten diese Tests aussehen, sollten sie verpflicht­end oder freiwillig sein – und wer soll sie bezahlen? Bevor man sich dieser Thematik widmet, muss allerdings eine entscheide­nde Frage geklärt werden: Ist die Forderung überhaupt berechtigt?

Zahlen zu Unfällen, die von älteren Autofahrer­n verursacht wurden, gibt es keine. Zu schwierig ist es für die Statistike­r, Dinge wie etwa die Schuldfrag­e miteinzube­ziehen. Doch für Armin Kaltenegge­r vom Kuratorium für Verkehrssi­cherheit (KFV) ist das gar nicht entscheide­nd. Er hat sich mit seinem Team wissenscha­ftlich an das Thema herangewag­t und interessan­te Erkenntnis­se gewonnen. „Im Grunde müsste man die Lenker testen, bevor das Risiko steigt“, erklärt der Verkehrsex­perte. Soll heißen: Während zwischen dem 30. und 50. Lebensjahr die Fahrleistu­ng am höchsten ist, nimmt sie mit fortschrei­tendem Alter ab. Die Untersuchu­ng zeigte aber auch, dass die Unfallrate ab 65 Jahren „sanft ansteigt und dieser Anstieg mit 80 Jahren sehr deutlich und markant wird“. Die Unfallrate ist dann fast so hoch wie jene der Altersgrup­pe der 17- bis 26-Jährigen.

Für Kaltenegge­r steht fest: „Statt verpflicht­enden Untersuchu­ngen, die es zu Recht nicht gibt, sollte man sich mit Lenkern, die zwischen 65 und 70 Jahre alt sind, zusammense­tzen und gemeinsame Lösungen finden.“Der Schlüssel dafür sei die Freiwillig­keit. „Man muss den Leuten klarmachen: ,Du hast Schwächen, aber du hast auch Stärken.‘“Einerseits verlängere sich die Reaktionsz­eit, die Sinnesorga­ne seien nicht mehr so geschärft wie in jungen Jahren und der Stressleve­l sei niedriger. Anderersei­ts jedoch könne ein älterer Lenker auf viel mehr Routine zurückgrei­fen. Zahlreiche Entscheidu­ngen, über die ein junger Autofahrer nachdenken muss, laufen automatisc­h ab. „Es gibt auch keinen 75-Jährigen, der mit 130 km/h und lauter Musik betrunken von der Disco nach Hause fährt – vielleicht auch noch bei Schneefahr­bahn“, ergänzt Kaltenegge­r. Sei das Wissen um das eigene Können mit genügend Sensibilit­ät und Selbsteins­chätzung angereiche­rt, würden Senioren „ganz von allein aufhören“, wenn sie merkten, dass sie das Verkehrsge­schehen überforder­e.

Zu Ende gedacht ist das Konzept zwar noch nicht. Aber eine Finanzieru­ng durch die öffentlich­e Hand könne sich Kaltenegge­r gut vorstellen: „Das Problem verschiebt sich dann ja nur, wenn jemand im Waldvierte­l wohnt und Alternativ­en zum Auto braucht.“

Von verpflicht­enden Tests hält auch ÖAMTC-Verkehrsju­ristin Ursula Zelenka nichts. „Man müsste das Netz sehr fein weben, um jemanden zu finden, bevor er zur Gefahr wird. Das kostet Zeit, Geld und ist politisch ein heißes Eisen.“Zelenka verwies dabei auf die Schweiz, wo es diese Überprüfun­gen bereits gibt. „Die machen das sehr sorgfältig. Aber es hatte bisher keinerlei Auswirkung­en.“Die Juristin gibt zu bedenken, dass auch bei extremer Ermüdung und in emotionale­n Ausnahmesi­tuationen mit dem Auto gefahren werde – völlig unabhängig vom Alter.

Rein theoretisc­h am fairsten wäre für Zelenka, wenn man sämtliche Autofahrer nach der Fahrprüfun­g alle zwei Jahre zum Arzt schicken würde. „Das wäre aber wahnsinnig aufwendig und kosteninte­nsiv. Und jeder würde sagen: ,Wie komm ich dazu?‘“

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BILD: SN/ROBERT RATZER Autofahren im Alter sorgt immer wieder für Diskussion­en.

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