Dem „Geheimnis Kurz“auf der Spur
Die erste autorisierte Biografie von Sebastian Kurz spart nicht mit kritischen Anmerkungen zu seiner Haltung in der Migrationsfrage und meint, dass die größte Bedrohung für den jungen Kanzler er selbst ist.
WIEN. Braucht man mit 31 Jahren und nach wenigen Wochen als Bundeskanzler schon eine gedruckte Biografie? Offenbar schon. Auch Christian Kern ließ im vergangenen Wahlkampf eine Biografie über sich vorlegen, obwohl er damals erst rund ein Jahr im Amt war.
Während Kern sich von einem befreundeten Journalisten porträtieren ließ, ist der Verfasser des Buches „Sebastian Kurz – Die Biografie“ein deutscher Journalist, der vor allem mit Reportagen über Flüchtlingsschicksale bekannt geworden ist. Entsprechend kritisch fällt die Beurteilung des „Balkanrouten-Schließers“auf dem Kanzlersessel aus. Und das, obwohl Kurz an dem Buch selbst mitgewirkt hat, sich dafür bereitwillig interviewen ließ und sogar Einblicke in sein Familienleben gewährte.
Der Autor schreibt vom „Geheimnis Kurz“: „Sebastian Kurz ist so makellos und nahezu fehlerfrei in seinem Auftreten und seiner Kommunikation, dass man nur schwerlich sagen kann, wie und wer er wirklich ist.“Zweifellos stelle Kurz eine Ausnahmeerscheinung in der europäischen Politik dar, heißt es in dem Buch. Er sei nicht nur der jüngste Politiker, dem ein Land nach dem Zweiten Weltkrieg je seine Zukunft anvertraut habe. Er sei auch der Einzige, der es geschafft habe, eine konservative Partei in seine persönliche Bewegung umzuwandeln und zum Erfolg zu führen.
Geschafft habe Kurz das durch seinen „Knallhartkurs“in der Mi- grationsfrage, analysiert der Autor. Kurz habe sich von Anfang an gegen die „Willkommenskultur“gestellt, sei dafür anfangs angefeindet worden, habe dann aber vom Stimmungsumschwung in der Bevölkerung profitiert. Die Schließung der Balkanroute habe Kurz endgültig zum Polit-Star gemacht.
Daher habe er das Thema im Wahlkampf immer weiter besetzt. „Das geht nur durch immer krassere Forderungen“, heißt es in dem Buch. Und: „Kurz kennt keine Gnade.“Selbst seine Unterstützer hätten bei ihm „eine Art von Besessenheit“wahrgenommen, was das Thema Flüchtlinge betrifft. „Es ist sein Gewinnerthema. Aber die Flüchtlinge sind die Verlierer.“
Kurz selbst bezeichnet im Buch seinen Kurs in der Migrationsfrage als alternativlos. Man habe die Grenzen schließen müssen, weil man nicht alle Migrationswilligen der Welt aufnehmen könne.
Der Autor der Biografie versucht auch einen Blick in die Zukunft von Kurz zu werfen. „Er ist ein Meister der medialen Inszenierung und der seltene Typ Politiker, der jedem Menschen das Gefühl geben kann, gerade nur für ihn da zu sein. Sebastian Kurz ist schon in jungen Jahren ein Volkstribun.“In seinen Ansichten sei er flexibel. Bisher habe Kurz sich vor allem daran orientiert, was populär erscheine. Regieren heiße aber, auch Unpopuläres durchzusetzen. Ob aus Kurz eine historische Figur werde oder ob er eine Laune der vom Althergebrachten genervten Wähler bleibe, müsse sich erst zeigen.
Die größte Bedrohung für Sebastian Kurz sei er selbst. Denn ein gleichwertiger politischer Gegner, der ihm irgendwie gewachsen wäre, fehle zurzeit. Kurz sei ein „Wunderkind“, doch niemand falle tiefer als Wunderkinder. Und nichts werde genüsslicher ausgeschlachtet als der Sturz von Überfliegern wie Kurz, schreibt sein Biograf. Er gibt übrigens auch profane Details über den Bundeskanzler zum Besten. Etwa jenes, dass Kurz ohne Haargel eine „lockige Haarpracht“aufweist.
Niemand fällt tiefer als Wunderkinder