Eine neue rote Opposition
Einst „stille Teilhaber“der Regierung, jetzt im Kampfmodus gegen Türkis-Blau: ÖGB und Arbeiterkammer stellen sich neu auf.
WIEN. Totalumbau bei den SPÖdominierten Sozialpartnern: Erich Foglar, der Präsident des Österreichischen Gewerkschaftsbundes (ÖGB), und Rudolf Kaske, Präsident der Arbeiterkammer (AK), ziehen sich von ihren Positionen zurück.
Wer den beiden an die Spitze der mächtigen Arbeitnehmerverbände folgt, war am Montag Gegenstand langer Verhandlungen in den zuständigen Gremien. Die offizielle Bekanntgabe erfolgt heute, Dienstag. Wie die SN erfuhren, soll neuer ÖGB-Präsident Wolfgang Katzian werden, derzeit Chef der Angestelltengewerkschaft (gpa-djp) sowie Vorsitzender der Fraktion Sozialdemokratischer Gewerkschafter. Neue AK-Präsidentin wird Renate Anderl, derzeit Vizepräsidentin des ÖGB. Und neuer Vorsitzender der Fraktion Sozialdemokratischer Gewerkschafter wird Rainer Wimmer – zusätzlich zu seiner Funktion als Vorsitzender der Produktionsgewerkschaft PRO-GE.
Die roten Sozialpartner müssen sich nicht nur personell, sondern auch strategisch neu aufstellen. Angesichts der bisherigen rot-schwarzen Koalition waren sie gleichsam stiller Teilhaber der Regierung. Jetzt ist die SPÖ in Opposition, die neue türkis-blaue Regierung möchte die Sozialpartner zurückdrängen, diese müssen trachten, nicht ihres Einflusses beraubt zu werden.
Was bedeuten vor diesem Hintergrund die Änderungen an der Spitze der Arbeitnehmerorganisationen? Im Fokus des Interesses steht zweifellos der neue ÖGB-Präsident Wolfgang Katzian, 61 Jahre alt, der – ein Novum an der Gewerkschaftsspitze – nicht aus der Arbeiterschaft kommt, sondern seine Berufslaufbahn als Banklehrling begonnen hat. Was die gewerkschaftliche Kampfeslust betrifft, braucht der gelernte Banker freilich keinen Vergleich zu scheuen. Er tritt mit Nachdruck für eine Arbeitszeitverkürzung ein und richtete den Unternehmern zum Thema Arbeitszeitflexibilisierung aus: „Wenn mehr Flexibilität gewünscht wird, dann kostet das etwas.“Katzian, der seine Leidensfähigkeit übrigens auch als Präsident des Fußballvereins Austria Wien unter Beweis stellt, gilt als konstruktiver, aber mitunter harter Verhandler.
Der neuen AK-Chefin Renate Anderl könnte die Rolle einer Trümmerfrau zufallen. Und zwar dann, wenn die Regierung ihr Vorhaben umsetzt, die Arbeiterkammerumlage zu kürzen. Zur Erklärung: Derzeit werden den Arbeitnehmern 0,5 Prozent der Lohnsumme (bis zu einem Höchstbeitrag von knapp 15 Euro) vom Lohn abgezogen und direkt an die Arbeiterkammer überwiesen. Dies beschert der AK mehr als 430 Millionen Euro jährlich. Das Geld fließt in Rechtsschutz, Beratung und Konsumentenschutz und politisches Lobbying zugunsten der Arbeiter und Angestellten. Kritiker monieren die parteipolitische Nähe der AK zur SPÖ, die AK selbst vermutet in den Kürzungsplänen eine politisch motivierte Schwächung der Arbeitnehmerinteressen. In diesem Umfeld muss sich die neue Präsidentin Anderl bewähren.
Von der Papierform her müsste ihr das gelingen. Die 56-Jährige verbrachte nach Absolvierung einer Handelsschule ihr gesamtes Berufsleben beim ÖGB, wo sie als Bürokauffrau anfing, sich zur Bundesfrauensekretärin der Metallergewerkschaft und schließlich zur ÖGB-Frauenchefin und -Vizepräsidentin hocharbeitete. Dank ihrer Tätigkeit als Bundesrätin sind ihr auch politische Abläufe nicht fremd.
Gewerkschaftliche Speerspitze gegen die Regierung wird Rainer Wimmer sein, der neue Vorsitzende der Fraktion Sozialdemokratischer Gewerkschafter. Im Gegensatz zu Katzian und Anderl, die ja auch Rücksicht auf ihre nicht sozialdemokratischen Mitglieder nehmen müssen, kann er lupenreine SPÖ-Politik vertreten. Der Öffentlichkeit bekannt ist Wimmer bisher als Verhandler bei den Metaller-Lohnrunden, wo der 56-Jährige mit Streikdrohungen nicht geizt.