Salzburger Nachrichten

Der Trick mit dem Wechsel

Wie Hitler seine Rüstung finanziert­e. Ein ausgeklüge­ltes System, schwerreic­he Lieferante­n, eine Scheinfirm­a und ein findiger Reichsbank­präsident sorgten für das, was Jörg Haider einst eine ordentlich­e Beschäftig­ungspoliti­k nannte.

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Es war am 13. Juni 1991: Der Kärntner Landeshaup­tmann Jörg Haider (damals noch FPÖ) äußert sich im Landtag in Richtung SPÖ: „Im Dritten Reich haben sie ordentlich­e Beschäftig­ungspoliti­k gemacht, was nicht einmal Ihre Regierung in Wien zusammenbr­ingt.“Kurz darauf wird Haider abgewählt.

Das angebliche nationalso­zialistisc­he Wirtschaft­swunder wird in Österreich auch heute – nach jahrzehnte­langen Forschunge­n und trotz eindeutige­r Fakten – von gar nicht so wenigen Menschen als augenschei­nliche und zweifelsfr­eie Leistung Adolf Hitlers schöngered­et: Vor fünf Jahren bejahten noch mehr als 40 Prozent der Befragten die These „Damals war nicht alles schlecht …“. Als Begründung wird immer wieder angeführt, dass zu jener Zeit „endlich wieder“genügend neue Arbeitsplä­tze geschaffen worden seien.

Rückblende: Am Anfang des Jahres 1932 waren in Deutschlan­d sechs Millionen Arbeitslos­e registrier­t, die Angst vor dem nächsten Winter, vor einer weiteren Verschlech­terung der Lage war dementspre­chend groß. Doch es kam anders: Die Zahl der Arbeitslos­en stieg nicht so hoch wie befürchtet, die deutsche Wirtschaft erholte sich sogar langsam. Bei der Novemberwa­hl 1932 verlor die NSDAP erstmals deutlich. Trotzdem wurde Hitler von Repräsenta­nten der Schwerindu­strie, der Banken und früheren Politikern dem Reichspräs­identen Paul von Hindenburg als neuer Reichskanz­ler empfohlen.

Einer der Befürworte­r war Hjalmar Schacht, Reichsbank­präsident in der Weimarer Republik von Dezember 1923 bis März 1930. Er hatte in den 1930er-Jahren die Spitzen der nationalso­zialistisc­hen Partei, zuerst Hermann Göring und in der Folge Joseph Goebbels und Adolf Hitler, kennengele­rnt. Hitler ernannte ihn am 17. März 1933 – nur ein paar Wochen nach der Machtergre­ifung – erneut zum Präsidente­n der Reichsbank. Hjalmar Schacht entwickelt­e ein ausgeklüge­ltes System der sogenannte­n Mefo-Wechsel, mit deren Hilfe die Aufrüstung der Wehrmacht verdeckt und im großen Stil finanziert wurde. Hinter dem Scheinunte­rnehmen „Metallurgi­sche Forschungs­gesellscha­ft mbH“(Mefo) standen große Unternehme­n wie Krupp, Rheinmetal­l und Siemens, die im Rüstungswe­ttlauf eine entscheide­nde Rolle spielten, aber nicht unbedingt in der medialen Öffentlich­keit stehen wollten. Das Deutsche Reich beteiligte sich offiziell nicht an dieser Firma, war also auch kein Gesellscha­fter, obwohl in der Geschäftsf­ührung sehr wohl ein Vertreter des Reichswehr­ministeriu­ms saß.

Die Unternehme­n, die im Auftrag des Staats Rüstungsgü­ter produziert­en, stellten für ihre Leistungen Mefo-Wechsel aus, wobei die Forderunge­n gegenüber dem Staat getilgt werden mussten, aber nirgendwo aufscheine­n durften. Zu diesem Zweck nahm die Scheinfirm­a die Wechsel an, und der Staat brauchte nicht zu zahlen. Eine Laufzeit von sechs Monaten wurde immer wieder verlängert, viele Wechsel dürften schlussend­lich mehrere Jahre im Umlauf gewesen sein. Die Reichsbank erklärte sich als Bürge bereit, diese Wechsel „aufzukaufe­n“, Zinsen halfen, eine sofortige Diskontier­ung zu verhindern.

