MAGAZIN
Purgertorium. Was macht ein Neandertaler auf Wahlplakaten? Und wo sind die Höhlenmaler hin?
In Niederösterreich wurden sie schon weggeräumt. In Tirol und Kärnten stehen sie gerade in der Landschaft herum. In Salzburg werden sie auch nicht mehr lange auf sich warten lassen. Die Rede ist von den Wahlplakaten.
Wussten Sie, dass diese in Wahlzeiten so beliebten Kombi-Angebote von Politiker-Köpfen und Spruchweisheiten deutliche Parallelen zu prähistorischen Höhlenmalereien aufweisen? Damit soll jetzt keinesfalls gesagt sein, dass Spitzenkandidat X aussähe wie ein Neandertaler oder dass von Spitzenkandidatin Y demnächst die Erfindung des Rades zu gewärtigen wäre. Nein, das nicht.
Aber nach Ansicht der Wissenschaft entspringt es exakt demselben menschlichen Trieb, einen Politiker auf eine Plakatwand zu kleben wie ein Wildschwein auf den Fels der heimatlichen Wohnhöhle zu pinseln.
Denn warum taten unsere Altvorderen das? Die Völkerkunde hat dafür zwei Antworten parat. Erstens: Säbelzahntiger, Bisons und Höhlenbären wurden deswegen in so großer Zahl an die Felswände gemalt, weil sich die Jäger erhofften, sie dann in ebenso großer Zahl bei ihren Jagdzügen anzutreffen.
Spuren dieses Aberglaubens haben sich bis heute erhalten. Auch die Parteizentralen schwören darauf, dass sich die Zahl der Politikerabbildungen auf den Plakatwänden auf magische Weise in einer noch viel größere Zahl von Wählerstimmen verwandelt.
Der zweite Grund für die Höhlenzeichnungen hat laut den Erkenntnissen der Völkerkundler ebenfalls etwas mit Bildmagie zu tun. Die urzeitlichen Jäger sollen mit ihren Speeren und Pfeilen auf die Malereien geschossen haben, weil sie damit die Hoffnung verbanden, die abgebildeten Tiere dann auch bei der echten Jagd leichter zu treffen.
Auch diese Ansicht hat bis auf den heutigen Tag ihre Anhänger. Zeitgenossen, die mental der Urzeit verbunden geblieben sind, versehen die Politikerbilder auf den Plakaten mit optischen Zusätzen wie Zahnlücken, Hitlerbärten und Nasenringen, weil sie der festen Überzeugung sind, dadurch den Zauber des Betreffenden zu brechen. Irgendwie archaisch, das Ganze.
Bleibt die Frage, warum sich die Höhlenmalerei so gänzlich aufgehört hat. Nun, das dürfte mit dem dramatischen Anstieg der Höhlenpreise in der Späturzeit zu tun gehabt haben. Vor allem in den Faustballungszentren Wien, Salzburg und Innsbruck stiegen die Höhlenmieten damals derart an, dass es auf keinen Fellschurz mehr ging. Hausen wurde zu einem echten Luxus, was die Höhlenvermieter in die Lage versetzte, immer neue Schikanen für die Höhlensuchenden zu ersinnen.
Eine dieser Regelungen besagte, dass keine Kritzeleien an den Wänden mehr gestattet wurden. Deswegen sind Höhlenmalereien heute eine nahezu verschwundene Kunstform. Eine andere Folge der Höhlennot war, dass Wohnraum doppelt vermietet wurde, also gleichzeitig an Menschen und – zum Beispiel – Bären oder Löwen. Lange hielten diese Urzeit-WGs aber selten.
Alexander der Große soll übrigens einer gewesen sein, der sich freiwillig in die Höhle des Löwen wagte, um dadurch seinen Mut unter Beweis zu stellen. Als er starb und ein Kampf um seine Nachfolge ausbrach, wollte es ihm einer der Diadochen – ein gewisser Perdikkas – gleichtun. Er wagte sich ebenfalls in eine an Löwen vermietete Höhle und holte mit bloßen Händen Löwenjunge heraus. Nach dieser Heldentat wurde er zum Nachfolger Alexanders.
Man stelle sich vor, politische Nachfolgefragen würden heute noch so entschieden. Mangels Löwen müssten in Österreich Eichhörnchenhöhlen herhalten. Aber wie kämen die Eichhörnchenjungen dazu? Das ist der Grund, warum Wahlkämpfe heute mit Plakaten ausgetragen werden.