Baustellen
Die Sozialdemokratie tut sich mit ihrer neuen Rolle als Oppositionspartei noch schwer. Vor allem wegen interner Querelen.
WIEN. Die SPÖ kommt nicht zur Ruhe. Vorsitzender Christian Kern hat es noch nicht wirklich verstanden, seine Partei auf ihre Rolle als Oppositionskraft einzustimmen. Denn irgendwie kommt immer etwas dazwischen. So auch in den vergangenen Tagen. Die Sozialdemokraten hatten sich gerade in der „Liederbuchaffäre“auf den FPÖ-Spitzenkandidaten in Niederösterreich eingeschossen, als bekannt wurde, dass an der Produktion des umstrittenen Buchs mit seinem den Holocaust verharmlosenden Inhalt auch ein SPÖ-Mitglied beteiligt war. Noch dazu gehörte dieses ebenfalls der Burschenschaft „Germania zu Wiener Neustadt“an. Dazu kam, dass kurz vor der Landtagswahl in Niederösterreich ein weiterer SPÖPolitiker verhaftet wurde. Und zwar wegen Kindesmissbrauchs, und weil sein Keller voll mit NS-Devotionalien war.
Im Übrigen kämpft die SPÖ um ihre politische Ausrichtung und um die Frage, wer sich im parteiinternen Machtkampf durchsetzen wird. Die eher rechten Sozialdemokraten um den burgenländischen LH Hans Niessl oder der eher linke Flügel, dem etwa der stv. Klubobmann Andreas Schieder oder die Frauenvorsitzende Gabriele Heinisch-Hosek angehört.
Die Annahme, dass die SPÖ-Politik Fahrt aufnehmen werde, wenn der quälende Michael-Häupl-Nachfolgekampf in der Wiener SPÖ vorbei sei, erwies sich als trügerisch. Seit vergangenem Samstag hat die Wiener SPÖ einen neuen Vorsitzenden. Doch entschieden ist noch nichts. Der neue Mann, Michael Ludwig, muss sich erst ein Stadtregierungsteam suchen, das sicherstellt, dass er bei seiner Wahl zum Bürgermeister im Wiener Gemeinderat eine Mehrheit erhält. Das ist mühsam. Das kann dauern. Derweil gehen die Flügelkämpfe weiter.
Was sind nun die Baustellen, an denen Parteivorsitzender Christian Kern werken muss?
Bundespartei
Eines der Probleme Christian Kerns in der Bundespartei heißt: Christian Kern. Hartnäckige Gerüchte, der Ex-Kanzler könne seine Partei eher früher als später in Richtung europäische Energiewirtschaft verlassen, machen die Runde. In der Parteizentrale herrscht ein reges Kommen und Gehen in den Schlüsselpositionen, zuletzt wurde der steirische Landesparteisekretär Max Lercher als Bundesgeschäftsführer installiert. Und setzte sich gleich ordentlich in den Fettnapf, als er kundtat, die von der Regierung geplante Änderung bei der Mangelberufsliste werde 150.000 zusätzliche Zuwanderer ins Land bringen. Woher diese Zahl kam, blieb ungewiss, gewiss ist lediglich, dass derlei Zahlenspiele bis vor Kurzem das Monopol der Freiheitlichen waren. Bei der Suche nach einem neuen Kommunikationschef wurde die SPÖ erst im fernen Niedersachsen fündig, sie engagierte den bisherigen dortigen SPD-Landesgeschäftsführer Georg Brockmeyer. Dass in der Kommunikationspolitik der SPÖ einiges im Argen liegt, wurde erst dieser Tage deutlich. Zur Präsentation des Abschlussberichts der Causa Silberstein (der dann gar nicht präsentiert wurde) lud die SPÖ alle möglichen Journalisten ein, nur nicht jene beiden, die die Affäre aufgedeckt hatten. Dass die SPÖ immer noch Schulden hat, die kürzlich durch den Verkauf des parteieigenen Gartenhotels Altmannsdorf wenigstes auf einen einstelligen Millionenbetrag reduziert werden konnten, erleichtert die Arbeit keineswegs.
Parlamentsklub
Klubobmann: Christian Kern. Geschäftsführender Klubobmann: Andreas Schieder. Stellvertretender Klubobmann: Thomas Drozda. In der Führungsriege der sozialdemokratischen Parlamentsfraktion herrscht ein Überangebot an politischen Alphatieren, die den Zug nach oben haben. Derlei kann auch zum Problem werden. Zudem sind fast alle ehemaligen SPÖ-Minister, die der türkis-blauen Regierungsbildung zum Opfer gefallen sind, im Parlament gelandet, wo sie ihre Wunden lecken. Der Versuch, Andreas Schieder zum Wiener Bürgermeister zu machen, hätte das Gedränge an der SPÖ-Klubspitze entspannt, doch der Versuch ist bekanntlich gescheitert. Die starken
Persönlichkeiten im SPÖ-Parlamentsklub bringen zweifellos inhaltliche Kompetenz auf die Waagschale, aber dennoch ist in dieser Hinsicht noch viel Luft nach oben. Die Abqualifizierung der pragmatischen Bildungspolitik des neuen Ministers Heinz Faßmann als „Rohrstaberl-Politik“durch die SPÖ-Abgeordnete Sonja Hammerschmid war einer ehemaligen Unterrichtsministerin und Rektorenchefin nicht wirklich würdig.