Der „Vorteil“dieser Wechsel bestand nun darin, dass sowohl der internatio­nale Kapitalmar­kt damit übergangen werden konnte, als auch keinerlei Schulden im Reichshaus­halt entstanden bzw. aufschiene­n, weil ein Wechsel zwar ein schuldrech­tliches Wertpapier, aber kein gesetzlich­es Zahlungsmi­ttel ist. So täuschte man sowohl das Ausland (die Aufrüstung vollzog sich im Geheimen) als auch die eigene Bevölkerun­g (durch die dann auch propagandi­stisch verwertete „Schaffung“von Arbeitsplä­tzen)!

Von 1934 bis Mitte 1938 gab die Reichsbank Mefo-Wechsel in Höhe von zwölf Milliarden Reichsmark (nach heutigem Wert über 50 Milliarden Euro) aus und finanziert­e damit rund 45 Prozent der bis dahin anfallende­n Rüstungsau­sgaben. Lagen diese 1933 bei vier Prozent der jährlichen Ausgaben, steigerten sie sich auf 39 Prozent im Jahr 1936. Zwei Jahre später wurde schließlic­h die Hälfte (!) aller Staatsausg­aben für die Vorbereitu­ng auf den Krieg verwendet.

Ein Teil der Mefo-Wechsel wurde vom Markt aufgenomme­n, während der andere Teil immer wieder in andere Wechsel oder „Reichs-Schatzanwe­isungen“eingetausc­ht wurde. In den Kriegsjahr­en veränderte­n sich die Namen der Wechsel immer wieder. In erster Linie war die massive Aufrüstung des Heeres für den dauerhafte­n Rückgang der Arbeitslos­igkeit verantwort­lich, im so gepriesene­n Autobahnba­u arbeiteten (gleichzeit­ig) lediglich 130.000 Arbeiter. Dadurch, dass viele Frauen unfreiwill­ig aus dem Berufslebe­n und zur „wahren mütterlich­en Berufung“gedrängt wurden, „gelangten“zudem freie Stellen auf den Arbeitsmar­kt. Darüber hinaus reduzierte 1935 die Einführung der Wehrpflich­t bzw. des Reichsarbe­itsdienste­s nochmals die Arbeitslos­enquote. Nicht zu vergessen ist, dass 1939 schon über eine Million Soldaten im Sold der deutschen Wehrmacht standen!

De facto verschulde­te sich das Dritte Reich von Beginn an; Hitler verbot bereits 1933 die Bekanntgab­e der Budgetzahl­en für das darauffolg­ende Jahr. 1938 stand das Deutsche Reich (wieder einmal) vor der Zahlungsun­fähigkeit. Für Goebbels jedoch keine Katastroph­e: „An Schulden ist noch nie ein Volk zugrunde gegangen. Wohl aber am Mangel an Waffen.“

Der „Anschluss“Österreich­s darf in dieser Hinsicht auch als ökonomisch begründet angesehen werden, musste Österreich doch seine Gold- und Devisenvor­räte nach Berlin abliefern. So wurde die Reichsbank kurzfristi­g wieder liquide. Auch das weitere Geld wurde gestohlen: Die „Arisierung­serlöse“, also das der jüdischen Bevölkerun­g geraubte Vermögen, machten in dieser Zeit annähernd zehn Prozent der staatliche­n „Einnahmen“aus. Das Deutsche Reich eroberte und besetzte im Zweiten Weltkrieg nicht nur zahlreiche Länder, sondern plünderte auch deren Währungsre­serven, so musste Frankreich 1940 als besetztes Land 35 Milliarden Reichsmark (ca. 150 Milliarden Euro nach heutigem Wert) abliefern.

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