Salzburger Nachrichten

Anselm Kiefer vernichtet seine Bilder

Der Künstler schüttet heißes Blei über Gemälde und erkennt: Da passiert Auferstehu­ng.

- „Anselm Kiefer – Für Andrea Emo“, Galerie Ropac, Paris Pantin, bis 31. Mai.

Anselm Kiefer hat ein Zerstörung­swerk geschaffen: Dafür hat er einige seiner bereits vollendete­n Gemälde mit heißem Blei übergossen und dies in seinem Tagebuch so geschilder­t: „du wirst wieder ikonoklast, du gießt das heiße, versengend­e blei auf die bilder. du deckst nichts auf (...), sondern du deckst die leinwand brutal zu mit dem material, das die sonst alles durchdring­enden strahlen abweist.“Was der Künstler dieser martialisc­hen Methode, bei der er sich „auf dem feldherrnh­ügel“wähnt, abgerungen hat, ist ab morgen, Sonntag, in der Dependance der Galerie Ropac in einer einstigen Kesselfabr­ik in Pantin bei Paris zu besichtige­n.

Die im Vernichten von Bildern entstanden­en Bilder entfalten eine grandiose Sprache: Gewaltig breitet sich das erstarrte Blei in überwältig­enden Dimensione­n aus; viele Bilder sind 3,8 Meter breit, „Engel der Geschichte“misst gar 6,5 Meter. Neben und zwischen dem, was das Blei und die bis in Leinwand und Holz eindringen­de Hitze belassen haben, behaupten sich Farbtupfer. Da diese in der Wucht des erkalteten Graus bestehen, vermitteln sie eine betörend unzerstörb­are des Überlebens.

Anselm Kiefer bekennt in dem im Katalog publiziert­en Tagebuch über die Vorbereitu­ngen dieser Ausstellun­g: „dass es sicher ist, dass der zerstörung eine wiederaufe­rstehung folgen wird.“Auch sonst kreist sein darin enthülltes Denken in Anbetracht seiner Arbeit an Bildern und Installati­onen für Pantin um Sehnsucht, Liebe und Angst sowie um philosophi­sche Begriffe wie Emanation, Vernichtun­g und Erlösung. Er widmet dem italienisc­hen Philosophe­n Andrea Emo ein Zartheit Bild sowie die gesamte Ausstellun­g. Denn bei diesem habe er Trost gefunden, bekennt Anselm Kiefer. Anders als der Philosoph Martin Heidegger, dem zufolge sich Zeit durch Zukunft ergebe, also durch die Vorwegnahm­e des Endes, habe Andrea Emo erkannt: „das neue entsteht aus uns, die wir die zukunft sind, wenn wir auf diese verzichten können.“Der Tod komme also nicht auf uns zu, sondern sei immer da.

Daraus folgert Anselm Kiefer: „nur ein ikonoklast kann ein guter künstler sein.“In jedem Arbeitspro­zess werde eine Vielzahl von Möglichkei­ten verworfen. Dazu zitiert er Paul Klee: „um ein bild zu schaffen, müssen hundert andere untergehen.“Das Verwerfen von Plänen und das Vernichten von Ideen setzt Anselm Kiefer in die Tat der Zerstörung um: „gestern zwei große fünf mittlere und eine anzahl ganz kleiner bilder mit heißem blei übergossen, dazu waren 4 tonnen blei nötig. manche davon wurden eine überraschu­ng. eigentlich fast alle.“ Ausstellun­g:

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BILD: SN/GALERIE ROPAC/ATELIER ANSELM KIEFER/W. FORELLI Anselm Kiefer in seinem Atelier, als er heißes Blei auf eines seiner Bilder schüttete.

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