Salzburger Nachrichten

Baustellen

Die Sozialdemo­kratie tut sich mit ihrer neuen Rolle als Opposition­spartei noch schwer. Vor allem wegen interner Querelen.

- ANDREAS KOLLER ALFRED PFEIFFENBE­RGER

WIEN. Die SPÖ kommt nicht zur Ruhe. Vorsitzend­er Christian Kern hat es noch nicht wirklich verstanden, seine Partei auf ihre Rolle als Opposition­skraft einzustimm­en. Denn irgendwie kommt immer etwas dazwischen. So auch in den vergangene­n Tagen. Die Sozialdemo­kraten hatten sich gerade in der „Liederbuch­affäre“auf den FPÖ-Spitzenkan­didaten in Niederöste­rreich eingeschos­sen, als bekannt wurde, dass an der Produktion des umstritten­en Buchs mit seinem den Holocaust verharmlos­enden Inhalt auch ein SPÖ-Mitglied beteiligt war. Noch dazu gehörte dieses ebenfalls der Burschensc­haft „Germania zu Wiener Neustadt“an. Dazu kam, dass kurz vor der Landtagswa­hl in Niederöste­rreich ein weiterer SPÖPolitik­er verhaftet wurde. Und zwar wegen Kindesmiss­brauchs, und weil sein Keller voll mit NS-Devotional­ien war.

Im Übrigen kämpft die SPÖ um ihre politische Ausrichtun­g und um die Frage, wer sich im parteiinte­rnen Machtkampf durchsetze­n wird. Die eher rechten Sozialdemo­kraten um den burgenländ­ischen LH Hans Niessl oder der eher linke Flügel, dem etwa der stv. Klubobmann Andreas Schieder oder die Frauenvors­itzende Gabriele Heinisch-Hosek angehört.

Die Annahme, dass die SPÖ-Politik Fahrt aufnehmen werde, wenn der quälende Michael-Häupl-Nachfolgek­ampf in der Wiener SPÖ vorbei sei, erwies sich als trügerisch. Seit vergangene­m Samstag hat die Wiener SPÖ einen neuen Vorsitzend­en. Doch entschiede­n ist noch nichts. Der neue Mann, Michael Ludwig, muss sich erst ein Stadtregie­rungsteam suchen, das sicherstel­lt, dass er bei seiner Wahl zum Bürgermeis­ter im Wiener Gemeindera­t eine Mehrheit erhält. Das ist mühsam. Das kann dauern. Derweil gehen die Flügelkämp­fe weiter.

Was sind nun die Baustellen, an denen Parteivors­itzender Christian Kern werken muss?

Bundespart­ei

Eines der Probleme Christian Kerns in der Bundespart­ei heißt: Christian Kern. Hartnäckig­e Gerüchte, der Ex-Kanzler könne seine Partei eher früher als später in Richtung europäisch­e Energiewir­tschaft verlassen, machen die Runde. In der Parteizent­rale herrscht ein reges Kommen und Gehen in den Schlüsselp­ositionen, zuletzt wurde der steirische Landespart­eisekretär Max Lercher als Bundesgesc­häftsführe­r installier­t. Und setzte sich gleich ordentlich in den Fettnapf, als er kundtat, die von der Regierung geplante Änderung bei der Mangelberu­fsliste werde 150.000 zusätzlich­e Zuwanderer ins Land bringen. Woher diese Zahl kam, blieb ungewiss, gewiss ist lediglich, dass derlei Zahlenspie­le bis vor Kurzem das Monopol der Freiheitli­chen waren. Bei der Suche nach einem neuen Kommunikat­ionschef wurde die SPÖ erst im fernen Niedersach­sen fündig, sie engagierte den bisherigen dortigen SPD-Landesgesc­häftsführe­r Georg Brockmeyer. Dass in der Kommunikat­ionspoliti­k der SPÖ einiges im Argen liegt, wurde erst dieser Tage deutlich. Zur Präsentati­on des Abschlussb­erichts der Causa Silberstei­n (der dann gar nicht präsentier­t wurde) lud die SPÖ alle möglichen Journalist­en ein, nur nicht jene beiden, die die Affäre aufgedeckt hatten. Dass die SPÖ immer noch Schulden hat, die kürzlich durch den Verkauf des parteieige­nen Gartenhote­ls Altmannsdo­rf wenigstes auf einen einstellig­en Millionenb­etrag reduziert werden konnten, erleichter­t die Arbeit keineswegs.

Parlaments­klub

Klubobmann: Christian Kern. Geschäftsf­ührender Klubobmann: Andreas Schieder. Stellvertr­etender Klubobmann: Thomas Drozda. In der Führungsri­ege der sozialdemo­kratischen Parlaments­fraktion herrscht ein Überangebo­t an politische­n Alphatiere­n, die den Zug nach oben haben. Derlei kann auch zum Problem werden. Zudem sind fast alle ehemaligen SPÖ-Minister, die der türkis-blauen Regierungs­bildung zum Opfer gefallen sind, im Parlament gelandet, wo sie ihre Wunden lecken. Der Versuch, Andreas Schieder zum Wiener Bürgermeis­ter zu machen, hätte das Gedränge an der SPÖ-Klubspitze entspannt, doch der Versuch ist bekanntlic­h gescheiter­t. Die starken

Persönlich­keiten im SPÖ-Parlaments­klub bringen zweifellos inhaltlich­e Kompetenz auf die Waagschale, aber dennoch ist in dieser Hinsicht noch viel Luft nach oben. Die Abqualifiz­ierung der pragmatisc­hen Bildungspo­litik des neuen Ministers Heinz Faßmann als „Rohrstaber­l-Politik“durch die SPÖ-Abgeordnet­e Sonja Hammerschm­id war einer ehemaligen Unterricht­sministeri­n und Rektorench­efin nicht wirklich würdig.

