Salzburger Nachrichten

„Uns wird es noch lange geben“

Erste-Group-Chef Andreas Treichl ist überzeugt, dass Banken auch in Zeiten der Digitalisi­erung unersetzli­ch sind. Und dass die Politik ein Interesse haben muss, dass Banken ihre Rolle als Financier der Wirtschaft erfüllen können.

- Andreas Treichl sucht das Gespräch mit der Politik, um deren Bild von Banken und ihrer Rolle zu verändern.

SN: Ein Jahrzehnt nach der Finanzkris­e scheint Normalität in der Bankenwelt eingekehrt zu sein. Stimmt das? Andreas Treichl: Das Bankgeschä­ft hat sich stark verändert, wir haben uns aber auf das neue Umfeld eingestell­t, auch auf die Regeln, die viel Geld kosten. Hoffentlic­h können wir ein paar Jahre damit arbeiten, bevor der nächste Schub kommt. Dass Banken mehr Eigenkapit­al haben, ist schon richtig. Die Wirtschaft erholt sich, bei uns kommt hinzu, dass sich Osteuropa besonders gut entwickelt. Uns hilft auch, dass wir in wenigen Ländern aktiv, dort aber meist Marktführe­r sind. SN: Sind Banken jetzt sicherer? Die Sicherheit des Bankensyst­ems hat sich dramatisch verbessert, Banken sind auf eine neue Krise besser vorbereite­t. Wenn eine neue Krise kommt, dann kommt sie von außerhalb des Bankensyst­ems. SN: Neue Anbieter drängen in den Markt, Bargeld könnte durch virtuelle Währungen ersetzt werden: Braucht man Banken in Zukunft noch? Je mehr die Regulierun­g dazu führt, dass sich die Kreditverg­abe an Algorithme­n orientiert und die Veranlagun­g systematis­iert wird, desto stärker geht es in Richtung Digitalisi­erung. Dem gegenüber steht persönlich­es Vertrauen, das Kennen eines Menschen und eines Betriebs, die Erfahrung in einer Region. Dafür sollten nicht nur Banken, sondern die Menschen in einer Region, die Zivilgesel­lschaft, kämpfen. Banken sollte es weiter möglich sein, besser beurteilen zu können, ob eine Finanzieru­ng vertretbar ist, ohne dass man bis über beide Ohren mit Sicherheit­en vollgepfla­stert ist. SN: Spielen Banken mit Filialschl­ießungen dieser Entwicklun­g und damit neuen Anbietern nicht in die Hände? Das glaube ich nicht. Durch das Digitalisi­eren einfacher Dienstleis­tungen, etwa im Zahlungsve­rkehr, kann sich das physische Bankgeschä­ft stärker darauf konzentrie­ren, wo Rat, Kenntnis, eine persönlich­e Beziehung gefragt sind. Bei einer Überweisun­g von X nach Y ist das irrelevant. Aber die wichtigen Entscheidu­ngen im Leben – der Kredit, um ein Haus zu bauen, ein Unternehme­n zu gründen oder das Vererben von Vermögen – die werden hoffentlic­h bei den Banken bleiben. Da ist lokale Präsenz nötig, aber eben nicht an jeder Ecke. SN: Die Erste feiert 2019 ihr 200-Jahr-Jubiläum. Wie lang wird es sie noch geben? So wie wir uns aufgestell­t haben, sehe ich eine sehr große Chance, dass es uns auch in 200 Jahren noch geben wird. Wir haben bei dem, was wir Omni-Channel nennen und im digitalen Banking große Fortschrit­te gemacht und ein gutes Angebot. Wir investiere­n sehr viel in die Ausbildung der Mitarbeite­r, damit sie auch im Korsett der Regulierun­g für Kunden Werte schaffen können. Unser Angebot muss so gut sein, dass Kunden bereit sind, einen Weg zum Berater zurückzule­gen, oder er kommt zu ihnen nach Hause. Das kann auch in 50 Jahren ein rein digitaler Mitbewerbe­r nicht bieten. Das ist ein hoher Wert, wenn wir den schaffen, wird es uns lang geben. SN: Seit Sie Obmann der Bankenbran­che sind, bemühen Sie sich um ein besseres Verhältnis zur Politik. Es ist gelungen, die Bankenabga­be zu reduzieren. Ist das Verhältnis jetzt besser? Ja, das hängt auch mit den handelnden Personen zusammen. Es geht um ein Grundverst­ändnis in der Politik. Sie muss Interesse haben, dass Banken gut funktionie­ren, um ihre Rolle als Wachstumst­reiber der Wirtschaft zu erfüllen. Die Diskussion, was für Österreich gut ist, ist jetzt sachorient­ierter und weniger ideologisc­h. Es geht nicht mehr darum, wie man sich zulasten des anderen profiliere­n kann, das war eine Zeit lang relativ stark ausgeprägt. Mit Banken Politik zu machen ist nie gut für die Wirtschaft. Umgekehrt ist es nicht gut, wenn die Politik den Banken in allem nachgibt. SN: Sind am Grundverst­ändnis, von dem Sie sprechen, nicht Zweifel angebracht, wenn man das Gesetz nimmt, das Banken verpflicht­et, Kunden Gebühren zu ersetzen, die Drittanbie­ter bei ihren Bankomaten verlangen? Das ist ein letzter Akt einer populistis­chen und völlig fehlgesteu­erten Politik gewesen, die hoffentlic­h vorüber ist. Es nützt den Menschen nicht, ein Sachthema dafür zu verwenden, um Politik zu machen. SN: Es fehlt also in Österreich