Salzburger Nachrichten

Der K(r)ampf der Pässe und der Nationalis­ten

Die Frage der Doppelpäss­e für Südtiroler gerät zum Konflikt diverser chauvinist­ischer Befindlich­keiten.

- Viktor Hermann VIKTOR.HERMANN@SN.AT

Die Idee der Freiheitli­chen, allen deutschspr­achigen Südtiroler­n österreich­ische Pässe anzudienen, hat nicht nur Skeptiker hellhörig gemacht, sondern auch politische Parteien, die wenigstens teilweise ähnlich gestrickt sind wie die FPÖ. So hat die deutsche Absage auf Internatio­nalität und menschlich­e Solidaritä­t, die AfD, die Südtiroler kürzlich taxfrei zu „Deutschen“erklärt. Da man nicht annehmen darf, dass ausgerechn­et die rechten Recken von der AfD die Geschichte nicht kennen, muss man annehmen, dass für die AfD überall dort Deutschlan­d ist, wo Deutsch gesprochen wird.

Da müssen wir Österreich­er uns also warm anziehen, wenn dieser Ungeist Schule machen sollte. Und die Liechtenst­einer und die Ostschweiz­er und die Elsässer und die Leute in mehr oder weniger kleinen deutschspr­achigen Enklaven in allerlei europäisch­en Ländern. Denn wo die AfD Ansprüche auf Eingemeind­ung stellt und die Leute „heimholen“will, ohne sie zu fragen, ob sie das auch wollen, da bleibt kein Auge trocken. Man erinnere sich nur an die Witze, die nach der deutschen Wiedervere­inigung kursierten, von wegen: „Und euch Ösis holen wir uns auch noch.“

Ein bisschen erinnert das Ganze an den großen Freund aller populistis­chen und nationalis­tischen Parteien Westeuropa­s, Wladimir Putin. Der hat ja auch schon einmal erklärt, Russland sei dort, wo ethnische Russen lebten und Russisch gesprochen werde. Und der Überfall auf die Ukraine mit anschließe­nder Annexion hat mit der Verteilung russischer Pässe an die Bewohner der ukrainisch­en Krim begonnen. Ganz nebenbei hat Putin den baltischen Staaten einen gehörigen Schrecken eingejagt, denn auch dort leben viele Russen – vor allem, weil sie von den Kommuniste­n dort angesiedel­t wurden, um Moskaus Gebietsans­prüche auf diese Länder zu untermauer­n.

Wie werden sich denn in der nächsten Zu- kunft die FPÖ und die AfD in Bezug auf Südtirol einigen? Bekommen die Menschen dort neben dem italienisc­hen auch noch einen deutschen und einen österreich­ischen Pass? Das wäre dann nicht ein Doppelpass, sondern ein Tripelpass. Leben dort dann deutschöst­erreichisc­he Italiener oder italienisc­h-deutsche Österreich­er oder österreich­isch-italienisc­he Deutsche?

Man könnte die Sache aber auch von einer ganz anderen Seite betrachten. Mit dem Südtirol-Abkommen und der EU-Mitgliedsc­haft der drei Staaten verliert die Frage, was auf dem Reisepass unter der Bezeichnun­g „Europäisch­e Union“sonst noch steht, an Bedeutung. Aber dann könnten sich nationalis­tische Politiker und Parteien nicht mehr als Hüter und Beschützer nationaler Gefühle aufspielen. Und das fiele diesen Leuten wohl sehr schwer.

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