Jetzt hängt alles an der SPD
Nach einer 24-stündigen Marathonsitzung haben sich CDU/CSU und SPD am Mittwoch in Berlin auf eine neue Große Koalition geeinigt. Der GroKo muss aber noch die SPD-Basis zustimmen.
Martin Schulz, derzeit Vorsitzender der SPD, wollte diese Koalition nie, und er wollte nie Minister unter Bundeskanzlerin Angela Merkel werden. Nun gibt es wahrscheinlich erneut eine Große Koalition (GroKo) – und Schulz wird Außenminister unter Merkel. Dafür will er auf den Posten als SPD-Chef verzichten. Dort soll ihm Fraktionschefin Andrea Nahles folgen, womit die SPD erstmals eine Frau an der Spitze haben wird.
Aber auch im deutschen Kabinett wird Schulz keine große Rolle spielen, denn Vizekanzler soll Hamburgs Erster Bürgermeister Olaf Scholz auf dem Posten des Finanzministers werden. Damit ist der vor einem Jahr noch als „Gottkanzler“hochgelobte Schulz in der SPD endgültig entmachtet.
CSU-Chef Horst Seehofer wird aus Bayern nach Berlin zurückkehren und dort das Innenministerium übernehmen. Dafür wird der jetzige Amtsinhaber Thomas de Maizière in Pension geschickt. Seehofers Ministerium wird um den Bereich Heimat und Bau erweitert. CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer wird mit dem um den Bereich Digitales ergänzten Verkehrsministerium belohnt.
Die CDU wird wie die SPD sechs Ministerien besetzen. Kanzleramtsminister Peter Altmaier übernimmt von der SPD das Wirtschaftsministerium. Knapp die Hälfte der Ressorts wird mit Frauen besetzt. Neu kommt CDU-Vize Julia Klöckner ins Landwirtschaftsministerium. Das Verteidigungsministerium behalten darf Ursula von der Leyen. Nicht berücksichtigt wurde überraschenderweise die saarländische Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer, die zuletzt als mögliche Merkel-Nachfolgerin hochgejubelt worden ist.
Mit dem Koalitionsvertrag haben Union und SPD nun die vorletzte Hürde zur Bildung der dann vierten Großen Koalition in Deutschland genommen. Laut Merkel sind mit dem Vertrag zwei wichtige Forderungen der Bürger erfüllt: „Erstens: Bildet endlich eine Regierung, und zwar eine stabile Regierung. Zweitens: Denkt an die Bedürfnisse der Menschen.“Seehofer kommentierte das Ergebnis nur knapp: „Passt scho’.“
Nun geht es in der SPD darum, noch den letzten Segen von etwa 460.000 Mitgliedern zu erhalten. Dabei kann die SPD allerdings mehr mit den Ministerposten protzen als mit den Inhalten, auch wenn Schulz das anders sieht. Seiner Meinung nach trägt der Koalitionsvertrag „in einem großen Maße sozialdemokratische Handschrift“.
Doch die einst geforderte Bürgerversicherung, welche die „ZweiKlassen-Medizin“von privater und staatlicher Krankenversicherung ablösen sollte, ist längst wieder in der Versenkung verschwunden. Und selbst von den auf dem Sonderparteitag großspurig geforderten inhaltlichen Nachbesserungen ist nicht viel übrig geblieben. Schulz & Co. haben es zum Beispiel nicht geschafft, die Ärztehonorare für Kassen- und Privatpatienten einander anzugleichen. Dieses Thema wurde nun in eine Kommission abgeschoben. Auch im Arbeitsrecht bleibt der Vertrag hinter den Forderungen des jüngsten SPD-Sonderparteitags zurück.
Auf Schulz und die Parteispitze kommt daher nun sehr viel Überzeugungsarbeit zu, damit die Mitgliederbefragung mit einem Ja endet. Doch nicht nur Schulz wird jetzt auf Werbetournee gehen, sondern auch JusoChef Kevin Kühnert, der sich zum obersten GroKo-Gegner gemausert hat. Sie haben in den vergangenen Wochen mit dem Slogan „Tritt ein, sag Nein“erfolgreich um Neumitglieder geworben. Seit Jänner sind mehr als 24.000 Menschen neu in die SPD eingetreten. Doch niemand weiß, wie die wirklich abstimmen werden.
Am Mitgliederentscheid vor vier Jahren haben sich 78 Prozent der Genossen beteiligt. Sie haben damals den Koalitionsvertrag mit einer Dreiviertel-Mehrheit befürwortet. Auch jetzt rechnet die Parteispitze mit einem Ja, weil die Mitgliedschaft der SPD in der Mehrzahl aus Männern über 60 besteht, die als eher konservativ gelten. Aktiv an der Parteiarbeit beteiligen sich nur rund 15 Prozent der Mitglieder.
Allerdings dürfen beim nicht unumstrittenen Mitgliederentscheid auch die ausländischen und minderjährigen Mitglieder teilnehmen. Genaue Zahlen dazu gibt es nicht. Die SPD spricht von rund 7000 ausländischen und etwa 2000 minderjährigen Mitgliedern.
Am Mittwoch wies das Bundesverfassungsgericht jedoch alle Beschwerden gegen den Mitgliederentscheid ohne Begründung zurück. Juristen hatten im Vorfeld darauf hingewiesen, dass der SPD-Entscheid keine bindende Wirkung für die Bundestagsabgeordneten habe. Das Ergebnis des Mitgliederentscheids bei den Sozialdemokraten soll am 4. März vorliegen.