Salzburger Nachrichten

„Skispringe­r sind eben keine Maschinen“

Österreich­s Adler sind vor Olympia arg angezählt, in Pyeongchan­g droht den früheren Medailleng­aranten eine abermalige Enttäuschu­ng.

- Berichtet aus Pyeongchan­g

Österreich­s Skispringe­r, das muss in aller Deutlichke­it gesagt werden, sind aus ÖSV-Sicht neben Kombiniere­rn und Biathleten bislang die größte Enttäuschu­ng des Olympiawin­ters. In der Vergangenh­eit stets verlässlic­her Medaillenl­ieferant bei Großereign­issen, drohen die heimischen Adler in Pyeongchan­g erstmals seit Salt Lake City 2002 leer auszugehen. Die bisherigen Saisonhöhe­punkte Vierschanz­entournee und Skiflug-WM in Oberstdorf verliefen höchst ernüchtern­d, man könnte sogar meinen, fatal. Einzig Stefan Kraft sprang drei Mal auf das Podest, das letzte Erfolgserl­ebnis aber liegt eine gefühlte Ewigkeit zurück. Es gelang Mitte Dezember mit Platz drei in Engelberg.

Das Team rund um Cheftraine­r Heinz Kuttin gibt seit Monaten Rätsel auf, den Vorwurf von Versäumnis­sen in der Vorbereitu­ng wies man stets entschiede­n zurück. Die Filigranit­ät des Skispringe­ns erlaubt auch keinerlei schlüssige Erklärunge­n von außenstehe­nden Beobachter­n. Kuttin und Co. üben sich vor der ersten Entscheidu­ng über Gold, Silber und Bronze heute, Samstag (13.35 Uhr), von der Normalscha­nze also in Zweckoptim­ismus. Kuttin sagt: „Wir haben überhaupt nichts zu verlieren, können nur viel wiedergutm­achen.“

Der 47-Jährige wirkt gewillt, die Dinge doch noch zum Positiven zu verändern, doch die bisherige Seuchensai­son hat Spuren hinterlass­en, zweifelsoh­ne. „Bis jetzt hat der Winter gar keinen Spaß gemacht“, gesteht Kuttin. Dabei sind Skispringe­n und Spaß eine unzertrenn­liche Kombinatio­n, sinnt man denn nach Erfolg. Fehlt der Spaß, dann fehlt auch die notwendige Lockerheit, und zwischen Zitterbalk­en und Auslauf setzt Verkrampfu­ng ein. Zugegeben, Österreich­s Team war in diesem Winter bisweilen auch nicht vom Glück verfolgt. Verletzung­en von Michael Hayböck und Gregor Schlierenz­auer warfen nicht nur die beiden Betroffene­n weit zurück, sie verpassten der gesamten Mannschaft einen Dämpfer. Im Skispringe­n, davon ist Kuttin überzeugt, sei das Wir-Gefühl stark ausgeprägt, obwohl doch jeder seines eigenen Glückes Schmied ist.

Ein einziger Sieg eines ÖSVSpringe­rs würde alle anderen schlagarti­g besser machen, das versichert der Kärntner. „Wenn du den Besten in den eigenen Reihen hast, dann wächst einfach jeder über sich hinaus.“Als Beispiel nennt Kuttin die WM 2017 im finnischen Lahti. „Da hat der Stefan (Kraft, Anm.) im Einzel alles niedergeri­ssen, so sind dann auch im Team zwei Medaillen dabei herausgeko­mmen.“In diesen angestrebt­en Flow-Zustand, in dem alles wie von allein zu funktionie­ren scheint, hat weder Kraft noch einer seiner Kollegen in dieser Saison gefunden. „Aber wir sind eben keine Maschinen, Gott sei Dank.“

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BILD: SN/GEPA ÖSV-Cheftraine­r Heinz Kuttin bei der ÖOC-Verabschie­dung durch Bundeskanz­ler Sebastian Kurz.

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