Heimkommen in Disco, Dom und auf der Donauinsel
Falco ist seit 20 Jahren tot. Das Geschäft mit seiner Verehrung läuft lebendiger denn je.
SALZBURG, WIEN. Selbst im Stephansdom steht Falco auf dem Programm. Dompfarrer Toni Faber, bekannt aus diversen Society-Magazinen, hielt vergangene Woche „A Requiem for Falco“. Ein Vers aus dem Song „Out of the Dark“steht auf dem Plakat vor dem Dom: „Muss ich denn sterben, um zu leben.“Über diese Zeile lässt sich in einem Gottesdienst trefflich ein theologischer Diskurs entfachen. Der Satz kann aber jenseits aller Spiritualität ganz einfach mit „Ja“beantwortet werden – nämlich dann, wenn es um das Geschäft mit dem Werk Falcos geht.
Wahlweise gilt Falco in der rotweiß-roten Popgeschichtsschreibung als „größter“, „wichtigster“, „bedeutendster“Popstar des Landes. Gerne wird gesagt, er hätte den deutschsprachigen Rap erfunden. In jedem Fall war er der einzige österreichische Popstar, der es an die Spitze der US-Charts schaffte – mit „Rock me Amadeus“. Falco nutzte für diesen Hit geschickt den Herrn Mozart, einen weltweit unsterblichen Mythos und ewigen Verkaufsschlager im Land der Musik. Hinauf und hinunter zerlegt wurde der Mozart und immer wieder neu ins Schaufenster gestellt – auch Falco machte mit.
Dass es dem Popsänger nach seinem Tod ähnlich ergehen würde, ahnte keiner, als Falco Mitte der 80er-Jahre die Welt eroberte. Am 6. Februar 1998 starb der als Hans Hölzel geborene Falco. Sein Auto wurde auf der Dominikanischen Republik von einem Bus gerammt. Falco saß ordentlich zugedröhnt hinter dem Steuer.
Für den posthumen Umgang mit Werk und Leben von Falco und Mozart gilt ein Satz aus Falcos Song „Emotional“: „Was soll ich Dir noch sagen / Es ist doch alles schon gesagt.“Und trotzdem reden alle immer weiter. Aber wen stört das, wenn noch nicht alle was gesagt haben und wenn die alten Geschichten immer wieder ein bisschen neu ausgeschmückt werden können?
Es wurden über Falco Bücher geschrieben – die erste Biografie erschien wenige Monate nach seinem Tod. Es wurden Filme gedreht. Musicals entstanden. Tribute-Konzerte einstiger Mitmusiker sollten ein ohnehin strahlendes Erbe am Leben halten. Immer wieder neue Song-Compilations mit den immer wieder gleichen Songs wurden herausgegeben. Besonders gut läuft die Vermarktung dieses Erbes zu runden Jubiläums-Tagen.
Im vergangenen Jahr wäre Falco 60 Jahre alt geworden. Da begann eine massive Veröffentlichungskampagne. Unter dem Titel „Falco 60“gab es mehrere Versionen der gleichen Songs dazu Remixversionen oder Liveaufnahmen. Sogar eine Briefmarke gab es. Und eine Graphic Novel kam auch heraus.
Ein knappes Jahr später zum runden Todestag-Jubiläum ereignet sich Ähnliches. Im Fernsehen laufen alte und neue aufgemotzte Filme und Dokus. Ein Radiosender in Wien ruft zum Falco-Flashmob in ein Einkaufszentrum. In der Disco U4, einem bedeutenden (Auftritts-) Ort der Frühphase in der Karriere Falcos, wurde die DVD „Coming Home“gezeigt.
Da geht es um ein Tribute-Konzert, das im vergangenen Jahr auf der Wiener Donauinsel stattfand. Das Undergroundlokal U4 und die massenwirksame Donauinsel – beide sind Kultstätten der Falco-Verehrung. 1993 war Falco auf der Donauinsel aufgetreten – in der Falco-Gemeinde hat dieser Tag eine Bedeutung wie Bergpredigt und Auferstehung zusammen.
Unter Blitz und Donner musste das Konzert damals abgebrochen werden. Thomas Rabitsch, Falcos einstiger Bandleader, nahm sich vor, es zu „vollenden“. Und so schaut jetzt, zum Todestag-Jubiläum, der Sänger für die meist beworbene Neuheit am FalcoMarktstandl sogar selbst von der Leinwand herunter.
Seine Songs wurden bei diesem „Coming Home“-Konzert interpretiert von einer kunterbunten Schar Mittelmäßiger. Beworben wird die Veröffentlichung mit Sätzen wie „ein absolutes Highlight in der Geschichte von Europas größtem Open Air Festival“– als sei der Verehrte noch einmal auferstanden für die Bühne. Er ist aber nur ein Bild auf einer Leinwand. Außen steht Falco drauf und drinnen wird er zum virtuellen Duettpartner degradiert.
Das erinnert an einen Dialog zwischen einem Touristen und einem Würstlstandler, den Falco einst in seinen Song „Amerika“einbaute: „I would like to have that wonderful Wiener Schnitzel.“– „Geh gib eam 10 Deka Polnische in an Wachauer.“- „Yeah, that’s really great!“In der Verwurstungskette kommt es nicht so sehr darauf an, was drin ist, sondern was draufsteht.