Salzburger Nachrichten

Falcos Todestag: Dichtung und ein großes Erbe

Haben seine Songtexte eine literarisc­he Qualität? Darüber gehen die Meinungen auch 20 Jahre nach Falcos Tod auseinande­r.

- BILD: SN/APA

Ob er denn sterben musste, um zu leben, wie Falco selbst in einem seiner Songtexte fragte, ist schwer zu beantworte­n. Hans Hölzel jedenfalls war als Falco auch schon zu Lebzeiten ein Superstar, um den sich viele rissen. Zu seinem 20. Todestag, Falco verunglück­te am 6. Februar 1998 bei einem Verkehrsun­fall in der Dominikani­schen Republik, läuft das Geschäft mit seinem Erbe wieder auf Hochtouren. Auf bisweilen bizarren Wegen wird Kapital geschlagen aus einer unwiderste­hlichen, österreich­ischen Poplegende.

WIEN, GRAZ. Was für Wolfgang Amadeus Mozart galt, hat wohl auch für Johann „Hans“Hölzel alias Falco, dessen Todestag sich heute, Dienstag, zum 20. Mal jährt, seine Gültigkeit: „Er war Superstar / Er war populär / Er war so exaltiert / Because er hatte Flair“. Diese Textzeilen aus Falcos Welthit „Amadeus“mögen eine autobiogra­fische Anspielung sein, in jedem Fall sind sie auch Beleg für einen spielerisc­hkreativen Umgang mit dem Genre Liedtext. Knappe, eingängige Botschafte­n, ein Mix aus verschiede­nen Sprachen, fallweise auch eine „Lust an Wortneusch­öpfungen“, wie es einst Christian Ide Hintze (1953–2012), der Gründer der Wiener Schule für Dichtung formuliert hat. Hat Falco, der Hitparaden­stürmer und Popstar, also auch eine literarisc­he Relevanz?

Falco habe eine Sprache gefunden, die weltweit verstanden werde, betonte Hintze in Hinblick auf dessen weltweite Verkaufser­folge. „Ein Phänomen, das es in der Literatur, die Welterfolg­e vor allem als Ergebnis von Übersetzun­gen kennt, nicht gibt“, schrieb Hintze im 2009 erschienen­en Buch „Falco – Lyrics complete“. Neun Jahre später ist Fritz Ostermayer, Hintzes Nachfolger in der Schule für Dichtung, um Differenzi­erung bemüht. „Es gab zwischen Christian Ide Hintze und Falco sicher eine gegenseiti­ge Befruchtun­gsschiene: Der eine wollte nicht nur Dichter, sondern auch Popstar sein, dem Sänger wiederum war die Aura, literarisc­he Qualitäten zu besitzen, ganz und gar nicht unrecht“, sagt der Journalist, Autor und Musiker. Für ihn, Ostermayer, sei Falco ein „sehr guter SloganAuto­r“gewesen, einer, der auch als Werbetexte­r vermutlich eine große Karriere hätte machen können. Seine literarisc­hen Qualitäten seien aber „immer schon überschätz­t“worden.

„Er hat zeitgeisti­ge Begriffe gut mit einer PR-Sprache und Elementen aus der New-Wave-Kultur vermixt“, betont Ostermayer, der grundsätzl­ich keinen Unterschie­d zwischen Pop und Literatur – siehe auch die Literatur-Nobelpreis-Verleihung an Bob Dylan – machen möchte. Es gehe nicht um Hoch-, Kommerz- oder Subkultur, sondern einzig und allein um die Qualität der Texte.

„Der Bube fragt den König: ,Ey, Baby, do you wanna dance?‘ Sie machen history, denn sie sind scharf wie nie, the first pre-elected Rock-’n’-Roll-Band“, heißt es im Falco-Song „The Sound of Musik“. Auch hier: Deutsche und englische Sprache eng ineinander verzahnt, schrille, populäre Bilder, die durchaus Platz für Interpreta­tionen lassen. Christian Ide Hintze, der einst Workshops und Lehrverans­taltungen von, mit und über Falco veranstalt­et hat, erkannte einen „Mix aus Schreib-, Sprech-, Sing- und Intonation­sweisen“sowie ein Idiom, für das „Bezeichnun­gen wie ,Manhattan Schönbrunn­erdeutsch‘, ,Austro-Denglish‘ oder ,Word Rap‘ im Umlauf sind“. Vom Sprachwiss­enschafter Peter Ernst stammt der Begriff „Falconisch“.

Fritz Ostermayer, der auf den Einfluss des mit pointierte­r Dialektspr­ache hantierend­en Duos Attwenger auf Falco hinweist, hält es für offensicht­lich, dass die österreich­ische Band Bilderbuch Anleihen bei der Textproduk­tion des Falken genommen hat. „Nicht nur da, auch bei Falcos schlechtem Kleidungss­til“, sagt Ostermayer. Das Alltags- wie Bühnengewa­nd des Popstars sei vermutlich von den Seefestspi­elen Mörbisch inspiriert gewesen: „Falco war Harald Serafin um einiges näher als Brian Ferry.“Er, Ostermayer, schätze musikalisc­h vor allem den späteren Falco, also jenen, der sich in „bombastisc­he Schlagerab­enteuer“, aufbereite­t vom niederländ­ischen Produzente­nduo Rob und Ferdi Bolland, gestürzt habe. Und dafür von manchen zu Unrecht belächelt worden sei. „Das waren schöne, kitschige Balladen im Stil eines Drafi Deutscher.“Absoluter Songfavori­t beim Leiter der Schule für Dichtung? „Jeanny. Eine Kitschorgi­e der Extraklass­e, das Lied ist nur vermeintli­ch cool.“

Der letzte aufgeliste­te Song in „Falco – Lyrics Complete“stammt von Falco und Christian Ide Hintze. Er heißt „Ein Tag“, stammt aus dem Jahr 2002 und ist auch als Hommage an Ernst Jandl zu sehen. „Sei das ein Heutetag, sei das ein Scheißetag / Sei das ein Heutetag, sei das ein Tag / Sei das ein Heutetag, sei das ein Scheißetag / Sei das ein Heutetag, sei das ein Scheiß“, heißt es darin. Für den Co-Autor war der Popsänger ein „Dichter des Papiers und der Feder ebenso wie ein Dichter des Mundes, des Lautsprech­ers und des Mischpults.“

Ausstellun­g: Let’s deca-dance, Falco am Bezirksger­icht Meidling, bis Ende Juni.

„Falco war Harald Serafin um einiges näher als Brian Ferry.“Fritz Ostermayer, Journalist, Autor

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BILD: SN/APA Österreich­s größter Popstar: Hans Hölzel alias Falco (1957–1998).

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