Anschlag gegen Migranten vergiftet Italiens Wahlkampf
Ein rassistischer Einzelgänger wollte in der Stadt Macerata Afrikaner treffen. Die Rechte instrumentalisiert die abscheuliche Tat sofort für die politische Auseinandersetzung.
Der Terrorakt eines durchgeknallten, in die Nationalflagge eingewickelten Pistolenhelden hat Italien erschreckt. Der Anschlag in der ruhigen Universitäts- und Provinzhauptstadt Macerata am Samstag ist nicht von ungefähr gekommen und war auch nicht das erste Attentat auf Migranten. Die politische Instrumentalisierung der Schwierigkeiten und Ängste um die massenhafte Einwanderung haben den rechtsextremen Sumpf belebt.
Die Tat eines rassistischen Einzelgängers hat den gegenwärtigen Wahlkampf noch mehr vergiftet – mit vorläufig gar nicht absehbaren Folgen.
„Es lebe Italien“und „Italien den Italienern“, mit diesen Sprüchen und zum faschistischen Gruß erhobener Hand hatte sich der 28-jährige gelernte Vermessungstechniker Luca Traini vor dem Kriegerdenkmal der mittelitalienischen Stadt nach vollbrachter Rachetat aufgestellt: 30 Schüsse auf Afrikaner, auf ein Parteibüro der sozialdemokratischen PD und auf von Migranten frequentierte Geschäfte. Sechs Personen wurden verletzt, drei nicht getroffen, und zwei machten sich davon, bevor die Polizei sie befragen konnte.
Der Täter, der auf der Schläfe eine germanische Rune hat, bereut nichts. Er wollte erklärtermaßen Schwarzafrikaner treffen, um den – noch ungeklärten – Tod der 18-jährigen Pamela Mastropietro zu rächen, die möglicherweise von einem Nigerianer ermordet worden ist. Der nicht vorbestrafte Luca Traini, in dessen Zimmer auch Hitlers „Mein Kampf“gefunden wurde, war aus dem Fitnessstudio eines Freundes ausgeschlossen worden, weil dieser die aggressiven, extremistischen Reden und die ständigen faschistischen Grüße nicht mehr ausgehalten hatte. Zwischen den Turngeräten soll sich Traini gerühmt haben, ein Borderline-Typ und in Behandlung bei einem Psychoanalytiker zu sein. Bei Kommunalwahlen hat er erfolglos für die immer weiter nach rechts gerutschte Lega kandidiert, für die der Kampf gegen die Immigration zentrales Anliegen geworden ist.
Matteo Salvini, Freund von Marine Le Pen und Chef der mutierten Lega, der nach der Wahl vom 4. März Regierungschef werden will, hat den Schützen von Macerata in Schutz genommen: „Die moralische Verantwortung für jede Gewalttat tragen jene, die Italien mit illegalen Einwanderern angefüllt haben.“Seine Koalitionspartnerin Giorgia Meloni sieht auch eine klare Verantwortung für die Tat des jungen Rassisten: „So ist Italien in der Hand der Linken heruntergekommen.“
Der Dritte im Mitte-rechts-Bündnis – Silvio Berlusconi, der sich sonst gern als Moderater und Garant für gemäßigte Politik präsentiert – leistete sich einen Rechtsschwenk: 600.000 Migranten in Italien seien „eine soziale Bombe, bereit zur Explosion, weil sie von Notbehelfen und Straftaten leben. Sie müssen schrittweise zurückgeschafft werden.“Diese aufwendige Aktion soll mithilfe der EU ins Werk gesetzt werden, wenn Italien, das derzeit nichts zähle, wieder eine „angesehene Regierung“habe.
Luigi Di Maio, Spitzenkandidat der Fünf-Sterne-Bewegung (M5S), die oft eine zwiespältige Haltung gegenüber Migranten an den Tag legt, verprellt weder seine rechtslastigen potenziellen Wähler noch das progressive Publikum. Angesichts der Bluttat von Macerata empfiehlt er Schweigen: „Instrumentalisieren wir das nicht.“Zu einer klaren Verurteilung aber kam sein Konkurrent Roberto Fico, Anführer der Hardliner bei den Cinque Stelle (M5S). Ein Teil der Linken hält sich zurück, eingedenk der Mahnungen von Staatspräsident Sergio Mattarella, kein Öl ins Feuer zu gießen. Dennoch weisen viele in den Mitte-links-Parteien auf die moralische Verantwortung der Lega von Matteo Salvini und die Schnittpunkte der Lega mit extremistischen Gruppen hin, die immer ungenierter auftreten.