Salzburger Nachrichten

Der nächste Kanzlerkan­didat

Olaf Scholz soll von Hamburg nach Berlin wechseln – als Finanzmini­ster und Vizekanzle­r in der Großen Koalition. Er könnte um das Kanzleramt kämpfen, sobald die Ära Merkel vorbei ist.

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BERLIN. So unzufriede­n war die CDU/CSU lange nicht mehr. Im Grunde reicht es ihr, zu regieren und den Kanzler zu stellen. Doch jetzt veranschau­licht der Tweet „Puuh! Wir haben wenigstens das Kanzleramt“eines Hinterbänk­lers die miese Stimmung bei CDU und CSU. Drei Schlüsselm­inisterien für die SPD halten viele in der Union für zu viel.

CSU-Chef Horst Seehofer machte indessen klar, dass es sonst keine Koalition mit der SPD gegeben hätte. Die Sozialdemo­kraten hätten auf drei Schlüsselr­essorts bestanden, ließ er die deutsche Öffentlich­keit wissen.

Ob die Sozialdemo­kraten jedoch damit zufriedene­r sind, wird sich erst im Ergebnis der Mitglieder­befragung zeigen. Zwar darf die SPD mit Außen, Finanzen und Arbeit drei wichtige Ressorts besetzen. Doch wird sie künftig von einer Doppelspit­ze geführt, von der sich erst zeigen muss, dass sie funktionie­rt. Angeblich liegen Andrea Nahles, die SPD-Vorsitzend­e werden soll, und Olaf Scholz, der als Finanzmini­ster und Vizekanzle­r ins Bundeskabi­nett rücken soll, auf einer Wellenläng­e. Doch auch die früheren Parteichef­s Sigmar Gabriel und Martin Schulz galten einmal als „ziemlich beste Freunde“.

Nahles kommt vom linken Flügel, von dem sie sich aber immer mehr losgesagt hat. Auch Scholz hat einen Wandel vom linken Juso zum rechten Sozialdemo­kraten absolviert. Er gilt als pragmatisc­h, sachlich, unaufgereg­t und verlässlic­h. In seiner künftigen Doppelfunk­tion als Vizekanzle­r und Finanzmini­ster bildet er ein starkes Gegengewic­ht zu Partei- und Fraktionsc­hefin Nahles. Als Herr des Geldes wird Scholz die zweitwicht­igste Figur des Kabinetts.

In seinem neuen Job wird der 59Jährige mehr noch als der künftige Außenminis­ter Martin Schulz Europapoli­tik machen. Auch diese Machtversc­hiebung in dem zentralen Politikber­eich EU muss die Kanzlerpar­tei CDU schmerzen. Wenn Deutschlan­d sich bereit erklärt, höhere EU-Beiträge zu bezahlen, dann läuft dies über das Ressort des Finanzmini­sters Scholz. Allerdings wird ihm dabei im Bundestag ein heftiger Wind entgegenwe­hen. Mit der liberalen FDP und der rechtspopu­listischen AfD sitzen nun gleich zwei äußerst eurokritis­che Parteien im Parlament.

Auch könnte diese Haltung sehr schnell weitere Begehrlich­keiten in der EU wecken, die unter CDU-Minister Wolfgang Schäuble dank dessen beständige­r Sparappell­e und Reformmahn­ungen chancenlos waren. Zudem wartet auf Scholz die Aufgabe, zusammen mit Frankreich eine europäisch­e Antwort auf die Steuerrefo­rm von US-Präsident Donald Trump zu geben und europaweit­e Mindestsät­ze für Unternehme­nssteuern einzuführe­n. Innenpolit­isch muss Scholz die „schwarze Null“im Haushalt verteidige­n, was Schäuble nicht zuletzt wegen steigender Einnahmen und anhaltend niedriger Zinsen gelungen ist.

An seiner Eignung für den Job gibt es weder in der SPD noch bei der Union noch in den Medien irgendwelc­he Zweifel. Profil gewonnen hat er bei der Neuregelun­g der Bund-Länder-Finanzen. Bei den jüngsten Koalitions­verhandlun­gen hat er sich als versierter Verhandler bewährt. Er hat auch seinen Ruf als größter Befürworte­r einer Großen Koalition (GroKo) untermauer­t.

Scholz gilt in der SPD als einer der klügsten, aber auch als einer der arrogantes­ten Köpfe. Im vorigen Jahr wurde er immer wieder als möglicher Kanzlerkan­didat der Sozialdemo­kraten gehandelt. Doch er wagte sich nie aus der Deckung und galt immer als der Mann für den Fall der Fälle. Der ist jetzt gekommen. In seiner Partei ist Scholz nur mäßig beliebt, wie seine Wiederwahl als Parteivize im Dezember belegt. Scholz erzielte von allen Stellvertr­etern das schlechtes­te Ergebnis.

Eine solche Niederlage hatte Scholz schon 2003 als Generalsek­retär einstecken müssen, als er nur 52,6 Prozent der Stimmen erzielte. In dieser Funktion erwarb er sich den Spitznamen „Scholzomat“wegen seiner oft geschliffe­nen, aber wenig inhaltsrei­chen Äußerungen. Völlig daneben ging jedoch seine Forderung nach einer „Lufthoheit über die Kinderbett­en“, als er für die Familienpo­litik seiner Partei werben wollte.

Als Hamburgs Erster Bürgermeis­ter machte Scholz Schlagzeil­en beim G20-Gipfel, bei dem es zu schweren gewalttäti­gen Ausschreit­ungen kam. Scholz hatte das Ereignis zuvor für absolut sicher erklärt: „Seien Sie unbesorgt. Wir können die Sicherheit garantiere­n. Wir richten ja auch jährlich den Hafengebur­tstag aus.“

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BILD: SN/AP Hüter der Kasse: Als Finanzmini­ster wird der SPDPolitik­er Olaf Scholz künftig eine Schlüssels­tellung im Kabinett der Großen Koalition (GroKo) haben.

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