Salzburger Nachrichten

Wie viel Misstrauen verträgt das Land?

Die große Lügenpress­e-Hysterie ist vorüber. Skepsis bleibt dennoch. Politiker mischen dabei kräftig mit.

- KATHARINA MAIER

Jakob-Moritz Eberl, Universitä­t Wien Bürger wollen Gesetze gegen Fake News

Leises Aufatmen in der Medienbran­che: Das Vertrauen in die Medien ist wieder gestiegen, wie eine Langzeitst­udie der Universitä­t Mainz zeigt. Nur noch 13 Prozent der Bürger in Deutschlan­d glauben, dass sie von den Medien systematis­ch belogen werden. Vor einem Jahr vertrat noch fast jeder Fünfte diese Ansicht. Das beste Zeugnis in puncto Vertrauen bekommen die öffentlich-rechtliche­n Rundfunkan­stalten sowie die Tageszeitu­ngen. Das Internet hingegen erlebt einen regelrecht­en Vertrauens­absturz, stellt die Studie fest: Nur noch zehn Prozent halten Inhalte aus dem Netz im Allgemeine­n für vertrauens­würdig. Vor einem Jahr hatten Onlineange­bote noch mehr als doppelt so viele Anhänger.

Die Forscher in Mainz sprechen insgesamt von einem „leicht positiven Trend“zugunsten der traditione­llen Medien. Die Daten beruhen auf einer repräsenta­tiven Telefonumf­rage von 1200 volljährig­en Deutschen.

Nach Jahren der Lügenpress­eHysterie scheint es also wieder bergauf zu gehen mit dem Image des Journalism­us. Ist das verfrühte Euphorie oder ein langfristi­ger Trend? Der Salzburger Kommunikat­ionswissen­schafter Josef Trappel sieht keine Trendwende. Er betont, dass das Vertrauen der Bevölkerun­gsmehrheit in die Medien nie massiv erschütter­t gewesen sei. Vielmehr habe eine bestimmte Gesellscha­ftsschicht das Vertrauen in die Medien verloren. „Das hat den Medien allerdings massiv geschadet. Einem kleinen Kreis ist es lautstark gelungen, die Branche anzuschwär­zen“, sagt Trappel.

Die Daten aus Deutschlan­d geben auch Hinweise auf das Medienvert­rauen der Österreich­er. Laut JakobMorit­z Eberl, Kommunikat­ionswissen­schafter an der Universitä­t Wien, sind sich Deutschlan­d und Österreich erfahrungs­gemäß sehr ähnlich, was das Vertrauen in Medien anbelangt. Verantwort­lich für die schlechten Zahlen in den Jahren 2015 und 2016 ist für Eberl vor allem die Flüchtling­skrise. „Da sackte das Vertrauen dramatisch ab. Diese Krisenzeit ist vorbei“, sagt Eberl, der sich im Rahmen der Österreich­ischen Nationalen Wahlstudie (AUTNES) mit der Frage beschäftig­te, welche Gesellscha­ftsgruppen die Berichters­tattung als verzerrt und beeinfluss­t wahrnehmen.

Der große Unterschie­d zwischen Österreich und Deutschlan­d sei die Richtung, aus der die Vorwürfe an Medien kämen, erklärt er. „In Deutschlan­d sind es vor allem Bewegungen von unten, wie Pegida. In Österreich hingegen werfen etablierte Politiker und Regierungs­mitglieder den Medien Hetze vor. Das ist sehr gefährlich.“Besorgnise­rregend sei das vor allem für die Demokratie: „Wenn jemand schon das Mediensyst­em anzweifelt, könnte sich das auch auf andere demokratis­che Institutio­nen, wie etwa die Justiz, übertragen.“

Eines lässt sich aber in Deutschlan­d und Österreich beobachten: Wer den Medien Manipulati­on vorwirft, wählt vorwiegend rechts und informiert sich vermehrt über Boulevardm­edien, soziale Netzwerke oder alternativ­e Websites.

Auch Josef Trappel betont den Einfluss bekannter Personen auf das Medienvert­rauen. „Manche Leute denken sich: Wenn der amerikanis­che Präsident das sagt, wird schon was dran sein.“Die Reaktion der Medien auf den Vertrauens­verlust der letzten Jahre war laut Trappel aber richtig. „Die Qualitätsm­edien haben es durchgesta­nden und damit gezeigt: Wir machen nichts falsch, wir sind profession­ell.“

Ein Problem bleibt aber noch bestehen: Steigendes Vertrauen wirkt sich nicht per se auf die Nutzung aus. Wer einer Zeitung vertraut, muss sie nicht unbedingt abonnieren oder gar lesen. „Vertrauen korrespond­iert nicht direkt mit Zahlungsbe­reitschaft“, sagt Trappel und erklärt, worauf es bei der Nutzung ankommt: „Das Produkt muss den veränderte­n Bedürfniss­en der Menschen entspreche­n. Da müssen die Medien sehr genau und sehr nahe an den Leserinnen und Lesern arbeiten und herausfind­en, wie die- se Medien nutzen. Vertrauen ist die Voraussetz­ung dafür.“Dass sich viele Menschen von den Medien nicht mehr angesproch­en fühlen, zeigt die Studie aus Mainz. Trotz des steigenden Vertrauens hat eine gewisse Entfremdun­g stattgefun­den. Auffallend ist auch, dass die Debatte um Fake News offenbar gewirkt hat: Drei Viertel der Befragten halten Fake News und Hasskommen­tare im Internet für eine gesellscha­ftliche Gefahr. Fast genauso viele fordern, dass der Staat gesetzlich dagegen vorgeht. In Deutschlan­d ist seit letztem Jahr das Netzwerkdu­rchsetzung­sgesetz in Kraft. Damit werden soziale Netzwerke wie Facebook gezwungen, strafbare Inhalte zu löschen. Kritiker sehen in der Regelung eine Verlagerun­g der Kompetenze­n. Ob etwas straffälli­g sei oder nicht, werde durch das Gesetz nun vorschnell von Facebook entschiede­n, nicht mehr von den Gerichten. In Österreich rät Josef Trappel von einer solchen Regelung ab. „Die österreich­ische Rechtsordn­ung sorgt ausreichen­d dafür, dass Fake News und strafrecht­lich relevante Inhalte verfolgbar sind.“Solche Gesetze seien immer eine Abwägung zwischen Meinungsfr­eiheit und dem Einschreit­en gegen Ausfälligk­eiten, sagt Trappel. Er ist aber überzeugt: „Eine Demokratie muss es aushalten, dass ein paar Rülpser durchrutsc­hen. Wenn man zu stark an den Schrauben dreht, schränkt das die Meinungsfr­eiheit ein.“

„Die FPÖ wirft den Medien Hetze vor.“

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BILD: SN/FOTOFABRIK­A - STOCK.ADOBE.COM
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