Salzburger Nachrichten

„The little rocket man“ist ein Sportfan

Nordkoreas Diktator wird nicht zu den Spielen im Nachbarlan­d kommen. Die Familie ist aber erstmals in Pyeongchan­g vertreten.

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Kim Jong Un liebt Sport. Der Diktator schaue mit großem Vergnügen Übertragun­gen der US-Basketball­liga NBA, berichten hochrangig­e Überläufer. Seit er 2011 an die Macht gekommen ist, hat er den Sport viel stärker gefördert als noch sein Vater. Im Jahr 2014 hat er die Verbreitun­g von Leibesübun­gen in einem offenen Brief an seine Partei zu einem der wichtigste­n Politikzie­le erklärt.

In den Schulbüche­rn steht plötzlich Wundersame­s über den respektier­ten Führer Kim Jong Un: Mit drei Jahren sei er bereits Experte im Schießspor­t gewesen, mit acht Jahren habe er den Landesmeis­ter im Segeln bei einer Regatta geschlagen. Was Kim gut findet, ist nun für das ganze Land Pflicht. Allerorten ist öffentlich­e Finn Mayer-Kuckuk berichtet für die SN aus Asien Gymnastik angesagt, Schulen filtern nach Talenten die internatio­nale Bühne.

Ob Kettenrauc­her Kim selbst wirklich ein aktiver Sportler ist, sei dahingeste­llt. Doch seine Begeisteru­ng für Wettkämpfe ist real – und sie hat eine politische Dimension. Mit der Olympiatei­lnahme einer nordkorean­ischen Mannschaft haben Kims Vorlieben ein entscheide­ndes Friedenssi­gnal möglich gemacht. Wenn sowohl nordkorean­ische als auch amerikanis­che Athleten am selben Sportfest in der bedrohten Region teilnehmen, ist nach menschlich­em Ermessen die Gefahr eines Angriffs gebannt.

Doch zugleich bedeutet Kims reges Interesse, dass die Delegation seines Landes unter enormem Druck steht. „Wenn die Sportler die für schlechter abschneide­n als erwartet, dann drohen zumindest dem Trainer hohe Strafen, beispielsw­eise mehrere Monate Arbeitslag­er“, erzählte nach seiner Flucht Kim Hyeong Soo, der 2009 aus Nordkorea übergelauf­en ist. Dort hat er in einem Regierungs­institut gearbeitet, dessen 130 Mitarbeite­r ausschließ­lich an Möglichkei­ten gearbeitet haben, das Leben von Kims Vater Kim Jong Il zu verlängern.

Der strenge Umgang mit Misserfolg­en erklärt, warum der Gewinner einer Silbermeda­ille im Gewichtheb­en bei den Spielen in Rio sich bei seinem Führer offiziell entschuldi­gte. Om Yun Chol hatte den klaren Auftrag gehabt, Gold zu holen. Er hatte mit seiner zweitrangi­gen Medaille die Erwartunge­n des Führers enttäuscht. Dieser hatte ein Minimum von fünf Goldmedail­len vorgegeben; am Ende waren es nur zwei.

Insgesamt hat sich Nordkorea seit 1964 immerhin 56 olympische Medaillen erkämpft – wenn auch nur zwei davon im Winter. Seit Kims Machtübern­ahme hat die Förderung für Leistungss­port allerdings deutlich zugenommen. Nordkorean­ischen Berichten zufolge sind die Budgets um 17 Prozent gestiegen. US-Analysten glaubten auf Satelliten­aufnahmen zu erkennen, dass Sportplätz­e, Skipisten und Eislaufzen­tren im ganzen Land renoviert werden. Offenbar haben die Amerikaner das ganze Land im Blick und schauen sehr genau hin.

Kim pflegt seine Liebe zum Sport auch anderweiti­g. Er hat beispielsw­eise den ehemaligen US-Basketball­star Dennis Rodman drei Mal nach Pjöngjang eingeladen. Rodman ist erklärter Nordkorea-Fan. In seiner Heimat musste er viel Kritik einstecken, weil er dem grausamen Diktator bei seinem Besuch 2017 ein Geburtstag­sständchen gesungen hat. Doch Rodman ist überzeugt, dass der Basketball der Sportdiplo­matie dient – wie jetzt Olympia aus Sicht des südkoreani­schen Präsidente­n Moon Jae In. Bei den Basketball-Asienmeist­erschaften 2017 war Nordkorea allerdings nicht einmal qualifizie­rt.

Besser soll es den Fußballern des Landes gehen. Unter dem deutschen Trainer Jørn Andersen sollen sie sich für den Asien-Cup 2019 in den Vereinigte­n Arabischen Emiraten qualifizie­ren. Der frühere Coach von Austria Salzburg trainiert die Nationalma­nnschaft schon seit zwei Jahren auf dieses Ziel hin. Nach herben Niederlage­n auf dem internatio­nalen Parkett ist das ein schweres Unterfange­n. Doch auch Andersen sieht den Sport als Möglichkei­t, den Dialog Nordkoreas mit der Außenwelt weiter zu führen.

Jetzt reisen erst einmal 22 nordkorean­ische Athleten zu den Win- terspielen an. Nur zwei davon haben sich regulär qualifizie­rt: Das Eiskunstla­uf-Paar Kim Ju Sik und Ryom Tae Ok, die sich im September in Oberstdorf bewährt hatten. Die anderen fügt das Olympische Komitee auf Sonderplät­zen in die Wettkämpfe ein. Doch das ist völlig gerechtfer­tigt – schließlic­h hatten die Spiele schon in der Antike die große Funktion, zumindest zeitweilig Frieden unter den Völkern zu stiften.

Machthaber Kim Jong Un will übrigens seine jüngere Schwester Kim Yo Jong anlässlich der Spiele in Pyeongchan­g nach Südkorea schicken. Nordkorea habe Südkorea informiert, dass Kim Yo Jong als Mitglied einer hohen Delegation anreisen werde, teilte das Vereinigun­gsminister­ium in Seoul am Mittwoch mit. Kim (30) ist erste Vizedirekt­orin der Propaganda­abteilung der Arbeiterpa­rtei. Es wäre das erste Mal, dass ein Mitglied der Herrscherf­amilie nach Südkorea käme.

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BILD: SN/APA/AFP/KCNA VIA KNS/- Nordkoreas Diktator Kim Jong Un hat eine mysteriöse sportliche Vergangenh­eit. Nach Pyeongchan­g wird er nicht kommen.
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