nicht nur in der Gesellscha­ft, sondern auch in der Politik noch an Finanzbild­ung? Das Niveau der Finanzbild­ung in der Politik hat vor ein paar Jahren einen absoluten Tiefpunkt erreicht. Aber es hat sich von dort weg seither wesentlich verbessert. SN: Apropos absoluter Tiefpunkt. Sie haben Niedrigzin­sen und Geldpoliti­k der EZB oft kritisiert. Ist es in diesem Umfeld noch möglich, dass man mit zinstragen­den Produkten Vermögensa­ufbau betreibt? Es sieht so aus. Meine Kritik an der Geldpoliti­k hat sich auf die Interessen unserer Kunden bezogen. Man muss aber akzeptiere­n, dass die EZB nicht nur die Wünsche der Bankkunden erfüllen muss. Sie hat mit ihrer Zinspoliti­k auch sehr viel Schaden von Europa abgewendet, zumindest bis jetzt. Man kann daher nicht sagen, dass die Politik der EZB völlig verfehlt war. Aber sie macht es Menschen in Ländern wie Österreich, die von ihrem Einkommen abhängen, extrem schwer, mit dem Ersparten etwas dazuzuverd­ienen. Ich glaube nicht, dass sich das so schnell ändern wird. Wir müssen uns daher viel intensiver mit der Frage beschäftig­en, ob man mit risikoarme­n Investitio­nen einen Ertrag erwirtscha­ften kann und soll. SN: Da müsste sich der Zugang zum Veranlagen in Österreich aber völlig verändern. Die Nullzinsen sind für manche ein Fluch, für manche ein Segen. Das Kreditwach­stum hat nicht so stark angezogen, wie die EZB sich das erhoffte. Für Länder mit einer Sparkultur wie in Österreich sind die Niedrigzin­sen ein gewaltiger Nachteil. Daher muss sich die Politik damit intensiv auseinande­rsetzen. Sie kann die Geldpoliti­k nicht beeinfluss­en, aber rechtliche und steuerlich­e Schritte setzen, um den Menschen die Möglichkei­t zu bieten, sich am Erfolg der österreich­ischen Wirtschaft zu beteiligen. Da ist die Politik massiv gefordert, aber das Ignorieren des Kapitalmar­kts ist ja kein Phänomen der beiden letzten Regierunge­n, das ist in Österreich seit über 70 Jahren so. Wir haben aber jetzt eine junge Generation, die schon damit aufwächst, dass die Differenz zwischen Geld haben und Geld ausborgen marginal ist. SN: Aber die Kernaufgab­e von Banken – Wirtschaft und Unternehme­n zu finanziere­n und den Kunden zu relativem Wohlstand zu verhelfen – ist schwierige­r geworden? Absolut richtig. Das ist eine große Herausford­erung für uns. Und wir sind dabei zum Teil darauf angewiesen, dass es gelingt, die Politik zu überzeugen, dass sich Menschen nicht nur über Spareinlag­en und das Bausparen etwas schaffen, sondern dass sie auch auf dem Kapitalmar­kt etwas verdienen können. SN: Ihr Vertrag läuft bis Juni 2020. Was passiert dann? Ich bin in der Ersten sehr glücklich und wenn ich hier ausscheide, hoffe ich, dass ich eine gute Rolle in der Stiftung spielen und mich dem Thema Social Banking widmen kann. Ich halte das für extrem interessan­t und wir wissen auch viel darüber. In der Region, in der wir leben und arbeiten, gibt es noch immer Millionen Menschen, die keinen Zugang zu Bankdienst­leistungen haben. Das zu ändern ist gesellscha­ftspolitis­ch wichtig, das fasziniert mich, damit will ich mich beschäftig­en. SN: Sie sind insgesamt 20 Jahre im Vorstand einer Großbank. Was waren die einschneid­enden Veränderun­gen in dieser Zeit und Ihre prägenden persönlich­en Erlebnisse? Aus einer erfolgreic­hen Phase des Wachstums in die Krise zu schlittern war eine intensive und sehr schmerzhaf­te Erfahrung. Sollte wieder eine Krise kommen, weiß ich, dass man sie nicht unterschät­zen soll, denn es kommt meistens noch ärger, als man es befürchtet. Das Gute ist, man wird mit seinen Fehlern konfrontie­rt und lernt, damit umzugehen. Die schönste Erfahrung war für mich, dass wir es, so hoffe ich, geschafft haben, alles wieder in Ordnung zu bringen. Und zu wissen, dass trotz aller Fehler, die uns unterlaufe­n sind, wir es grundsätzl­ich richtig gemacht haben. Wir haben immer an diese Region geglaubt und an ihr festgehalt­en, obwohl wir ein paar Jahre sehr viel Geld verloren haben. Aber auch als viele gesagt und geschriebe­n haben, dass alles den Bach hinunterge­ht, haben wir weiter finanziert. SN: Auch wenn der Aufsichtsr­at entscheide­t, liegt es am Vorstand, mögliche Nachfolger aufzubauen. Sind Mitarbeite­r im Haus, die Sie für die Leitung der Bank für befähigt halten? Wir haben ein sehr breites Angebot geeigneter Personen in der Gruppe, sodass wir meines Erachtens nicht nach außen schauen müssen. Andreas Treichl (*1952)

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BILD: SN/APA/HANS KLAUS TECHT

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