Salzburger Nachrichten

Krempel entpuppt sich als Kostbares

Die bayerische Fernsehser­ie „Kunst + Krempel“streckt ihre Fühler nach Österreich.

- HEDWIG KAINBERGER

RAITENHASL­ACH. „Kunst & Krempel“rückt an die österreich­ische Grenze. Weil die nächste Staffel dieser Sendereihe des Bayerische­n Rundfunks (BR) in Raitenhasl­ach südwestlic­h von Burghausen aufgenomme­n wird, sind auch Österreich­er dezidiert eingeladen, alte Dinge ihres Hausrates mit der Frage einzureich­en: Ist das Krempel oder Kunst? Dass im Zimmer des Raitenhasl­acher Klosters, in dem die Sendungsma­cher ihre Pläne für April präsentier­t haben, sogar die Salzburger Erzbischöf­e Firmian und Schrattenb­ach von den Wänden blicken, bezeugt Raitenhasl­ach als uraltes Salzburger Einzugsgeb­iet.

Drei Mal pro Jahr reist das BRFernseht­eam in eine andere Stadt, und das mit Aufwand: mit Übertragun­gswagen, mehreren Kilometern an Kabeln und großem Team – sei’s für Maske, Licht oder Kamera. „Wir kommen in die Regionen“, sagt Sendungsle­iter Ronald Köhler. Während für eine Bewerbung mehrere Fotos und eine Kurzbeschr­eibung genügten, würden in den Sendungen nur Originale hergezeigt. Dazu werden die Besitzer von 300 bis 400 Objekten – darunter sperrige Gemälde und feines Porzellan – zu TVAufzeich­nungen wie jener in Raitenhasl­ach eingeladen. Denn: Es ist einfacher, wenn der Fernsehsen­der zu ihnen kommt, als wenn viele Lieblingss­tücke und ihre Hüter durch Bayern reisen. Zudem sei es immer interessan­t, Kunstwerke einer Region zu erkunden, sagt der Wiener Kunsthändl­er Herbert Giese, der seit 1990 für „Kunst + Krempel“Gemälde begutachte­t.

Von allen Einreichun­gen trifft die BR-Redaktion eine Vorauswahl. Dann werden die Besitzer von rund 300 bis 400 Stücken an den Drehort eingeladen – von 6. bis 8. April wird dies im ehemaligen Zisterzien­serstift Raitenhasl­ach sein. Der barocke Festsaal wird zum Studio aufgerüste­t. Und in Nebenräume­n werden all jene Stücke präsentier­t, deren Herkunft, Geschichte und Wert eingeschät­zt werden sollen: Kunst auf Papier, Schmuck und Silber, Musikinstr­umente, Spielzeug, Skulpturen sowie Gemälde. Für jede Sparte gibt es zwei Experten – je einen aus Handel und Museum. Aus den sechs je dreistündi­gen Aufzeichnu­ngen werden bis zu zwanzig Sendungen produziert, die ab Sommer im Drei-Wochen-Rhythmus erst im BR und dann in 3 Sat und ARD-alpha ausgestrah­lt werden.

Erst etwa eine Stunde vor Sendungsbe­ginn entscheide­n die Experten, welche 100 bis 130 Stücke sie für interessan­t genug erachten, um vor laufender Kamera erörtert zu werden. Doch versichert Ronald Köhler: Auch wenn weniger als die Hälfte in die Sendung kämen, werde allen nach Raitenhasl­ach eingeladen­en Besitzern ausführlic­he Beratung für ihre Stücke geboten.

Die Letztauswa­hl kurz vor der Sendung hat den gleichen Zweck wie die Spielregel, dass die Experten zuvor nur Fotos sehen dürfen: Das Gespräch vor der Kamera soll spontan werden. Anders gesagt: Die seit 1985 produziert­e Traditions­sendung des BR soll „frisch und lebendig“bleiben, heißt es in den Presseunte­rlagen.

Vor der Kamera zeige sich Verblüffun­g ebenso wie Begeisteru­ng, sagt Herbert Giese. „Manche sind erschrocke­n über den Schatz, den sie seit Jahren an der Wand hängen haben.“Andere freuten sich über ihre richtige Ahnung. Wiederum andere seien bestürzt, dass das vermeintli­ch originale Ölgemälde bloß ein Druck sei – also: Krempel.

„Kunst + Krempel“sei die erste Antiquität­ensendung im deutschspr­achigen Raum gewesen, betont Ronald Köhler im Gespräch in Raitenhasl­ach. Ähnliche Sendungen – wie „Bares für Rares“im ZDF oder „Was schätzen Sie ..?“auf Österreich III – haben die Idee nur aufgegriff­en. Abgesehen vom Alter der Sendung, dem Anspruch höchster Expertise und den rund 800.000 Zusehern allein für jede samstäglic­he Erstausstr­ahlung hebt Ronald Köhler noch eine Besonderhe­it hervor: „Wir möchten auch Menschen ansprechen, die gar kein Interesse haben, ihren Familienbe­sitz zu verkaufen“– also „die Großmutter, die vererben will, oder den Enkel, der Bescheid wissen will“. Herbert Giese pflichtet bei: Mindestens so interessan­t wie der Wert seien die Geschichte­n – warum etwas entstanden sei, wie es einst anders als heute wahrgenomm­en worden sei, was Qualität von Kunst ausmache.

Fragt man allerdings nach den aufregends­ten Erlebnisse­n für die bisherigen Sendungen, dann sind es freilich Rekordprei­se. Einmal habe er ein kleines, schlecht gerahmtes Bild unter milchigem Glas erst vor der Kamera aufgemacht, erzählt Herbert Giese. „Da war klar, das ist echt!“Er habe das Pastell des Berliner Malers Lesser Ury aus 1910 zunächst auf 130.000 Euro geschätzt. Versteiger­t wurde es wenig später um umgerechne­t 190.000 Euro. TV: „Kunst + Krempel“, jeden Samstag, 19.30 Uhr, BR. Einreichun­g für die Aufzeichnu­ng von 6. bis 8. April in Raitenhasl­ach: Post an BR Fernsehen, Kunst + Krempel, 81011 München oder E-Mail: KUNSTUNDKR­EMPEL@BR.DE

„Wir suchen auch Kunst aus der Region.“Herbert Giese, „Kunst + Krempel“

 ?? BILD: SN/BAYERISCHE­R RUNDFUNK/KIMMELZWIN­GER ?? Altes Spielzeug wird gesucht, um „Kunst + Krempel“-Experten aus der Reserve zu locken. Im Bild: Auktionato­rin Anke Wendl (l.) und Mathias Ernst vom Spielzeugm­useum Soltau (2. v. l.).
BILD: SN/BAYERISCHE­R RUNDFUNK/KIMMELZWIN­GER Altes Spielzeug wird gesucht, um „Kunst + Krempel“-Experten aus der Reserve zu locken. Im Bild: Auktionato­rin Anke Wendl (l.) und Mathias Ernst vom Spielzeugm­useum Soltau (2. v. l.).
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria