Zu viele Anleger wollten durch eine Tür
Die US-Börsen brachen diese Woche zwei Mal stärker ein. Europas Börsen ließ der zweite Kursrutsch relativ kalt.
Am österreichischen und deutschen Aktienmarkt haben die Anleger am Freitag die Nerven behalten, obwohl es am Abend zuvor den zweiten Kursrutsch dieser Woche an den US-Börsen gegeben hatte. Der DAX gab nur wenig um 1,25 Prozent auf 12.107 Punkte nach. Das ist beachtlich angesichts eines Kurseinbruchs von mehr als vier Prozent an der Wall Street am Donnerstagabend. Auch der österreichische ATX hielt sich tapfer. Nach einem Absacken um 3,13 Prozent am Donnerstag schloss er am Freitag mit einem Minus von 1,31 Prozent (3354 Punkte).
Der US-Leitindex Dow Jones schien sich am Freitag zu Handelsbeginn zu erholen. Er stieg um 0,83 Prozent auf 24.058 Zähler. Nachdem er am Donnerstag erneut um mehr als 1000 Punkte abgestürzt war. In der Folge brachen auch die Börsen in Japan und China am Freitag ein.
Die Angst vor steigenden Zinsen halte die US-Börsen im Würgegriff, sagte Thomas Altmann vom Vermögensverwalter QC Partners. Zu viele Anleger wollten dort „gleichzeitig durch die eine enge Tür“.
An der Börse geht die Sorge um, dass die Zinsen schneller steigen könnten als erwartet. In den USA fürchten Anleger, dass die Konjunktur, befeuert von der Steuerreform von Präsident Trump, heißlaufen könnte. Damit könnte die Inflation schneller steigen und die US-Notenbank Fed gezwungen sein, die Zinsen rascher anzuheben.
Die Geldschwemme und Niedrigzinsen der großen Notenbanken halten Anleger seit Jahren bei Laune. Investoren müssen das viele Geld aber auch irgendwo anlegen – es herrscht Anlagenotstand. Investoren setzten daher verstärkt auf Aktien, die dank Dividenden attraktiv sind verglichen mit Spareinlagen.
Nun dreht sich die Lage langsam: Steigende Zinsen machen Anleihen von Staaten und Unternehmen gegenüber Aktien wieder interessant. In den USA warfen die richtungsweisenden zehnjährigen Staatsanleihen zuletzt schon rund 2,8 Prozent Rendite ab – und bieten Investoren damit schon einen ordentlichen Ertrag. In Deutschland sieht es dagegen mau aus: Die Rendite zehnjähriger Bundesanleihen liegt bei 0,76 Prozent.
In der Eurozone sind Zinserhöhungen in absehbarer Zeit unwahrscheinlich. Denn hier hinkt die Inflation weiter dem Ziel der Europäischen Zentralbank (EZB) von knapp unter zwei Prozent hinterher – obwohl die Wirtschaft sich erholt. Im Januar lag die Inflation im Euroraum bei 1,3 Prozent. EZB-Präsident Mario Draghi dämpft Hoffnungen von Sparern. „Auf Basis der heutigen Daten und Analysen sehe ich sehr wenig Chancen, dass die Zinsen in diesem Jahr steigen könnten“, sagte er Ende Januar.
Dass der Dow Jones so stark absackt, liegt auch am weitverbreiteten Computerhandel. Werden bestimmte Kursmarken nach unten durchbrochen, verkaufen die Programme automatisch und blitzschnell weitere Papiere. Das beschleunigt den Sturz.
Aber auch die lang stark steigenden Kurse in den USA haben für eine Überhitzung gesorgt. Anleger hätten sich daran gewöhnt, dass die Kurse immer höher kletterten, schreiben Experten der Deutschen Bank. Nun sei es kein Wunder, dass die Korrektur so viel Nervosität verursache. Dass der DAX den US-Börsen nicht mehr blind nach unten folgt, dürfte auch eine Folge davon sein, dass in New York seit Längerem weit höhere Kursgewinne aufgelaufen sind und nun ein größerer Korrekturbedarf besteht.
„Anleger haben sich daran gewöhnt, dass die Kurse immer höher klettern.“