Immer möchte einer den anderen ändern
Oft spiegelt der Partner genau das, was man selbst nicht zu leben wagt. Wann werden Beziehungsprobleme zur Krankheit?
Männer möchten ihre Frauen ändern, Frauen ihre Männer. Aber genau das funktioniere nicht, sagt eine deutsche Ärztin. Was uns am anderen ärgere, habe immer auch viel mit uns selbst zu tun.
Die Ärztin Beate Strittmatter ist überzeugt, dass Symptome wie Rückenschmerzen oder Migräne häufig auf Beziehungsprobleme hindeuten – und rät dazu, auch die eigene Aggression zu leben. SN: Sie sind über Akupunktur und Schmerztherapie auf den Zusammenhang von Beziehungskrisen und Krankheiten gestoßen. Was können wir vorbeugend daraus lernen? Strittmatter: Die entscheidende Frage, die sich mir gestellt hat, war die: Wo verliert ein Mensch Energie? In dem Moment, wo Ihr Energiefass unten Löcher hat, können Sie oben so viel an Massage, an Akupunktur oder anderen Methoden hineinschütten, es hilft nicht.
Daher konfrontiere ich meine Patientinnen und Patienten mit einer Zauberfrage: Wenn Geld, Zeit, Raum und Möglichkeiten keine Rolle spielten und alle es gut fänden, was Sie auswählen, was würden Sie auswählen? In der Regel wissen die Menschen das sofort. Viele sagen dann, meine Beziehung sollte anders sein, oder meine Arbeit – und in beiden Bereichen ist das Thema Beziehung angesprochen.
Eine Frau hat auf die Frage, was sie ändern möchte, spontan geantwortet: meinen Mann. Den anderen ändern zu wollen hängt aber oft mit mir selbst zusammen. Wenn ich die Anteile, die ich selbst nicht lebe, beim anderen entdecke, dann bin ich wütend darüber. Denn genau daran erkenne ich, was mir am meisten fehlt – weil es mir von der Erziehung her verboten war oder weil ich es für ethisch verwerflich gehalten habe oder was immer. SN: Der Partner, die Partnerin spiegelt meinen Schatten und zeigt, was in mir steckt? Ja, zum Beispiel die positive Aggression, die ich mir selbst nicht zugestehe. Ich bin das liebe Mädchen, damit mich alle gern haben – und treffe ich am Arbeitsplatz auf einen Vorgesetzten, der böse zu mir ist. SN: Wie kann ich damit konstruktiv umgehen? Ich muss zunächst einmal genau darauf hinschauen und mir dann – das ist allerdings der herausfordernde Schritt – eingestehen, dass diese Aggression, die mich trifft, mein eigenes Thema ist: Lebt der andere etwas, was ich selbst auch leben sollte, wiederholt sich hier für mich eine Geschichte von früher oder ziehe ich aus dieser Situation vielleicht sogar einen Vorteil?
Das Wichtigste ist also, die ganze Situation auf mich selbst zu beziehen: Ich ärgere mich, es trifft mich, es muss demnach etwas sein, was unmittelbar mit mir zu tun hat. Wer das macht, ist den halben Weg schon gegangen. Ich habe das Lasso, das ich soeben auf den anderen werfen wollte, zu mir zurückgeholt. Das bringt mich selbst ins Handeln.
„Wie wäre es, wenn du den dir zustehenden Raum einnimmst?“Beate Strittmatter, Ärztin
SN: Gibt es ein Beispiel aus Ihrer persönlichen Erfahrung? Ich fahre mit meinem Mann entsprechend vorsichtig durch die Fußgängerzone, und da quert ein junger Handy-Zombie den Weg und läuft direkt vor das Auto. Mein Mann regt sich auf, es fallen ihm alle möglichen Schimpfwörter ein für diese Gattung junger Leute. Als er damit fertig ist, sage ich: Ich bin nur deine Ehefrau, aber wäre es vielleicht wert hinzuschauen, ob dieser junge Mann etwas hat, was du dir nicht erlaubst? Und mein Mann sagte: Ja, der nimmt sich Raum, schaut nicht auf andere, und ich bin immer gegenüber allen zuvorkommend. Da war es also, das Thema meines Mannes: der Nette, der nicht so frech über die Straße geht. SN: Was ist gut an Aggression? Die positive Aggression ist uns mitgegeben als Kraft, um ins Werden zu kommen, um uns auf jemanden oder auf etwas zuzubewegen. Es ist die Kraft, die den Krokus dazu treibt, im Frühjahr durch den Schnee zu brechen. Der Krokus fragt nicht, soll ich das, darf ich das, was sagen die anderen? Solche Gedanken machen sich nur Menschen. Der Krokus hat seine Aufgabe im Gepäck und bricht im Frühjahr durch den Schnee.
