Gasteiner WM 1958: Der Auftritt der Wachsspezialisten
In der heutigen und in der nächsten Schatztruhe wollen wir uns mit den ersten Skiweltmeisterschaften, die in Österreich ausgetragen wurden, beschäftigen: Mit jenen der Alpinen in den ersten Februartagen 1958.
Die erste Überraschung gab es unmittelbar vor der Eröffnungsfeier: Die Delegationsleiter der deutschen Teams (BRD und DDR) einigten sich auf dem Bahnhofsvorplatz vor dem Abmarsch zum Festplatz, mit einer deutschen Fahne und der Tafelaufschrift „Deutschland“aufzutreten, das war vor 60 Jahren keine Selbstverständlichkeit. Überraschung Nummer 2: Die FIS hatte zwar neue Torlaufstangen aus Hohlglas, die sich wie Angelruten bogen, zugelassen, setzte sie aber nicht ein – viele Läufer hätten damit noch keine Erfahrung, hieß es. Überraschung Nummer 3: Zum Auftakt, dem Slalom der Herren, kamen 35.000 Zuschauer, damit hatte man nicht gerechnet.
Auf dem neuen Slalomhang oberhalb des Hotels Schillerhof feierten Josl Rieder und Toni Sailer einen Doppelsieg; Rieder fing den nach dem ersten Lauf führenden Japaner Chiharu Igaya noch ab, auch Sailer schob sich noch vorbei. Für die lange Pause zwischen den Durchgängen hatten die Organisatoren eine bunte Komikertruppe mit u. a. Theo Lingen und Georg Thomalla aufgeboten.
Auch wenn die Nacht für die heimischen Asse kurz war, so drückten sie tags darauf den ÖSV-Damen im Slalom die Daumen. Den ersten Kurs hatte der für die WM nicht berücksichtigte Saalfeldener Ernst Oberaigner gesteckt; er war zum Zug gekommen, weil zuvor beim ÖSV das Chaos ausgebrochen war: Damentrainer Fritz Huber trat zurück, abgelöst wurde er von Walter Schuster, der den Slalomkurs eigentlich ausflaggen sollte, als Trainer musste er diese Arbeit weitergeben – eben an Oberaigner, der noch kein Coach war, weil er noch im Kader stand. Chaos auch vor dem Slalom: Die Betreuer hatten die Startnummern im Hotel vergessen, sie waren offenbar zu sehr mit Streiten beschäftigt.
Im ersten Durchgang konnte nur „Putzi“Frandl aus Radstadt mithalten, doch auch sie verlor auf einigen Flachstücken. Das sahen die ÖSV-Herren im Ziel, stürmten in der Pause zum Start, Sailer und Co. trugen auf den Bretteln der Damen neues Wachs auf, Josl Rieder arbeitete derart mit dem Bügeleisen, dass er sich fast die Finger verbrannte. Es half: Frandl hielt mit und holte hinter der siegreichen Norwegerin Inger Bjørnbakken die Silbermedaille, ihre zweite nach Olympia 1956. Auch als Fünfte in der Abfahrt und Dritte in der Kombination war Frandl beste ÖSV-Läuferin.