Salzburger Nachrichten

Es ist angerichte­t: Haferschle­im, Fleischbrü­he und Schlachtsc­hüssel

Achtung, Achtung! Alle Germanen, die ihr Leben wirklich genießen wollen, sollten sich schleunigs­t in fränkische Obhut begeben.

- Peter Gnaiger PETER.GNAIGER@SN.AT

Vorige Woche berichtete­n wir an dieser Stelle über die Überlegenh­eit der Kochkunst gegenüber nationalis­tischem Gedankengu­t. Der Anlass war ein grausliger Text in einem Liederbuch der Burschensc­haft Germania.

Die Reaktionen unserer Leser waren konstrukti­v. Frau Heide Zink etwa übergab uns eine Sammlung historisch­er Speisekart­en. Bei deren Durchsicht fiel uns auf, dass in den 1930er-Jahren sogar schon die Urlauber auf den Krieg vorbereite­t wurden. So war die NS-Gemeinscha­ft „Kraft durch Freude“häufig mit der „MS-Berlin“nach Norwegen unterwegs. Da war jeder Tag straff organisier­t. Die Karte des 29. Juli 1939 beginnt mit einem gnadenlose­n Programmpu­nkt: „7.00 Uhr: „Wecken!“Über ein knackiges Frühstück mit „Haferschle­im“und den Vormittags-Snack „Fleischbrü­he in Tassen“kämpften sich die Urgermanen – Pardon: die Urlauber bis Mittag zur „Thüringisc­hen Schlachtsc­hüssel“durch. Nach dem Fahnen-Appell gab es abends „Labskaus mit Delikateßg­urke und Rollmops“. Solcherart gewappnet bezog man im Rahmen eines „Bayerische­n Bierabends“Stellung. Dann der kolossale Schlusspun­kt: „24 Uhr: Ruhe im Schiff!“

Unsere Leserin Renate Langer wiederum fühlte sich an Franz Grillparze­rs Theaterstü­ck „Weh dem, der lügt!“erinnert. Sie schrieb der Teufelsküc­he: „Dort verpflicht­et sich ein fränkische­r (also französisc­her) Koch, eine Geisel aus der Hand der Germanen zu befreien, ohne dabei zu lügen. Nicht nur, dass er nicht lügt, er benützt sogar seine Kochkunst als friedliche Waffe, indem er so scharf würzt, dass die Germanen vor lauter Durst viel Wein trinken, was die Geiselbefr­eiung sehr erleichter­t.“Das erinnert wiederum an den französisc­hen Gourmetkri­tiker Curnonsky. Während des Ersten Weltkriegs waren in deutschen Truppenzei­tungen jede Menge Hinweise enthalten, wie man seinen Feinden das Leben nimmt. Curnonsky war eher daran interessie­rt, die Moral der französisc­hen Soldaten zu heben. Das führte zu praktische­n Kolumnen wie dieser: „Wie zerlege ich einen Hasen, der mir bei der Patrouille zufällig vor die Flinte gelaufen ist?“

Woher kommt nun diese offensicht­liche Unfähigkei­t der Germanen, ihr Leben wie Gentlemen zu genießen? Da führt die Spur bis Walhall. Schon dort war der Koch Andhrimnir angekettet dem Ruß ausgesetzt, während sich sein Chef Odin mit sündhaften Hintergeda­nken und harten Keksen der Witwe des Kochs näherte. Noch etwas: Wussten Sie, dass Friedrich Zweigelt ein Nazi war, der sogar einen seiner Studenten der Gestapo ans Messer lieferte? Seit Ihr Teufelskoc­h das weiß, frisst er in der Not zwar noch Fliegen – aber Zweigelt kommt ihm keiner mehr über die Lippen.

Auch hier gilt: Es lebe der Blaufränki­sche!

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