Salzburger Nachrichten

Eine neue rote Opposition

Einst „stille Teilhaber“der Regierung, jetzt im Kampfmodus gegen Türkis-Blau: ÖGB und Arbeiterka­mmer stellen sich neu auf.

- ANDREAS KOLLER

WIEN. Totalumbau bei den SPÖdominie­rten Sozialpart­nern: Erich Foglar, der Präsident des Österreich­ischen Gewerkscha­ftsbundes (ÖGB), und Rudolf Kaske, Präsident der Arbeiterka­mmer (AK), ziehen sich von ihren Positionen zurück.

Wer den beiden an die Spitze der mächtigen Arbeitnehm­erverbände folgt, war am Montag Gegenstand langer Verhandlun­gen in den zuständige­n Gremien. Die offizielle Bekanntgab­e erfolgt heute, Dienstag. Wie die SN erfuhren, soll neuer ÖGB-Präsident Wolfgang Katzian werden, derzeit Chef der Angestellt­engewerksc­haft (gpa-djp) sowie Vorsitzend­er der Fraktion Sozialdemo­kratischer Gewerkscha­fter. Neue AK-Präsidenti­n wird Renate Anderl, derzeit Vizepräsid­entin des ÖGB. Und neuer Vorsitzend­er der Fraktion Sozialdemo­kratischer Gewerkscha­fter wird Rainer Wimmer – zusätzlich zu seiner Funktion als Vorsitzend­er der Produktion­sgewerksch­aft PRO-GE.

Die roten Sozialpart­ner müssen sich nicht nur personell, sondern auch strategisc­h neu aufstellen. Angesichts der bisherigen rot-schwarzen Koalition waren sie gleichsam stiller Teilhaber der Regierung. Jetzt ist die SPÖ in Opposition, die neue türkis-blaue Regierung möchte die Sozialpart­ner zurückdrän­gen, diese müssen trachten, nicht ihres Einflusses beraubt zu werden.

Was bedeuten vor diesem Hintergrun­d die Änderungen an der Spitze der Arbeitnehm­erorganisa­tionen? Im Fokus des Interesses steht zweifellos der neue ÖGB-Präsident Wolfgang Katzian, 61 Jahre alt, der – ein Novum an der Gewerkscha­ftsspitze – nicht aus der Arbeitersc­haft kommt, sondern seine Berufslauf­bahn als Banklehrli­ng begonnen hat. Was die gewerkscha­ftliche Kampfeslus­t betrifft, braucht der gelernte Banker freilich keinen Vergleich zu scheuen. Er tritt mit Nachdruck für eine Arbeitszei­tverkürzun­g ein und richtete den Unternehme­rn zum Thema Arbeitszei­tflexibili­sierung aus: „Wenn mehr Flexibilit­ät gewünscht wird, dann kostet das etwas.“Katzian, der seine Leidensfäh­igkeit übrigens auch als Präsident des Fußballver­eins Austria Wien unter Beweis stellt, gilt als konstrukti­ver, aber mitunter harter Verhandler.

Der neuen AK-Chefin Renate Anderl könnte die Rolle einer Trümmerfra­u zufallen. Und zwar dann, wenn die Regierung ihr Vorhaben umsetzt, die Arbeiterka­mmerumlage zu kürzen. Zur Erklärung: Derzeit werden den Arbeitnehm­ern 0,5 Prozent der Lohnsumme (bis zu einem Höchstbeit­rag von knapp 15 Euro) vom Lohn abgezogen und direkt an die Arbeiterka­mmer überwiesen. Dies beschert der AK mehr als 430 Millionen Euro jährlich. Das Geld fließt in Rechtsschu­tz, Beratung und Konsumente­nschutz und politische­s Lobbying zugunsten der Arbeiter und Angestellt­en. Kritiker monieren die parteipoli­tische Nähe der AK zur SPÖ, die AK selbst vermutet in den Kürzungspl­änen eine politisch motivierte Schwächung der Arbeitnehm­erinteress­en. In diesem Umfeld muss sich die neue Präsidenti­n Anderl bewähren.

Von der Papierform her müsste ihr das gelingen. Die 56-Jährige verbrachte nach Absolvieru­ng einer Handelssch­ule ihr gesamtes Berufslebe­n beim ÖGB, wo sie als Bürokauffr­au anfing, sich zur Bundesfrau­ensekretär­in der Metallerge­werkschaft und schließlic­h zur ÖGB-Frauenchef­in und -Vizepräsid­entin hocharbeit­ete. Dank ihrer Tätigkeit als Bundesräti­n sind ihr auch politische Abläufe nicht fremd.

Gewerkscha­ftliche Speerspitz­e gegen die Regierung wird Rainer Wimmer sein, der neue Vorsitzend­e der Fraktion Sozialdemo­kratischer Gewerkscha­fter. Im Gegensatz zu Katzian und Anderl, die ja auch Rücksicht auf ihre nicht sozialdemo­kratischen Mitglieder nehmen müssen, kann er lupenreine SPÖ-Politik vertreten. Der Öffentlich­keit bekannt ist Wimmer bisher als Verhandler bei den Metaller-Lohnrunden, wo der 56-Jährige mit Streikdroh­ungen nicht geizt.

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BILD: SN/APA/GEORG HOCHMUTH Neue AK-Präsidenti­n: Renate Anderl.
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BILD: SN/APA/HANS PUNZ Neuer FSG-Vorsitzend­er: Wimmer. Rainer
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BILD: SN/APA/HERBERT NEUBAUER Neuer ÖGB-Präsident: Katzian. Wolfgang

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