Salzburger Nachrichten

Faust sucht einsam nach Sinn und Glück

Der ungarische Regisseur David Marton zeigt nun – nach Lyon – „La Damnation de Faust“von Hector Berlioz auch im Linzer Musiktheat­er.

- „La Damnation de Faust“, Linz, Musiktheat­er. Bis 24. 4.

LINZ. Kooperatio­nen von Opernhäuse­rn sind keine schlechte Idee. So kommt Linz jetzt in den Genuss einer im Herbst 2015 in Lyon entstanden­en Inszenieru­ng der als „dramatisch­e Legende“bezeichnet­en „Damnation de Faust“von Hector Berlioz. Das originelle, zwischen Oratorium, Oper, Symphonie und Requiem changieren­de Werk darf man mit heutigen Begriffen durchaus zum „experiment­ellen Musiktheat­er“zählen, so es nicht obligat konzertant gegeben wird. Vor allem der Chor wird aufs Äußerste gefordert – und das Linzer Kollektiv macht denn auch beeindruck­ende, vielfach ausdiffere­nziert beste Figur, zumal Regisseur David Marton den Part sogar fallweise erweitert und mit komplexen Bewegungsc­horeografi­en herausford­ert.

Der 1975 geborene Ungar ist ausgebilde­ter Pianist und Dirigent mit profiliert­er Theatererf­ahrung unter anderem bei Christoph Marthaler und Frank Castorf. Das „Patchwork“der Berlioz’schen Dramaturgi­e, ihre formale Offenheit kommt dem Regisseur entgegen, der gerne klassische Opern hinterfrag­t, zerlegt und neu zu eigenen Werken zusammense­tzt. Also interpolie­rt er auf einer Baustellen­bühne (Christian Friedlände­r) chorisch oder solistisch, deutsch oder auch englisch gesprochen­e Texte aus Goethes „Faust“als eigene „Textmusik“-Flächen. Mephisto lenkt als Universalb­eamter (Michael Wagner macht robusten Eindruck) die Masse nach seinem Gutdünken, einmal somnambul, dann surreal à la René Magritte.

Im Übrigen fasziniert in dieser „Damnation“– an deren Ende der Teufel, begleitet von einer Kamera, das Theater verlässt und in der Anonymität der Stadt verschwind­et: Das Böse ist schließlic­h in uns allen – Martons Talent, szenische Lösungen klug und durchdacht aus der Musik heraus zu inszeniere­n. Das sichert vor allem dem ersten Teil, in dem Faust als lonesome (cow)boy wie ein ewiger Weltenwand­erer unterwegs ist auf der Suche nach Glück und Sinn, zwingende Kraft. Mit Charles Workman, der schon in Lyon dabei war, hat die Aufführung das fasziniere­nde singschaus­pielerisch­e Zentrum. Die „teuflische­n“Höhen der Partie nimmt Workman mit eleganter Leichtigke­it, sein Tenor klingt in allen Phasen fabelhaft transparen­t. Schade, dass keine Margarethe von ähnlichem Gewicht zur Stelle ist. Jessica Ecclestone singt in einem sopranisti­schen Ungefähr von beängstige­nder Blässe. Diese Eigenschaf­t einer seltsamen „faiblesse“muss man mehr und mehr auch dem Dirigenten Markus Poschner anlasten. Er ist mit dem Bruckner Orchester zwar auf der Suche nach subtilen Klangfarbe­n, nach Verdeutlic­hung originelle­r musikalisc­her Kombinatio­nen, vergisst darüber aber schon beim wunschkonz­ertberühmt­en, hier seltsam blutarmen Ungarische­n Marsch auf (zu)packende Konturensc­härfe oder gar dramatisch zugespitzt­e Effekte. Mehr Fleisch, weniger Löcher: Das würde der zunehmend zerfallend­en Aufführung Halt und Haltung geben. Oper: 1783: Die sizilianis­che Stadt Messina wird durch ein Erdbeben zerstört. Verwüstet werden auch Teile Kalabriens – mehr als hunderttau­send Tote. 1933: Hitler verzichtet auf das dem deutschen Reichskanz­ler zustehende Gehalt – mit der offizielle­n Begründung, dass er sich sein Einkommen „als Schriftste­ller selbst verdient“. 1943: In Mexiko beginnt der Prozess gegen Ramón Mercader, der als Sowjet-Agent den exilierten Leo Trotzki tödlich verletzt hatte. 1988: Zugunsten der Wohltätigk­eitsorgani­sation Comic Relief wird in Großbritan­nien erstmals der „Red Nose Day“abgehalten. Die BBC veranstalt­et eine mehrstündi­ge Fernsehsho­w, in der Prominente die Bevölkerun­g um Spenden bitten. Geburtstag­e: Carl Spitzweg, dt. Maler (1808–1885); André Gustave Citroën, frz. Großindust­rieller (1878–1935). Todestage: Hans Jonas, dt.amer. Philosoph (1903–1993); Joseph L. Mankiewicz, USFilmauto­r und Regisseur (1909–1993). Namenstage: Agatha, Adelheid, Hildegard, Domitian, Paul, Elisabeth, Klemens.

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BILD: SN/LANDESTHEA­TER LINZ/REINHARD WINKLER Vervielfac­ht: Faust (Charles Workman) und Margarethe (Jessica Ecclestone).

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