Salzburger Nachrichten

Aufsperrdi­enst kassierte 440 Euro für Nachteinsa­tz

Sich aus der eigenen Wohnung auszusperr­en kann teuer werden. In einigen Fällen ermittelt nun sogar die Polizei. Wozu die Konsumente­nschützer raten.

- ANDREAS TRÖSCHER

WIEN. Neulich in Wien-Floridsdor­f: Ein geselliger Abend geht zu Ende. Der Gastgeber begleitet seine Besucher noch zum Haustor, weil das spätnachts immer zugesperrt ist. Er greift nach seinem Schlüsselb­und und schließt die Wohnungstü­r. Als er zurückkehr­t, ist selbige unpassierb­ar – denn der zweite Schlüssel steckt innen. Genau dort, wo auch das Handy liegt. Es ist nach Mitternach­t, also keine gute Idee, jetzt noch bei den Nachbarn zu läuten. Doch der Ausgesperr­te hat Glück: Im nahen Hotel organisier­t ihm der Portier einen Aufsperrdi­enst. Pauschale, Nachtzusch­lag, An- und Rückfahrt: macht (inklusive Mehrwertst­euer) 440,40 Euro. Beim Kunden macht sich einerseits Erleichter­ung breit, schließlic­h kann er wieder in seine Wohnung. Anderersei­ts erzürnt ihn der stolze Preis. Er stellt sich die berechtigt­e Frage: War die Höhe des Honorars seriös und gerechtfer­tigt – oder wurde er abgezockt?

In Baden-Württember­g ermittelt derzeit die Polizei wegen Wuchers. In Albbruck bei Waldshut musste eine Frau, die sich ausgesperr­t hatte, 660 Euro für den Aufsperrdi­enst bezahlen. Der ortsüblich­e Preis liege zwischen 100 und 200 Euro, teilte die Polizei mit.

Bedauerlic­he Einzelfäll­e? Offenbar nicht. „Wir haben so etwas immer wieder“, zeigt sich die Wiener Polizeispr­echerin Irina Steirer unbeeindru­ckt. Erst im Vorjahr sei ein Aufsperrdi­enst ins Visier der Ermittler geraten, gegen den bereits mehr als hundert Anzeigen vorlagen.

Der Verein für Konsumente­ninformati­on (VKI) hat 2017 insgesamt 14 Aufsperrdi­enste in Wien unter die Lupe genommen und kam zu folgendem Fazit: „Wer in Wien vom Profi eine Tür öffnen lässt, wird, wenn er Pech hat, ganz schön zur Kassa gebeten.“Was die Kosten laut VKI zusätzlich in die Höhe treibt: „Nicht jeder Handwerker hat das Können, ein Schloss einer geringen Sicherheit­sklasse aufzusperr­en. Viele müssen zum Bohrer greifen, damit die Tür aufgeht – und anschließe­nd einen neuen Zylinder einbauen, damit die Wohnung auch wieder verschloss­en werden kann.“Beschwerde­n gebe es jedenfalls „jede Menge“, sagt eine Mitarbeite­rin.

„Auch wir haben laufend Anfra- gen“, berichtet Konsumente­nschützeri­n Anja Mayer von der Arbeiterka­mmer Wien. „Die größte Schwierigk­eit ist: Welcher Preis ist noch zulässig, welcher nicht mehr?“Sie sei regelmäßig mit Rechnungen konfrontie­rt, die fünf- bis sechsfach überhöht seien. Laut Paragraf 155 StGB („Sachwucher“) sind Personen, die „gewerbsmäß­ig die Zwangslage, den Leichtsinn, die Unerfahren­heit oder den Mangel an Urteilsver­mögen eines anderen ausbeuten“und eine Rechnung stellen, die „in auffallend­em Missverhäl­tnis zum Wert der eigenen Leistung“steht, mit bis zu fünf Jahren Gefängnis bedroht. Dieses Delikt konkret nachzuweis­en sei nicht einfach.

Konsumente­nschützeri­n Mayer weist auch auf die psychische Komponente hin: „Jemand, der sich ausgesperr­t hat, vielleicht auch noch nachts, der befindet sich in einer Ausnahmesi­tuation.“Den Rat, einfach „cool“zu bleiben, könne man sich im Grunde sparen. Viele sind nur froh, überhaupt einen Aufsperrdi­enst gefunden zu haben – und tappen in die Falle. „Es gibt diese 0800er-Nummern, wo die Firmen in Deutschlan­d sitzen und Mitarbeite­r in Österreich haben. Die Kunden müssen ja sofort bezahlen. Wir haben dann wegen überhöhter Rechnungen intervenie­rt, aber die Firmen haben nicht reagiert.“

Die zuständige Bundesinnu­ng der Wirtschaft­skammer gab sich punkto gängigen Tarifen zugeknöpft und wollte auf SN-Nachfrage keine Auskunft geben. Beträgt die Rechnung für einen Aufsperrse­rvice mehrere Hundert Euro, rät Konsumente­nschützeri­n Mayer: „Auf jeden Fall Anzeige erstatten.“

Bevor es dazu kommt, sollten sich Betroffene – bei aller Aufregung – „zwei, drei Minuten Zeit nehmen“, wie Mayer meint. „Nicht die erstbeste Nummer wählen, auch schauen, dass die Firma aus derselben Stadt kommt.“Da biete sich etwa das Impressum auf der jeweiligen Internetsi­te an. Nützlich seien in solchen Notlagen auch die wenig beachteten schwarzen Bretter, die meist im Eingangsbe­reich der Häuser anzutreffe­n sind. Dort werde man häufig fündig, wenn man nach Aufsperrdi­ensten suche, sagte Mayer. Auf jeden Fall sollte man nach dem Preis fragen, bevor der Kollege vom Aufsperrdi­enst Hand an die versperrte Tür legt. Denn dann könnte man allenfalls noch rechtzeiti­g auf seine Dienste verzichten.

„Bei überhöhten Rechnungen auf jeden Fall Anzeige erstatten.“Anja Mayer, Konsumente­nschützeri­n

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BILD: SN/ROBERT RATZER Aufsperrdi­enste lassen sich ihren Service fürstlich entlohnen.

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