Wiener SPÖ
Wie bereits erwähnt: Seit einer Woche steht fest, wer Michael Häupl als Wiener SPÖ-Landesparteichef nachfolgt. Sonst steht noch nichts fest. Denn Wahlsieger Michael Ludwig, der Mann der Basis, hat einen großen Teil des Parteiestablishments gegen sich, darunter die mächtigen Stadträtinnen Renate Brauner und Sandra Frauenberger. Bürgermeister kann Michael Ludwig nur werden, wenn er – was für Mai geplant ist – durch den 100köpfigen Gemeinderat gewählt wird. Dort verfügt die SPÖ über 44 Stimmen, der Koalitionspartner Grüne über zehn, macht zusammen 54 – und eine allzu knappe Mehrheit. Sollte auch nur eine Handvoll rebellischer SPÖ-Mandatare Ludwig bei der Bürgermeisterwahl ihre Stimme verweigern, würden sie diesem die Blamage seines Lebens zufügen. Und ihrer Partei schweren Schaden. Um dies zu vermeiden, muss der neue SPÖ-Landeschef bei der Zusammensetzung seines Teams Rücksicht auf sämtliche Lager und Flügel der Partei nehmen, was einem Sudoku der kniffligeren Art gleichkommt. Die Wiener SPÖ – immerhin die mit Abstand wichtigste und mächtigste aller SPÖLandesparteiorganisationen – wird erst handlungsfähig sein, wenn all diese Fragen geklärt sind. Das wird noch einige Monate dauern. Und wenn die Wiener SPÖ dann wieder Zeit hat, sich um Inhalte zu kümmern, warten einige große Brocken. Etwa das Krankenhaus Wien-Nord, dessen Errichtung zum Millionendebakel zu werden droht. Oder das Wiener Schulwesen. Erst dieser Tage berichtete ein Wiener Schuldirektor im „Falter“davon, dass es Klassen gebe, „in denen islamistische oder gewalttätige Rädelsführer und ,Klassencapos‘ den Unterricht stören“und Kinder durch tschetschenische Banden und durch den Besuch bestimmter Moscheen radikalisiert würden. Diese Schilderung passt nicht zum Bild Wiens als Wohlfühlstadt, das die Wiener SPÖ mit Vorliebe von der Bundeshauptstadt zeichnet.
AK und ÖGB
Arbeiterkammer und Gewerkschaftsbund sind wichtige Verbündete der SPÖ, wenn es um die Interessen der Arbeitnehmer gibt. Allerdings bekommen beide neue Chefs, da die alten, Rudolf Kaske und Erich Foglar, ihr Amt zurücklegen. Dazu kommt, dass vor allem die Arbeiterkammer, so wie die anderen Kammern auch, ins Visier der Regierung gerückt sind. Die Pflichtmitgliedschaft bei den Kammern wird zwar nicht abgeschafft, wie es die FPÖ verlangte, allerdings müssen die Kammern ein Sparprogramm vorlegen. Vor allem für die Arbeiterkammer, die finanziell deutlich weniger potent ist als die Wirtschaftskammer, könnte dies ein Problem werden.
Die Länder
In vielen Bundesländern hat die SPÖ ein massives Problem. In Vorarlberg und Tirol spielt die Sozialdemokratie politisch keine Rolle mehr. Auch weil die ÖVP verstärkt auf die Grünen als Partner zurückgreift und die Sozialdemokratie in den Landesregierungen nichts mehr zu sagen hat. In Salzburg ist es ähnlich. Die SPÖ flog nach dem Finanzskandal aus der Landesregierung, die Partei, die unter Gabi Burgstaller mit 46 Prozent der Wählerstimmen die unumstrittene Nummer eins war, erreichte bei der vergangenen Landtagswahl nur noch rund 23 Prozent.
Ähnlich ist die Lage in Oberösterreich. Einst hatten die Sozialdemokraten den LH-Sessel in Reichweite, heute sind sie eine politische Marginalie. In Niederösterreich wurde vergangenen Sonntag das Erstarken auf knapp 24 Prozent als Erfolg gefeiert – ein allzu bescheidener Anspruch für eine Partei, die irgendwann wieder den Kanzler stellen will.
Als rote Hochburgen bleiben so nur noch Wien, das Burgenland und Kärnten. Wobei in Kärnten bei der kommenden Landtagswahl für die SPÖ die Gefahr besteht, den LHSessel zu verlieren. Dies, weil die FPÖ wieder deutlich stärker wird und bei Umfragen bei knapp 30 Prozent liegt. Gemeinsam mit der ÖVP könnte sie dann den Landeshauptmann stellen und die Ära Peter Kaiser in Kärnten beenden.