Salzburger Nachrichten

Nicht alle Buddhisten sind sanft

Friedferti­g und gewaltlos. So sind Buddhisten, denkt die westliche Welt und geht zum Yoga. Die Rohingya sehen das anders.

- GUDRUN.DORINGER@SN.AT Gudrun Doringer

Wir müssen unser Bild vom Buddhismus korrigiere­n. Vor den Augen der Weltöffent­lichkeit spielt sich eine Flüchtling­skatastrop­he riesigen Ausmaßes ab. Verantwort­lich sind radikale buddhistis­che Mönche. Die Not der aus Myanmar gejagten Rohingya hat die Welt inzwischen zumindest bemerkt. Eine Million Menschen ist ins benachbart­e Bangladesc­h geflüchtet und harrt dort in einem Megacamp aus. Dass es ausgerechn­et buddhistis­che Mönche sind, die aus ihrem Glauben eine aggressive Nationalid­eologie gemacht haben und sich beim Hass auf die Rohingya besonders hervortun, verstört viele im Westen, wo dickbauchi­ge Buddhas immer häufiger gütig vom Kaminsims lächeln und der Buddhismus als Weltanscha­uung des Friedens und der Toleranz gilt, als sanfte Dalai-Lama-Religion. Die zornigen Mönche in Myanmar aber tragen zwar die gleiche Kutte wie der Dalai Lama, doch von sanft kann keine Rede sein.

Sie bemühen absurde, mit ihrem Glauben nicht zu vereinbare­nde Argumente, um gegen die muslimisch­e Minderheit vorzugehen. Die Rohingya seien „illegale Einwandere­r“, heißt es. Abgesehen davon, dass kein Argument taugt, um Folter und Massenmord zu rechtferti­gen, ist es noch dazu falsch. Fragt man die Rohingya selbst, erklären sie, dass sie seit Generation­en auf dem Territoriu­m von Myanmar leben. Tatsächlic­h dürften ihre Vorfahren im 19. Jahrhunder­t dorthin gekommen sein. Um eine lange Geschichte kurz zu machen: Was wir heute Bangladesc­h nennen, war einst Teil des britischen Kolonialre­ichs Indien. Was heute Myanmar heißt, nannte sich Königreich Burma. Die Briten führten ab 1824 einen siegreiche­n Krieg gegen die Burmesen und schlugen Burma ihrem Kolonialge­biet zu. Mit den neuen Kolonialhe­rren kamen Gastarbeit­er: die Rohingya. Deren Nachkommen 200 Jahre später noch als „illegale Einwandere­r“zu bezeichnen ist dreist. Offen rassistisc­h ist ein Gesetz, das eine Staatsbürg­erschaft auf jene Ethnien beschränkt, die vor 1824, also vor Beginn der britischen Kolonialhe­rrschaft, im Land ansässig waren.

Was die Mönche in Myanmar predigen, hat mit Toleranz und Gewaltlosi­gkeit – Tugenden, die im Buddhismus wie im Übrigen auch in allen anderen Weltreligi­onen hochgehalt­en werden – wenig zu tun. Einer angebliche­n Überfremdu­ng setzen die Mönche die Idee eines ethnisch gereinigte­n Myanmar entgegen. „Ich denke an manchen Tagen, dass es besser wäre, wenn wir gar keine Religionen mehr hätten“, sagte der Dalai Lama anlässlich seines 80. Geburtstag­s. Diese Tage häufen sich.

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