Aufsperrdienst kassierte 440 Euro für Nachteinsatz
Sich aus der eigenen Wohnung auszusperren kann teuer werden. In einigen Fällen ermittelt nun sogar die Polizei. Wozu die Konsumentenschützer raten.
WIEN. Neulich in Wien-Floridsdorf: Ein geselliger Abend geht zu Ende. Der Gastgeber begleitet seine Besucher noch zum Haustor, weil das spätnachts immer zugesperrt ist. Er greift nach seinem Schlüsselbund und schließt die Wohnungstür. Als er zurückkehrt, ist selbige unpassierbar – denn der zweite Schlüssel steckt innen. Genau dort, wo auch das Handy liegt. Es ist nach Mitternacht, also keine gute Idee, jetzt noch bei den Nachbarn zu läuten. Doch der Ausgesperrte hat Glück: Im nahen Hotel organisiert ihm der Portier einen Aufsperrdienst. Pauschale, Nachtzuschlag, An- und Rückfahrt: macht (inklusive Mehrwertsteuer) 440,40 Euro. Beim Kunden macht sich einerseits Erleichterung breit, schließlich kann er wieder in seine Wohnung. Andererseits erzürnt ihn der stolze Preis. Er stellt sich die berechtigte Frage: War die Höhe des Honorars seriös und gerechtfertigt – oder wurde er abgezockt?
In Baden-Württemberg ermittelt derzeit die Polizei wegen Wuchers. In Albbruck bei Waldshut musste eine Frau, die sich ausgesperrt hatte, 660 Euro für den Aufsperrdienst bezahlen. Der ortsübliche Preis liege zwischen 100 und 200 Euro, teilte die Polizei mit.
Bedauerliche Einzelfälle? Offenbar nicht. „Wir haben so etwas immer wieder“, zeigt sich die Wiener Polizeisprecherin Irina Steirer unbeeindruckt. Erst im Vorjahr sei ein Aufsperrdienst ins Visier der Ermittler geraten, gegen den bereits mehr als hundert Anzeigen vorlagen.
Der Verein für Konsumenteninformation (VKI) hat 2017 insgesamt 14 Aufsperrdienste in Wien unter die Lupe genommen und kam zu folgendem Fazit: „Wer in Wien vom Profi eine Tür öffnen lässt, wird, wenn er Pech hat, ganz schön zur Kassa gebeten.“Was die Kosten laut VKI zusätzlich in die Höhe treibt: „Nicht jeder Handwerker hat das Können, ein Schloss einer geringen Sicherheitsklasse aufzusperren. Viele müssen zum Bohrer greifen, damit die Tür aufgeht – und anschließend einen neuen Zylinder einbauen, damit die Wohnung auch wieder verschlossen werden kann.“Beschwerden gebe es jedenfalls „jede Menge“, sagt eine Mitarbeiterin.
„Auch wir haben laufend Anfra- gen“, berichtet Konsumentenschützerin Anja Mayer von der Arbeiterkammer Wien. „Die größte Schwierigkeit ist: Welcher Preis ist noch zulässig, welcher nicht mehr?“Sie sei regelmäßig mit Rechnungen konfrontiert, die fünf- bis sechsfach überhöht seien. Laut Paragraf 155 StGB („Sachwucher“) sind Personen, die „gewerbsmäßig die Zwangslage, den Leichtsinn, die Unerfahrenheit oder den Mangel an Urteilsvermögen eines anderen ausbeuten“und eine Rechnung stellen, die „in auffallendem Missverhältnis zum Wert der eigenen Leistung“steht, mit bis zu fünf Jahren Gefängnis bedroht. Dieses Delikt konkret nachzuweisen sei nicht einfach.
Konsumentenschützerin Mayer weist auch auf die psychische Komponente hin: „Jemand, der sich ausgesperrt hat, vielleicht auch noch nachts, der befindet sich in einer Ausnahmesituation.“Den Rat, einfach „cool“zu bleiben, könne man sich im Grunde sparen. Viele sind nur froh, überhaupt einen Aufsperrdienst gefunden zu haben – und tappen in die Falle. „Es gibt diese 0800er-Nummern, wo die Firmen in Deutschland sitzen und Mitarbeiter in Österreich haben. Die Kunden müssen ja sofort bezahlen. Wir haben dann wegen überhöhter Rechnungen interveniert, aber die Firmen haben nicht reagiert.“
Die zuständige Bundesinnung der Wirtschaftskammer gab sich punkto gängigen Tarifen zugeknöpft und wollte auf SN-Nachfrage keine Auskunft geben. Beträgt die Rechnung für einen Aufsperrservice mehrere Hundert Euro, rät Konsumentenschützerin Mayer: „Auf jeden Fall Anzeige erstatten.“
Bevor es dazu kommt, sollten sich Betroffene – bei aller Aufregung – „zwei, drei Minuten Zeit nehmen“, wie Mayer meint. „Nicht die erstbeste Nummer wählen, auch schauen, dass die Firma aus derselben Stadt kommt.“Da biete sich etwa das Impressum auf der jeweiligen Internetsite an. Nützlich seien in solchen Notlagen auch die wenig beachteten schwarzen Bretter, die meist im Eingangsbereich der Häuser anzutreffen sind. Dort werde man häufig fündig, wenn man nach Aufsperrdiensten suche, sagte Mayer. Auf jeden Fall sollte man nach dem Preis fragen, bevor der Kollege vom Aufsperrdienst Hand an die versperrte Tür legt. Denn dann könnte man allenfalls noch rechtzeitig auf seine Dienste verzichten.
„Bei überhöhten Rechnungen auf jeden Fall Anzeige erstatten.“Anja Mayer, Konsumentenschützerin