Wird Kohleabbau angeheizt?
Strengere Richtlinien, um die Emissionen zu reduzieren und die Erderwärmung zu stoppen, könnten genau das Gegenteil bewirken. Und unsere Welt gerade deshalb wärmer machen.
POTSDAM. Eine rasche und strenge Umsetzung des Pariser Klima-Abkommens von 2015 könnte völlig gegensätzliche Reaktionen bei Investoren und Eignern fossiler Brennstoffe wie etwa Kohle auslösen. Klimaforscher befürchten, dass engagierte politische Maßnahmen zur Reduktion von Kohlendioxid ein sogenanntes „grünes Paradoxon“auslösen und somit die Emissionen von Luftschadstoffen in die Höhe treiben. Zumindest vorübergehend.
Die paradoxe Geschichte geht so: Die Eigner fossiler Brennstoffe beschleunigen deren Ausbeutung, um noch maximale Profite zu erzielen, bevor die neuen, strengen Regeln greifen. Andererseits könnten aber Investoren ihr Geld aus der Kohleindustrie abziehen, um einem Wertverlust ihrer Investitionen zuvorzukommen.
Dieses Abziehen und Umschichten von Kapital findet als sogenanntes Divestment (das Gegenteil von Investment) bereits heute statt. Berühmtes Beispiel ist die Familie Rockefeller. John D. Rockefeller baute mit Erdöl ein sagenhaftes Vermögen auf. Seine Erben sagten sich 2014 von fossilen Brennstoffen los. Die Familie zieht sämtliche Gelder aus Konzernen ab, deren Geschäftsmodell das Klima zerstört. Andere Reiche ziehen mit, es geht um 50 Milliarden Dollar.
In einer Studie wurden jetzt die beiden Effekte, die bis jetzt nur unabhängig voneinander diskutiert wurden, erstmals gemeinsam untersucht. Berechnungen der Potsdamer Klimaforscher zufolge dürften die Divestments häufiger sein, also das Abziehen von Geldern aus dieser Industrie, als das „grüne Paradoxon“, also das Ausbeuten fossiler Brennstoffe. Allerdings nur, wenn ein entsprechender CO2-Preis von der Politik glaubhaft angekündigt wird. Ein CO2-Preis, auch Kohlenstoffpreis genannt, ist ein Preis, der für Emissionen von Kohlenstoffdioxid gezahlt werden muss.
Das Team von Energie-Ökonomen fand heraus, dass letztlich die Emission von Kohlendioxid, dem Hauptverursacher der Erderwärmung, verringert werde.
„Nur eine starke zukünftige Klimapolitik kann Emissionen reduzieren, ehe sie in Kraft tritt. Aber nur dann, wenn sie glaubwürdig angekündigt wird“, sagt Nico Bauer vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK). Das Pariser Klima-Abkommen wirke langfristig. Denn fast 200 Länder vereinbarten die Begrenzung des weltweiten Temperaturanstiegs auf deutlich unter zwei Grad im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter. Das würde aber bedingen, Treibhausgase nicht nur ein wenig, sondern erheblich zu reduzieren. Weltweit.
„Unsere Studie zeigt, dass Investoren bereits zehn Jahre vor der Einführung eines CO2-Preises beginnen, ihr Geld aus der Kohleindustrie abzuziehen“, sagt Bauer.
Wenn den Investoren bewusst werde, dass die Klimapolitik den Zeitraum verkürzt, in dem mit Kohlekraftwerken noch richtig Geld verdient werden kann, würden sie sich scheuen, überhaupt noch in Kohle zu investieren.
Und voilà: Sobald die Investoren ihr Geld aus der Kohleindustrie abziehen, können die KohlendioxidEmissionen um bis zu 20 Prozent sinken, und zwar noch bevor der CO2-Preis eingeführt wird. Die Stärke des Effekts hängt maßgeblich von der Höhe des Preises ab, der für Emissionen bezahlt werden muss. Entscheidend dabei ist aber, dass politische Entscheidungsträger sich mehrere Jahre im Voraus auf die Einführung wirksamer Klimaschutzmaßnahmen festlegen. Und das müsste schnell geschehen.