Bergsturz löst 1907 einen Mini-Tsunami aus
Der Legende nach hatte der Teufel seine Hände im Spiel. Später wusste man es aus geologischer Sicht besser. Noch heute sind Spuren von der Zerstörung am Grund des Wolfgangsees zu sehen.
„Entlang der südwestlichen Uferlinie am Wolfgangsee verläuft eine beträchtliche geologische Störung an einer Bruchzone zwischen Flyschzone und Kalkalpen. Beim Ausbau der Wolfgangsee-Bundesstraße Ende der 1960er-Jahre wurde die Störung mehrfach angeschnitten und hat aufwendige Schutzbauten am Berghang erfordert“, erklärte Landesgeologe Rainer Braunstingl. Am 2. April 1907 war von solchen Schutzbauten noch keine Rede, als sich ein gewaltiger Bergsturz im Bereich des damaligen Sommerfrischehotels Lueg löste und ein großes Stück Jungwald von der Gamswand in den Wolfgangsee mitriss. Meterhoch türmten sich die Erd- und Steinmassen auf der Trasse der damaligen Reichsstraße und der Ischlerbahn, von der 100 Meter Gleise im See verschwanden. Augenzeugen berichteten später, dass die Seeoberfläche zehn bis 18 Meter zurückgewichen sei. Angesichts der gewaltigen Naturkräfte, die viele Menschen in St. Gilgen anfangs für ein Erdbeben hielten, kamen glücklicherweise keine Personen zu Schaden. Die ausgelöste Flutwelle im See blieb nicht ohne Folgen: Knapp zwei Kilometer entfernt am gegenüberliegenden Seeufer gingen auf der Veranda des Gasthauses Fürberg Scheiben zu Bruch, als die aufgepeitschten Wassermassen das Ufer erreichten und bis zu 220 Meter landeinwärts vordrangen. Doch damit nicht genug: Die Rückwelle richtete sich bei Lueg bis zu acht Meter auf und riss einige für den eben aufkeimenden Fremdenverkehr aufgestellte Badehütten um. Zuggäste mussten für einige Monate auf die Wolfgangseedampfer und Plätten als Schienenersatzverkehr umsteigen.
Fürberg-Besitzer Bernhard Ebner kann die unter Einheimischen noch als „Orutsch“bekannte Stelle im See heute noch gut ausmachen, wenn er im Fischerboot unterwegs ist: „Im klaren Wolfgangseewasser ist der ertrunkene Bergwald ein beliebter Tummelplatz für die Fische, unter der Wasseroberfläche stehen die Bäume kreuz und quer“, so Ebner, zu dessen Leidwesen sich die Fischernetze gelegentlich im Geäst verfangen.
Tödlich endete jedoch etwas mehr als vier Jahrzehnte später ein Felssturz auf der Scharflinger Höhe, der die Ischlerbahn traf. Der Mitternachtszug der Ischlerbahn stieß unmittelbar nach einer Tunnelausfahrt in eine kurz zuvor abgegangene Felslawine, die die Schienen weggerissen hatte. Die Lok stürzte dabei mehr als 60 Meter den Abhang hinunter. Der Heizer und der Lokführer starben dabei. Der tote Lokführer wurde mit verkrampfter Hand am Bremshebel gefunden. Er hatte offensichtlich noch versucht, eine schlimmere Katastrophe zu verhindern. Die Fahrgäste in den auf den Gleisen verbliebenen Waggons kamen mit dem Schrecken davon.