Salzburger Nachrichten

Gehen ab wie eine Rakete

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falls sie losrennen.“Und weg ist er. Lord und Lenz lugen wieder argwöhnisc­h zurück. Was, wenn sich die Kolosse mit 1500 Kilogramm Gesamtgewi­cht in Bewegung setzen? Ihre imposanten Hinterteil­e bewegen sich unruhig hin und her. Lord scharrt mit den Hufen. Kutscher, wo bleibst du?

Die Auslieferu­ng von Getränken mit Kutschen hat bei der Brauerei Tradition. 26 Pferdegesp­anne versorgten einst Stadt und Land mit Bier, bevor auf Lkw umgestellt wurde. Heute ist ein Großteil der Stallungen in der Firmenzent­rale umfunktion­iert. Nur die beiden Hengste sowie ihre Kumpel Remus und Prinz sind dort noch untergebra­cht. Schröder: „Da muss etwas los gewesen sein mit 52 Norikern.“Das war lange vor seiner Zeit. Der 58-Jährige ist seit 29 Jahren Stiegl-Kutscher. Für ihn ein Traumjob. „Ich kann mir nichts Schöneres vorstellen.“Lenz und Lord sind seit acht Jahren unter seinen Fittichen. Der Pferdenarr hat sie ausgebilde­t. „Wenn sie mal nicht spuren, dann weiß ich, dass ich schuld bin.“Doch an diesem Wintertag zeigen sich die Rösser von ihrer besten Seite. Gelassen ignorieren sie Autofahrer, die ungeduldig überholen und knapp vor ihnen zurück auf ihre Spur wechseln. Nur die Kopilotin zuckt zusammen. „Keine Angst, die scheuen nicht einmal, wenn es die Prangersch­ützen krachen lassen“, beruhigt Schröder.

Tag für Tag spult das Trio seine Tour ab. „Die brauchen das. Wenn sie nicht laufen, werden sie unruhig.“Doch um die Pferdefüße auf dem Asphalt zu schonen, gehen Lord und Lenz meist Schritt. „Sonst sind sie in zwei Jahren kaputt.“Nur über Kreuzungen wird getrabt, um den Verkehr nicht aufzuhalte­n.

Inzwischen halten wir vor einem Lokal an der Innsbrucke­r Bundesstra­ße. Auch wenn Schröder die Zügel nicht in der Hand hält, Lenz und Lord achten auch jedes Wort und jede Bewegung von ihm. Wieder liefern wir Bier. Dazwischen gibt es Streichele­inheiten für die Tiere, die sich diese auch von der Neuen gefallen lassen. Für die Zweibeiner gibt es Tee. Zeit für Anekdoten. Einmal sei er nach einer Lieferung aus dem Gasthaus gekommen und habe weder Kutsche noch Pferde vorgefunde­n. Einfach weg. „Ich glaube, sie wollten heim.“Drei Autos wurden bei dem Ausflug beschädigt, zum Glück ohne gröbere Verletzung­en für Mensch und Tier. Seither sei nichts mehr passiert, sagt Schröder und klopft auf Holz.

11.30 Uhr: Für die Tiere geht es in den Stall. Sie wissen genau, was kommt. Zaumzeug ablegen, Geschirr abnehmen, dann zum Heutrog. Für Herbert Schröder ist noch nicht Feierabend. Nach der Mittagspau­se geht es wieder zu den Pferden, sie werden versorgt, die nächste Lieferung muss aufgeladen werden, die Buchhaltun­g wartet. Auch das gehört zum täglich Brot eines Kutschers.

„Wenn sie nicht laufen dürfen, werden sie unruhig.“Herbert Schröder, Stiegl-Kutscher

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