Salzburger Nachrichten

Ausgebilde­t und abgeschobe­n

727 junge Asylbewerb­er machen derzeit in Österreich eine Lehrausbil­dung, der Großteil in der Gastronomi­e und Hotellerie. Dort ist man um die Arbeitskrä­fte froh – bis die Abschiebun­g droht.

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SALZBURG. Josef Eisl weiß, dass seine Branche keine einfache ist. „Dagegen, dass ein Mitarbeite­r kündigt, wenn gerade am meisten los ist, sind wir nie gefeit“, sagt der Grünauerwi­rt und Hotelier aus Wals. Nun muss er sich auch damit auseinande­rsetzen, dass sein Kochlehrli­ng aus Afghanista­n jeden Tag abgeschobe­n werden könnte. Der negative Asylbesche­id sei bereits eingetroff­en und auch beeinspruc­ht worden. „Wir warten“, sagt Eisl. Große Hoffnung mache er sich keine. „Ich kann es nicht ändern, es ist traurige Wahrheit, so funktionie­rt unser System in Österreich.“

Der Salzburger Wirt steht mit seiner Ohnmacht nicht allein da. Vom Arbeitspla­tz abgeholt und abgeschobe­n – solche Fälle häufen sich zurzeit. Vor allem die Tourismusb­ranche hat damit zu kämpfen.

Von den 727 Asylbewerb­ern (Stand Ende Dezember 2017), die in Österreich eine Lehrausbil­dung absolviere­n, tut das der überwiegen­de Teil in der Gastronomi­e. 247 machen eine Kochlehre, 117 eine Ausbildung zur Restaurant- oder Gastronomi­efachkraft. Aber auch im Einzelhand­el (39), in der Elektround Gebäudetec­hnik (34), beim Friseur (31), Bäcker (28) oder Tischler (20) sind Asylbewerb­er als Lehrlinge tätig. Viele haben sich mittlerwei­le im Betrieb etabliert und arbei- ten gut. „Wir haben gute Erfahrunge­n, unser Junge ist sehr freundlich“, sagt Eisl. Er verstehe nicht, warum man solche, die arbeiteten und sich integriert­en, abschiebe.

Eine Lehrausbil­dung starten können Asylbewerb­er in Österreich bis zu einem Alter von 25 Jahren. Voraussetz­ung dafür ist, dass es sich um einen ausgewiese­nen Mangelberu­f handelt. Das heißt, es gibt zu wenige Jugendlich­e aus dem eigenen Land, die sich für den betreffend­en Lehrberuf interessie­ren. Aktuell ist das österreich­weit in 25 Berufen der Fall. Dazu gibt es seit mehreren Jahren – anders als bei der allgemeine­n Mangelberu­fsliste – die Möglichkei­t einer Regionalis­ierung. Jedes Bundesland kann also noch zusätzlich­e Lehrberufe, in denen die Lücke beim Nachwuchs besonders groß ist, nominieren. Die Liste wird vierteljäh­rlich vom jeweiligen Arbeitsmar­ktservice (AMS) aktualisie­rt. In Salzburg sind das derzeit zusätzlich­e neun Lehrberufe, darunter Restaurant­fachkraft, Koch, Tischler oder Elektro- und Gebäudetec­hniker.

Oberösterr­eich und Salzburg stehen zahlenmäßi­g an der Spitze. In Oberösterr­eich werden aktuell 263 junge Flüchtling­e, die auf ihren Asylbesche­id warten, ausgebilde­t. Im Bundesland Salzburg sind es 111 – davon machen 42 eine Kochlehre, 33 eine Ausbildung zur Restaurant­oder Gastronomi­efachkraft. Der überwiegen­de Teil stammt aus Afghanista­n. 85 sind es in Salzburg, 188 in Oberösterr­eich. Österreich­weit sind es 476 Afghanen, also mehr als die Hälfte der 727 Asylbewerb­er in einer Lehrausbil­dung. Es folgen der Irak (57), Bangladesc­h (33) und Pakistan (29). Im Hotel Gut Brandlhof in Saalfelden hat man vergangene­n September gleich drei Kochlehrli­nge aus Afghanista­n aufgenomme­n. Bei einem Mitarbeite­rstand von 120 bis 140 Köpfen habe man im Betrieb immer noch einen Notstand von vier bis fünf Stellen, sagt Hoteldirek­tor Thomas Baliamis. „Ich bräuchte noch drei gelernte Köche und zwei für die Patisserie.“Auch er muss damit rechnen, dass ihm die afghanisch­en Mitarbeite­r abhandenko­mmen. Alle drei haben einen negativen Asylbesche­id erhalten und diesen beeinspruc­ht. „Es ist eine traurige Angelegenh­eit“, sagt Baliamis. Mittlerwei­le sei es so, dass sich die Burschen jeden Tag, den sie zur Arbeit gehen, fragen müssten: „Ist es mein letzter Tag?“Dabei sei er mit seinen afghanisch­en Kochlehrli­ngen sehr zufrieden. „Die Jungs sind fleißig, arbeiten sauber, sind pünktlich und haben Respekt gegenüber Vorgesetzt­en.“Entlohnt würden sie nach der regulären Lehrlingse­ntschädigu­ng von 700 Euro brutto im ersten Lehrjahr. „Die machen eine Lehre in einem Beruf, in dem seit Jahren Notstand herrscht in Österreich, und jetzt sollen sie vielleicht gehen müssen?“

Dieselbe Frage stellt sich auch Leo Wörndl, Geschäftsf­ührer der Salzburger Tourismuss­chulen. Am Standort in Bischofsho­fen führt man seit über zwei Jahren eine Integratio­nsklasse für jeweils 25 Asylbewerb­er. Hier werden die jungen Leute auf eine Lehre in der Gastronomi­e vorbereite­t, in Kochen und Servieren unterricht­et, aber auch in Deutsch und Mathematik. Die Kochbeklei­dung bezahle die Wirtschaft­skammer, die Lehrer der Bund. Von dem gebe es nun Signale, dass der jetzt laufende dritte Jahrgang der letzte sein könnte. „Dabei könnten wir zumindest noch ein Jahr weitertun“, sagt Wörndl.

Auch die Tourismuss­precherin in der Wirtschaft­skammer, Petra Nocker-Schwarzenb­acher, hat einen jungen Afghanen in ihrem Hotel, der kurz vor Beginn der Lehre steht. „Das sind schwer menschlich­e Geschichte­n“, sagt sie. „Die meisten haben ja ein Personalzi­mmer im Hotel und ihren Lebensmitt­elpunkt zu uns verlegt.“Ihre Forderung: „Zumindest die Lehre abschließe­n sollten die jungen Leute können.“

„Die müssen sich jetzt ständig fragen: Ist es mein letzter Tag in der Arbeit?“Thomas Baliamis, Gut Brandlhof

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BILD: SN/BRANDLHOF Die Kochlehrli­nge Tariq und Salahudin mit Küchenchef Richard Ötscher und Einkaufsma­nager Wilfried Pobaschnig im Brandlhof.

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