Iran und Israel steuern auf Konflikt zu
Israel nimmt die Aufrüstung seiner Feinde durch Teheran nicht hin. Russland will seinen Einfluss nicht geltend machen, hindert aber auch Israels Luftwaffe nicht.
Ein riesiger Feuerball raste durch den Nachthimmel, bevor eine gewaltige Explosion die Berge Galiläas erschütterte. So beschrieb ein Augenzeuge in Israel am Samstag einen der dramatischsten Augenblicke der bislang schwersten Eskalation seit Jahren an der israelisch-syrischen Grenze. Der flammende Himmelskörper war ein israelischer Kampfjet vom Typ F-16I, der offenbar im Laufe einer Operation tief in syrischem Staatsgebiet beschädigt worden war.
Dieser erste Abschuss eines israelischen Kampfflugzeugs über Syrien ereignete sich wenige Tage nach einer symbolischen Sitzung, die Israels Kabinett demonstrativ im Norden des Landes abgehalten hatte. Sie war als klares Warnsignal an Syrien, die libanesische Hisbollah-Miliz und vor allem deren Schutzmacht Iran gedacht. Hintergrund sind die Versuche der Iraner, das Raketenarsenal der Hisbollah noch mehr aufzurüsten und eine eigene militärische Präsenz in Syrien direkt an Israels Grenze zu etablieren. Zudem soll Syriens Herrscher Baschar al-Assad sich nach seinen jüngsten Erfolgen im sieben Jahre alten Bürgerkrieg wieder so sicher im Sattel fühlen, dass er eine direkte Konfrontation mit Israel nicht mehr scheut.
Die Kette der Ereignisse begann gegen vier Uhr nachts, als in Israels Norden die Luftschutzsirenen aufheulten. Eine besonders moderne, bislang unbekannte iranische Drohne aus Syrien soll in Israels Luftraum eingedrungen sein. Teheran bestreitet das. Ein israelischer Kampfhubschrauber schoss die Drohne ab. Laut Angaben des Armeesprechers befindet diese sich nun in israelischer Hand.
Kurz darauf reagierte die Luftwaffe auf die „schwere Verletzung israelischer Souveränität“. Eine Formation von vier Kampfbombern griff tief in syrischem Staatsgebiet die iranischen Einrichtungen an, von denen aus die Drohne gesteuert worden war. Syriens Luftabwehr soll darauf mit dem Abschuss von zig Raketen reagiert haben. Manche gingen auf israelischem Staatsgebiet nieder. Mindestens eine traf ihr Ziel. Den zwei Piloten gelang es, abzuspringen. Einer von ihnen soll schwer verletzt sein.
In den folgenden Stunden wurde der Luftraum nördlich von Tel Aviv gesperrt. Kampfflugzeuge griffen zwölf weitere Ziele in Syrien an – laut israelischen Angaben die schwersten Angriffe seit 1982. Dabei soll es sich laut Angaben des Armeesprechers um Einrichtungen der syrischen Luftabwehr und vier iranische Armeestützpunkte gehandelt haben.
Israel und der Iran führen seit Jahren einen Krieg der Stellvertreter und Geheimdienste. Die Islamische Republik will nun angeblich das Chaos in Syrien nutzen, um der Hisbollah auch strategische Waffen wie genaue Langstreckenraketen sowie moderne Land-Meer- und Luftabwehrraketen zu liefern. Um dies zu verhindern, griff Israels Luftwaffe laut eigenen Angaben in den vergangenen Jahren mehr als 100 Mal in Syrien an. Die Ziele waren meist Waffenkonvois, die sich auf dem Weg in den Libanon befanden, oder Lager, in denen die Waffen für die Hisbollah zwischengelagert wurden.
Bis vor Kurzem nahm Syriens Regime diese Attacken hin. Assad kämpfte um sein Überleben und hatte kein Interesse, eine neue Front mit dem militärisch überlegenen Israel zu eröffnen. Doch nun wollen Teheran und Damaskus die Spielregeln an der Grenze zu ihren Gunsten ändern. Syriens Luftwaffe reagiert immer häufiger auf israelische Angriffe.
Israels Armeesprecher wies im Jänner in einem seltenen Interview in arabischen Medien darauf hin, dass Teheran nicht nur in Syrien, sondern auch im Libanon geheime Waffenschmieden für den Bau von Raketen errichte. Jerusalem werde das nicht hinnehmen und im Notfall den Libanon angreifen. Zugleich teilte Premier Benjamin Netanjahu dem russischen Präsidenten Wladimir Putin in einem persönlichen Gespräch erneut mit, er werde es nicht zulassen, dass die Iraner in Syrien Fuß fassen, und bat um Moskaus Hilfe. Russland ist neben dem Iran der wichtigste Verbündete Assads. Doch Putin scheint nicht daran interessiert zu sein, israelische Interessen zu schützen. Dennoch scheint er Israels Luftwaffe in Syrien weiterhin freie Hand zu geben. Die im Land stationierten russischen Luftabwehrsysteme kamen bislang nicht zum Einsatz, obschon sie Israels Aktivitäten erheblich einschränken könnten.
Weder Israel noch die Hisbollah, Syrien oder der Iran haben derzeit wohl Interesse an einem Krieg. Doch wenn Russland und die USA nicht mäßigend eingreifen, nimmt die Gefahr einer Eskalation zu, weil Israel kaum zulassen wird, dass der Iran den Status quo zu eigenen Gunsten verändert. Aus dem Stellvertreterkrieg würde eine direkte Konfrontation, in der jede Fehlkalkulation ungeahnte Folgen haben kann.
Israel flog Angriffe gegen iranische Ziele in Syrien