Olympia wendet sich mehr und mehr von Europa ab
Die asiatische Ära beginnt: Auf Pyeongchang folgen Tokio und Peking. Das wird Olympia nachhaltiger ändern als geglaubt.
Es ist ein Treppenwitz der Geschichte, mit dem die XXIII. Olympischen Winterspiele nun beginnen: Just der letzte stalinistische Hardliner, Nordkoreas Kim Jong Un, rettet das turbokapitalistische IOC und gibt der Veranstaltung einen tieferen Sinn. Die plötzliche, überraschende Teilnahme Nordkoreas an den Spielen, sogar mit gemeinsamer Mannschaft mit Südkorea, lässt Thomas Bachs arg ramponierte Olympiatruppe plötzlich wie eine Friedensmission aussehen. Noch nie in seiner Amtszeit hat IOC-Präsident Bach positive Schlagzeilen dringender gebraucht denn jetzt – zuletzt hat die DopingAffäre um Russland samt den juristisch schwierig umzusetzenden Sanktionen viel an Glaubwürdigkeit gekostet, die ewigen Korruptionsvorwürfe und die Kritik am Größenwahn der Spiele gehören ohnedies längst zum Tagesgeschäft.
Man gönnt dem geschundenen Korea die aktuelle Entspannung von Herzen, doch im Hinterkopf tauchen Erinnerungen an Sotschi auf. Bei den Spielen 2014 hat sich Russland erst als galanter und weltoffener Gastgeber erwiesen – einen Monat nach Ende der Spiele hat man die Krim annektiert und ein anderes Gesicht gezeigt.
Wahrscheinlich sind genau diese Erwartungen, die man mit Olympia verknüpft, das erste große Missverständnis. Olympia ist die größte Sportveranstaltung der Welt, keine Abrüstungskonferenz.
Das nächste Missverständnis ist die Herangehensweise an Olympia selbst. Während wir in Europa und speziell im Alpenraum von einer Rückbesinnung auf alte Werte und einer Redimensionierung träumen, hat Olympia selbst längst eine völlig andere Abzweigung genommen. Es ist „The Age of Asia“, die Ära von Asien (Zitat Thomas Bach), die jetzt beginnt. Pyeongchang 2018, Tokio 2020 (Sommerspiele) und dann Peking 2022 (Winterspiele) werden Olympia nachhaltiger und tiefer greifend verändern als derzeit für die meisten überhaupt vorstellbar. Für die drei asiatischen Giganten ist Olympia eine Leistungsschau eigener wirtschaftlicher und technologischer Kraft. Südkoreas Olympiageschenk an die Welt ist die flächendeckende Einführung von 5GInternet – diese Technologie ist eine der Grundvoraussetzungen für autonomes Fahren, das in den nächsten Jahren unseren Umgang mit Mobilität dramatisch verändern wird. Nebenbei hat man einen Hochgeschwindigkeitszug direkt aus dem Flughafen Seoul-Incheon in das Olympiagebiet gebaut – in zwei Stunden vom Gate in den Schnee. In China plant man wegen Wassermangels in den Skigebieten den Bau von Wasserleitungen über große Distanzen – auch für Beschneiungsanlagen. Ökologische Vorhalte des Skiverbands FIS konterte man mit dem Hinweis, dass man auch eine Wasserleitung aus der Schweiz nach China bauen würde, wenn gewünscht. Und Tokio hat kürzlich bekannt gegeben, dass
Für Asien ist Olympia eine Leistungsschau
man bereits jetzt drei Milliarden Dollar an Werbeeinnahmen allein aus dem japanischen Markt für 2020 lukriert hat – dennoch ist das bei den zu erwartenden Gesamtkosten ein Tropfen auf den heißen Stein.
Da wirkt unser Zugang mit Umweltverträglichkeitsprüfung, dem geschotterten Parkplatz am Ortsrand und Herrenabfahrt in Schladming, na ja, sagen wir es höflich: zumindest bemüht – selbst wenn die Planai ein Klassiker im Vergleich zur morgigen Herrenabfahrt in Korea ist.
Wer in diesen Tagen durch die fast durchwegs neu gebauten Olympiagebiete Koreas spaziert, der spürt, dass wir Europäer den Anschluss an diese Art von Olympia völlig verloren haben. Das mag schade sein, ist aber gesellschaftlich verschmerzbar.
Aber man spürt auch, dass es verdammt hart werden wird, wirtschaftlich und technologisch mit diesem Asien Schritt zu halten.