Der Axolotl lässt alles nachwachsen
Das Genom des Axolotl, eines kleinen Salamanders, der im Wasser lebt, ist nicht nur gigantisch groß, es birgt auch das Rätsel um den völligen Regenerationsprozess. Ein Muss für ein kannibalisch veranlagtes kleines Monster.
WIEN, DRESDEN. Ein Team von Forschern aus Wien, Dresden und Heidelberg hat die gesamte Erbinformation des mexikanischen Salamanders Axolotl entschlüsselt. Das Axolotl-Genom ist das bisher größte Genom, das jemals sequenziert wurde. Es stellt eine Grundlage dar, um das Zusammenspiel der Moleküle zu verstehen, die das Nachwachsen von Gliedmaßen und die Regeneration von Gewebe steuern.
Salamander sind von jeher wichtige biologische Modelle für Entwicklungs-, Regenerations- und Evolutionsstudien. Vor allem der mexikanische Axolotl Ambystoma mexicanum hat aufgrund seiner erstaunlichen Regenerationsfähigkeit von Körperteilen eine besondere Bedeutung. Verliert das kannibalistisch veranlagte Tier ein Körperteil, wächst in wenigen Wochen ein perfekter Ersatz mit Knochen, Muskeln und Nerven an den richtigen Stellen nach. Auch durchtrenntes Rückenmark und verletztes Netzhautgewebe kann der Axolotl wiederherstellen. Diese Eigenschaften und die relativ einfache Zucht machen ihn seit 150 Jahren zu einem Modellorganismus in der Biologie.
Eine der größten Axolotl-Kolonien wird im Labor von Elly Tanaka am Forschungsinstitut für Molekulare Pathologie in Wien betreut. Die Tanaka-Gruppe, die bis 2016 am DFG-Forschungszentrum für Regenerative Therapien Dresden und am Max-Planck-Institut für molekulare Zellbiologie und Genetik in Dresden aktiv war, erforscht die molekularen Mechanismen, die der Regeneration von Gliedmaßen und Rückenmark zugrunde liegen, sowie deren Evolution. Im Lauf der Jahre hat das Forschungsteam einen umfangreichen Satz an molekularen Werkzeugen entwickelt, darunter umfassende Transkriptom-Daten, mit denen die proteinkodierenden Sequenzen im Genom des Axolotl aufgespürt werden können.
Mit diesen Werkzeugen konnten Elly Tanaka und ihre Kollegen unter anderem die Zellen identifizieren, welche die Regeneration in Gang setzen, sowie die Moleküle, die diesen Prozess steuern.
Um Regeneration vollständig zu verstehen und herauszufinden, warum sie bei den meisten Arten nur sehr eingeschränkt funktioniert, müssen Wissenschafter die gesamte DNA-Sequenz kennen, um die Regulation und Evolution von Genen zu erforschen. Bisher konnte man das Axolotl-Genom aufgrund seiner gigantischen Größe nicht komplett entschlüsseln: Mit 32 Milliarden Basenpaaren ist es mehr als zehn Mal so groß wie das menschliche Genom.
Die Forscher fanden mehrere Gene, die nur beim Axolotl und anderen Amphibien vorkommen, die Gewebe regenerieren können. Auffallend ist, dass ein wichtiges und weitverbreitetes Entwicklungsgen namens PAX3 beim Axolotl vollständig fehlt. Dessen Funktion übernimmt ein verwandtes Gen namens PAX7. Beide Gene spielen eine Schlüsselrolle bei der Entwicklung von Muskeln und Nerven.
Die Forscher versuchen jetzt anhand des Erbguts zu verstehen, wie das 30 Zentimeter große Tier es schafft, sich zum Beispiel ein Beinchen nachwachsen zu lassen, wenn es ihm von einem Artgenossen abgebissen wurde. Wegen der ungeheuren Datenmenge wird das wohl noch eine Zeit dauern.