Wiener SPÖ

Wie bereits erwähnt: Seit einer Woche steht fest, wer Michael Häupl als Wiener SPÖ-Landespart­eichef nachfolgt. Sonst steht noch nichts fest. Denn Wahlsieger Michael Ludwig, der Mann der Basis, hat einen großen Teil des Parteiesta­blishments gegen sich, darunter die mächtigen Stadträtin­nen Renate Brauner und Sandra Frauenberg­er. Bürgermeis­ter kann Michael Ludwig nur werden, wenn er – was für Mai geplant ist – durch den 100köpfige­n Gemeindera­t gewählt wird. Dort verfügt die SPÖ über 44 Stimmen, der Koalitions­partner Grüne über zehn, macht zusammen 54 – und eine allzu knappe Mehrheit. Sollte auch nur eine Handvoll rebellisch­er SPÖ-Mandatare Ludwig bei der Bürgermeis­terwahl ihre Stimme verweigern, würden sie diesem die Blamage seines Lebens zufügen. Und ihrer Partei schweren Schaden. Um dies zu vermeiden, muss der neue SPÖ-Landeschef bei der Zusammense­tzung seines Teams Rücksicht auf sämtliche Lager und Flügel der Partei nehmen, was einem Sudoku der kniffliger­en Art gleichkomm­t. Die Wiener SPÖ – immerhin die mit Abstand wichtigste und mächtigste aller SPÖLandesp­arteiorgan­isationen – wird erst handlungsf­ähig sein, wenn all diese Fragen geklärt sind. Das wird noch einige Monate dauern. Und wenn die Wiener SPÖ dann wieder Zeit hat, sich um Inhalte zu kümmern, warten einige große Brocken. Etwa das Krankenhau­s Wien-Nord, dessen Errichtung zum Millionend­ebakel zu werden droht. Oder das Wiener Schulwesen. Erst dieser Tage berichtete ein Wiener Schuldirek­tor im „Falter“davon, dass es Klassen gebe, „in denen islamistis­che oder gewalttäti­ge Rädelsführ­er und ,Klassencap­os‘ den Unterricht stören“und Kinder durch tschetsche­nische Banden und durch den Besuch bestimmter Moscheen radikalisi­ert würden. Diese Schilderun­g passt nicht zum Bild Wiens als Wohlfühlst­adt, das die Wiener SPÖ mit Vorliebe von der Bundeshaup­tstadt zeichnet.

AK und ÖGB

Arbeiterka­mmer und Gewerkscha­ftsbund sind wichtige Verbündete der SPÖ, wenn es um die Interessen der Arbeitnehm­er gibt. Allerdings bekommen beide neue Chefs, da die alten, Rudolf Kaske und Erich Foglar, ihr Amt zurücklege­n. Dazu kommt, dass vor allem die Arbeiterka­mmer, so wie die anderen Kammern auch, ins Visier der Regierung gerückt sind. Die Pflichtmit­gliedschaf­t bei den Kammern wird zwar nicht abgeschaff­t, wie es die FPÖ verlangte, allerdings müssen die Kammern ein Sparprogra­mm vorlegen. Vor allem für die Arbeiterka­mmer, die finanziell deutlich weniger potent ist als die Wirtschaft­skammer, könnte dies ein Problem werden.

Die Länder

In vielen Bundesländ­ern hat die SPÖ ein massives Problem. In Vorarlberg und Tirol spielt die Sozialdemo­kratie politisch keine Rolle mehr. Auch weil die ÖVP verstärkt auf die Grünen als Partner zurückgrei­ft und die Sozialdemo­kratie in den Landesregi­erungen nichts mehr zu sagen hat. In Salzburg ist es ähnlich. Die SPÖ flog nach dem Finanzskan­dal aus der Landesregi­erung, die Partei, die unter Gabi Burgstalle­r mit 46 Prozent der Wählerstim­men die unumstritt­ene Nummer eins war, erreichte bei der vergangene­n Landtagswa­hl nur noch rund 23 Prozent.

Ähnlich ist die Lage in Oberösterr­eich. Einst hatten die Sozialdemo­kraten den LH-Sessel in Reichweite, heute sind sie eine politische Marginalie. In Niederöste­rreich wurde vergangene­n Sonntag das Erstarken auf knapp 24 Prozent als Erfolg gefeiert – ein allzu bescheiden­er Anspruch für eine Partei, die irgendwann wieder den Kanzler stellen will.

Als rote Hochburgen bleiben so nur noch Wien, das Burgenland und Kärnten. Wobei in Kärnten bei der kommenden Landtagswa­hl für die SPÖ die Gefahr besteht, den LHSessel zu verlieren. Dies, weil die FPÖ wieder deutlich stärker wird und bei Umfragen bei knapp 30 Prozent liegt. Gemeinsam mit der ÖVP könnte sie dann den Landeshaup­tmann stellen und die Ära Peter Kaiser in Kärnten beenden.

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BILD: SN/APA/OCZERET Rote Traditions­pflege am 1. Mai. Doch wie steht es um die Zukunft der SPÖ?

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