Bei manchen Menschen ist der Aggressionspunkt am Ohr nicht überschießend, sondern im Mangel. Dann setzt ein Mensch seine Lebenskraft nicht um. Die Assistentin, die sich für zwei Chefs zerreißt und zu allen Studierenden nett ist, kommt zu mir wegen Erschöpfung. Warum macht sie das? Weil sie Angst hat, dass die anderen sie nicht mehr lieb haben könnten. Sie bietet ihnen einen Vertrag mit einseitiger Unterschrift an: Wenn ich nett bin zu euch, seid ihr auch nett zu mir. Die anderen haben diesen Vertrag aber nicht unterschrieben.
Wer nicht ins Werden kommt, der schließt Kräfte in seinem Körper ein. Er sucht sich dann einen Partner, der das umsetzt – und reibt sich gleichzeitig an ihnen. SN: Mich regt es immer auf, wenn mir einer im Kreisverkehr den Vorrang nimmt. Wenn er dann auch noch einen protzigen SUV fährt … (lacht) Mit anderen Worten, der andere hat die stärkeren Argumente, weil er das dickere Auto fährt, und er demonstriert vielleicht auch noch den Klassenunterschied. Und Sie, der Sie immer nett sind, bekommen volle Kanne demonstriert: Pass auf, Junge, wie wäre es denn, wenn du selbst endlich einmal den dir zustehenden Raum einnimmst! Mit Frauen habe ich das Thema oft. Ich sage ihnen, gehen Sie in die Arbeit und ziehen Sie im Geiste einen breiten Reifrock an. Stellen Sie sich vor, die anderen können nur so weit an Sie heran, wie es dieser Reifrock erlaubt. Nehmen Sie Ihren Platz ein!
Ich habe bei übergewichtigen Menschen festgestellt, dass sie nicht abnehmen können, wenn da ein Lebensthema dahintersteckt. Die Seele sagt: Pass mal auf, du nimmst deinen Platz nicht ein, das machen wir jetzt für dich durch deinen Körperumfang. Oder das Thema kann sein, dass ein übergewichtiger Mensch gern ein wenig gewichtiger wäre in seinem Auftreten, seiner Position. Ein Computerexperte, groß und 130 Kilogramm, hat mir auf die Frage, ob er nicht abnehmen möchte, gesagt: Wissen Sie, wenn ich durch die Tür komme, dann geht mir schon mein Schatten voraus und die Leute schauen auf. SN: Bei welchen anderen Symptomen denken Sie an Beziehungsprobleme? Bei Rückenschmerzen schaue ich mir immer an, ob jemand blockiert ist. Ich frage dann auch in der Anamnese, wie es zu Hause gehe. Meistens sagen die Leute dazu am Anfang nichts. Aber bei Rückenschmerzen, Kopfschmerzen oder chronischer Erschöpfung, aber auch bei Allergien oder Hautausschlägen – „was ich nicht sage, sagt meine Haut“– stellt sich die Frage unbedingt. Oder bei Migräne; da hämmert einer im Kopf und bringt zum Ausdruck, was wir selbst nicht ausdrücken. Eine junge Frau hat allerdings auf die Frage, ob die Migräne eine Funktion für sie habe, sehr direkt gesagt: Wenn ich Migräne habe, muss meine Schwiegermutter die Kinder nehmen. Die kann dann gar nicht anders. Zu einem Symptom gehört also immer auch die Frage: Was habe ich davon?
Meine zwei Botschaften sind: Wenn dich etwas aufregt, schau hin, was dein Thema dabei ist. Und wenn du den anderen verändern möchtest, dann ändere etwas bei dir. Du hast die Schaltknöpfe dafür.