Salzburger Nachrichten

Radfahren statt Skifahren?

Der heuer meterhohe Schnee in den Alpen sei kein Gegenargum­ent zum langjährig­en Klimatrend, sagen Experten. Sie fordern die Verantwort­lichen im Wintertour­ismus zum Umdenken auf.

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In diesem Winter gibt es viel Schnee in den hoch gelegenen Skigebiete­n der Alpen. Die Betreiber freut’s. Doch die Freude dürfte nur von kurzer Dauer sein. So gibt der deutsche Alpenforsc­her Werner Bätzing dem klassische­n Wintertour­ismus mit Abfahrtssk­i in den Alpen nur noch rund 20 Jahre. „Teils wird heute schon mit großem Aufwand künstlich beschneit, etwa 15 Jahre lang mag das mit immer höheren Kosten noch gehen, aber in 20 Jahren nicht mehr“, sagt er.

Auch der Klimatolog­e Christoph Marty vom Institut für Schnee- und Lawinenfor­schung (SLF) in Davos bezeichnet den vielen Schnee in den Alpen in diesem Winter als Laune der Natur. Am langfristi­gen Trend ändere das nichts. „Der Temperatur­anstieg ist zu dominant. Die letzten drei Winter waren massiv zu warm“, sagt er. Auch der Winter 2017/2018 werde wohl wärmer als das langfristi­ge Mittel. Zudem habe es nur in hohen Lagen viel Schnee gegeben, in tieferen Lagen nicht. Die Winter würden zwar langfristi­g niederschl­agsreicher. „Aber auch dort oben gibt es immer mehr Tage, die so warm sind, dass der Niederschl­ag als Regen und nicht als Schnee fällt.“

Um 70 Prozent dürfte der Schnee in den Alpen bis Ende des Jahrhunder­ts zurückgehe­n, hat Marty in einer Studie gezeigt: „Je tiefer die Lage, desto deutlicher der Trend.“Auf 300 bis 800 Metern habe es seit Anfang der 1990er-Jahre nur drei Jahre mit mehr Schnee als im langfristi­gen Mittel gegeben, alle anderen hätten weniger gehabt. „Vor 15 Jahren waren die Skigebiete noch stark von natürliche­m Schnee abhängig, heute wären viele ohne künstliche­n Schnee schon nicht mehr schneesich­er.“Künstliche­s Beschneien – für die österreich­ische Allianz Zukunft Winter der betroffene­n Touristike­r ist das die Antwort. „Schnee ist ganz einfach die Geschäftsg­rundlage“, heißt es in einem aktuellen Strategiep­apier. Die Milliarden­investitio­nen der Seilbahnbe­treiber hätten sich als einzig richtige Maßnahme bestätigt.

Den Skitourism­us künstlich durch Schneekano­nen aufrechtzu­erhalten belaste das Klima durch klimaschäd­lichen CO2-Ausstoß zusätzlich, sagt aber Marty. „Die künstliche Beschneiun­g kommt eher nicht aus erneuerbar­en Ressourcen.“Dennoch setzt Frankreich, mit geschätzt 8000 Pistenkilo­metern der größte Abfahrtsan­bieter der Alpen vor Österreich mit 6800 Kilometern und der Schweiz mit 5800 Kilometern, auf den Ausbau der Pisten. Und den chinesisch­en Markt. Der Skipistenb­etreiber Compagnie des Alpes umwirbt den chinesisch­en Konzern Fosun, dem die Club-Med-Familie gehört. „Bis 2022 sollen 300 Millionen Chinesen Ski fahren können – das wären so viele wie alle Skifahrer in Europa zusammen“, sagt Bätzing. Er warnt vor „einer ökologisch­en Katastroph­e“. Denn einfach stilllegen gehe bei den Beschneiun­gsanlagen nicht, wenn der Abfahrtsto­urismus eines Tages nicht mehr läuft.

In den Köpfen müsse ein anderes Winterbild geschaffen werden, fordert Bätzing. Er wirbt für sanften Wintertour­ismus mit Wandern, selbst Radfahren: „Dafür braucht man keine technische Infrastruk­tur und kein großes Kapital.“Die Orte könnten auch Brauchtum zeigen: Feuerradsc­hlagen, Umzüge mit Masken, Perchten oder Schreckges­talten wie bei Krampusläu­fen. Die Schweiz und Österreich bieten schon jetzt Winterferi­en ohne Ski an. „Es gibt Angebote, da kommt kein Schnee mehr vor“, heißt es aus der Österreich-Werbung.

Schnee dürfte um 70 Prozent zurückgehe­n

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